Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.weigert werden durfte; auch konnte er in sofern für geheilt 2. W., 45 Jahre alt, der Sohn eines Schuhmachers in Im Jahre 1842 theilte ihm ein Mitglied der hier be¬ weigert werden durfte; auch konnte er in ſofern fuͤr geheilt 2. W., 45 Jahre alt, der Sohn eines Schuhmachers in Im Jahre 1842 theilte ihm ein Mitglied der hier be¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="43"/> weigert werden durfte; auch konnte er in ſofern fuͤr geheilt<lb/> erklaͤrt werden, als er ſchon ſeit einer Reihe von Monaten<lb/> von ſeinem Wahn gaͤnzlich befreit und in eine geiſtige und<lb/> koͤrperliche Verfaſſung verſetzt war, welche ihn zum Betriebe<lb/> ſeines Handwerks vollſtaͤndig befaͤhigte. Ob aber bei der vor¬<lb/> herrſchenden Paſſivitaͤt ſeines Charakters und ſeiner immer<lb/> noch zur Schwaͤrmerei ſehr hinneigenden Froͤmmigkeit ſeine<lb/> Heilung eine fuͤr das ganze Leben andauernde ſein werde,<lb/> muß die Folgezeit lehren.</p><lb/> </div> <div n="1"> <head>2.<lb/></head> <p><hi rendition="#b #fr">W.</hi><hi rendition="#b">,</hi> 45 Jahre alt, der Sohn eines Schuhmachers in<lb/> Stadt am Hof, erhielt von ihm eine angemeſſene Erziehung,<lb/> erlernte nach der Einſegnung das Schneiderhandwerk, und trat<lb/> hierauf ſeine Wanderſchaft an, welche ihn zuletzt nach Ber¬<lb/> lin fuͤhrte, woſelbſt er ſich vor 23 Jahren anſiedelte, zuerſt<lb/> als Geſelle arbeitete, ſpaͤter als Meiſter ſich einrichtete, und<lb/> nachdem ſeine erſte Frau, welche ihm in mehrjaͤhriger gluͤckli¬<lb/> cher Ehe 4 Kinder geboren hatte, geſtorben war, ſich mit<lb/> einer Jugendfreundin verheirathete, mit welcher er in gleich¬<lb/> falls gluͤcklicher, kinderloſer Ehe lebte. Wir uͤberſpringen alle<lb/> dieſe Verhaͤltniſſe, weil ſie zur Entwickelung ſeines ſpaͤteren<lb/> religioͤſen Wahns nichts beitrugen, mit der Bemerkung, daß<lb/> er ſtets geſund, heiter und kraͤftig von Gemuͤth war, und<lb/> daß er ſeiner ganzen Erſcheinung nach jenen ehrbaren, fleißi¬<lb/> gen und redlichen Handwerkern angehoͤrt, welche in der Be¬<lb/> ſchraͤnktheit kleinbuͤrgerlicher Verhaͤltniſſe eine hinreichende Be¬<lb/> friedigung gemaͤßigter Wuͤnſche finden, um mit jedem An¬<lb/> triebe maͤchtiger Leidenſchaft fuͤr immer verſchont zu bleiben,<lb/> wenn ihnen dieſelben nicht im Widerſpruch mit ihrem Natu¬<lb/> rell eingeimpft werden. Zur religioͤſen Schwaͤrmerei neigte er<lb/> ſo wenig hin, daß er nur ſelten am Gottesdienſte Theil nahm,<lb/> und ſich auch außerdem nicht vielen Andachtsuͤbungen hingab.</p><lb/> <p>Im Jahre 1842 theilte ihm ein Mitglied der hier be¬<lb/> ſtehenden Secte der Wiedertaͤufer mehrere Miſſionsblaͤtter und<lb/> Traktaͤtchen mit, wodurch er ſich beſtimmen ließ, den gottes¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0051]
weigert werden durfte; auch konnte er in ſofern fuͤr geheilt
erklaͤrt werden, als er ſchon ſeit einer Reihe von Monaten
von ſeinem Wahn gaͤnzlich befreit und in eine geiſtige und
koͤrperliche Verfaſſung verſetzt war, welche ihn zum Betriebe
ſeines Handwerks vollſtaͤndig befaͤhigte. Ob aber bei der vor¬
herrſchenden Paſſivitaͤt ſeines Charakters und ſeiner immer
noch zur Schwaͤrmerei ſehr hinneigenden Froͤmmigkeit ſeine
Heilung eine fuͤr das ganze Leben andauernde ſein werde,
muß die Folgezeit lehren.
2.
W., 45 Jahre alt, der Sohn eines Schuhmachers in
Stadt am Hof, erhielt von ihm eine angemeſſene Erziehung,
erlernte nach der Einſegnung das Schneiderhandwerk, und trat
hierauf ſeine Wanderſchaft an, welche ihn zuletzt nach Ber¬
lin fuͤhrte, woſelbſt er ſich vor 23 Jahren anſiedelte, zuerſt
als Geſelle arbeitete, ſpaͤter als Meiſter ſich einrichtete, und
nachdem ſeine erſte Frau, welche ihm in mehrjaͤhriger gluͤckli¬
cher Ehe 4 Kinder geboren hatte, geſtorben war, ſich mit
einer Jugendfreundin verheirathete, mit welcher er in gleich¬
falls gluͤcklicher, kinderloſer Ehe lebte. Wir uͤberſpringen alle
dieſe Verhaͤltniſſe, weil ſie zur Entwickelung ſeines ſpaͤteren
religioͤſen Wahns nichts beitrugen, mit der Bemerkung, daß
er ſtets geſund, heiter und kraͤftig von Gemuͤth war, und
daß er ſeiner ganzen Erſcheinung nach jenen ehrbaren, fleißi¬
gen und redlichen Handwerkern angehoͤrt, welche in der Be¬
ſchraͤnktheit kleinbuͤrgerlicher Verhaͤltniſſe eine hinreichende Be¬
friedigung gemaͤßigter Wuͤnſche finden, um mit jedem An¬
triebe maͤchtiger Leidenſchaft fuͤr immer verſchont zu bleiben,
wenn ihnen dieſelben nicht im Widerſpruch mit ihrem Natu¬
rell eingeimpft werden. Zur religioͤſen Schwaͤrmerei neigte er
ſo wenig hin, daß er nur ſelten am Gottesdienſte Theil nahm,
und ſich auch außerdem nicht vielen Andachtsuͤbungen hingab.
Im Jahre 1842 theilte ihm ein Mitglied der hier be¬
ſtehenden Secte der Wiedertaͤufer mehrere Miſſionsblaͤtter und
Traktaͤtchen mit, wodurch er ſich beſtimmen ließ, den gottes¬
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