Siebentes Capitel. Was Lisbeth auf die Ermahnungen zu einer uneigennützigen und entsagenden Liebe antwortete.
Fancy nahm im ersten Morgenstrahl von dem Blumenbrette vor ihrem Fenster, wo der Diaconus einige seiner schönsten Exemplare aufbewahrte, ein prächtiges Myrthenbäumchen herein, musterte die längsten und frischesten Zweige, an denen sich zu- gleich Knöspchen und runde frische Blüthen befan- den, wehte mit einem leichten bunten Federwedel etwas Staub, der sich auf die Blätter gesetzt hatte, ab, summte dazu, aber so leise, daß ihre Gebieterin nebenan es nicht hören konnte, die alte "veilchen- blaue Seide" aus dem Freischützen, lächelte, seufzte dann, legte die Hand auf die Brust und ließ das Myrthenbäumchen im Zimmer stehen, um es gleich zu haben, wie sie für sich sagte. Hierauf ging sie
17*
Siebentes Capitel. Was Lisbeth auf die Ermahnungen zu einer uneigennützigen und entſagenden Liebe antwortete.
Fancy nahm im erſten Morgenſtrahl von dem Blumenbrette vor ihrem Fenſter, wo der Diaconus einige ſeiner ſchönſten Exemplare aufbewahrte, ein prächtiges Myrthenbäumchen herein, muſterte die längſten und friſcheſten Zweige, an denen ſich zu- gleich Knöſpchen und runde friſche Blüthen befan- den, wehte mit einem leichten bunten Federwedel etwas Staub, der ſich auf die Blätter geſetzt hatte, ab, ſummte dazu, aber ſo leiſe, daß ihre Gebieterin nebenan es nicht hören konnte, die alte „veilchen- blaue Seide“ aus dem Freiſchützen, lächelte, ſeufzte dann, legte die Hand auf die Bruſt und ließ das Myrthenbäumchen im Zimmer ſtehen, um es gleich zu haben, wie ſie für ſich ſagte. Hierauf ging ſie
17*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0271"n="259"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Siebentes Capitel</hi>.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><hirendition="#g">Was Lisbeth auf die Ermahnungen zu<lb/>
einer uneigennützigen und entſagenden<lb/>
Liebe antwortete</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Fancy nahm im erſten Morgenſtrahl von dem<lb/>
Blumenbrette vor ihrem Fenſter, wo der Diaconus<lb/>
einige ſeiner ſchönſten Exemplare aufbewahrte, ein<lb/>
prächtiges Myrthenbäumchen herein, muſterte die<lb/>
längſten und friſcheſten Zweige, an denen ſich zu-<lb/>
gleich Knöſpchen und runde friſche Blüthen befan-<lb/>
den, wehte mit einem leichten bunten Federwedel<lb/>
etwas Staub, der ſich auf die Blätter geſetzt hatte,<lb/>
ab, ſummte dazu, aber ſo leiſe, daß ihre Gebieterin<lb/>
nebenan es nicht hören konnte, die alte „veilchen-<lb/>
blaue Seide“ aus dem Freiſchützen, lächelte, ſeufzte<lb/>
dann, legte die Hand auf die Bruſt und ließ das<lb/>
Myrthenbäumchen im Zimmer ſtehen, um es gleich<lb/>
zu haben, wie ſie für ſich ſagte. Hierauf ging ſie<lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[259/0271]
Siebentes Capitel.
Was Lisbeth auf die Ermahnungen zu
einer uneigennützigen und entſagenden
Liebe antwortete.
Fancy nahm im erſten Morgenſtrahl von dem
Blumenbrette vor ihrem Fenſter, wo der Diaconus
einige ſeiner ſchönſten Exemplare aufbewahrte, ein
prächtiges Myrthenbäumchen herein, muſterte die
längſten und friſcheſten Zweige, an denen ſich zu-
gleich Knöſpchen und runde friſche Blüthen befan-
den, wehte mit einem leichten bunten Federwedel
etwas Staub, der ſich auf die Blätter geſetzt hatte,
ab, ſummte dazu, aber ſo leiſe, daß ihre Gebieterin
nebenan es nicht hören konnte, die alte „veilchen-
blaue Seide“ aus dem Freiſchützen, lächelte, ſeufzte
dann, legte die Hand auf die Bruſt und ließ das
Myrthenbäumchen im Zimmer ſtehen, um es gleich
zu haben, wie ſie für ſich ſagte. Hierauf ging ſie
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/271>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.