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Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

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Eliza Ichenhaeuser.
die individuelle Freiheit sind ohne die Theilnahme an
der Regierung einfach nicht zu erlangen und darum muss,
wenn ihr das Eine gewährt wird, auch nothgedrungen
das andere zugestanden werden.

Aus all diesen Irrthümern und willkürlichen Aus-
legungen der bestehenden Gesetze ist jedoch nur eines
ersichtlich: auf dem Wege der Interpretation kommt man
nicht vorwärts, hier bedarf es legislativer Massregeln.
Wenn daher in neuester Zeit eine kleine Frauengruppe
die Absicht hat, auch in Deutschland die "Entdeckung"
zu machen, dass die Frauen das Wahlrecht schon be-
sässen, so können wir dies schon heute als ein aussichts-
loses Unterfangen bezeichnen und ihnen absolute Erfolg-
losigkeit prophezeien. Nein, auf diesem Wege ist nichts
zu erreichen, dafür sprechen die Versuche in England,
Amerika und Frankreich eine nur allzu beredte Sprache.
Wollen wir den Sieg erringen, so dürfen wir auch einen
frischen, fröhlichen Kampf nicht scheuen, dürfen wir uns
nicht die Sache gar so leicht machen wollen und uns
dem Wahne hingeben, es würde für uns eine Kleinigkeit
sein, den Feind par surprise zu nehmen und zu besiegen.
Dazu ist er viel zu zähe, hat er viel zu viele Anhänger,
ist er in den Herzen viel zu tief eingewurzelt, das Vor-
urtheil ist es, das mit der Ehrwürdigkeit seiner Jahr-
tausende, mit der Bequemlichkeit seines Conservatismus,
mit seiner von Generation zu Generation wachsenden
Zähigkeit, den hartnäckigsten Feind jeden Fortschritts,
jeder Reform darstellt. Paart es sich nun wie in der

Eliza Ichenhaeuser.
die individuelle Freiheit sind ohne die Theilnahme an
der Regierung einfach nicht zu erlangen und darum muss,
wenn ihr das Eine gewährt wird, auch nothgedrungen
das andere zugestanden werden.

Aus all diesen Irrthümern und willkürlichen Aus-
legungen der bestehenden Gesetze ist jedoch nur eines
ersichtlich: auf dem Wege der Interpretation kommt man
nicht vorwärts, hier bedarf es legislativer Massregeln.
Wenn daher in neuester Zeit eine kleine Frauengruppe
die Absicht hat, auch in Deutschland die »Entdeckung«
zu machen, dass die Frauen das Wahlrecht schon be-
sässen, so können wir dies schon heute als ein aussichts-
loses Unterfangen bezeichnen und ihnen absolute Erfolg-
losigkeit prophezeien. Nein, auf diesem Wege ist nichts
zu erreichen, dafür sprechen die Versuche in England,
Amerika und Frankreich eine nur allzu beredte Sprache.
Wollen wir den Sieg erringen, so dürfen wir auch einen
frischen, fröhlichen Kampf nicht scheuen, dürfen wir uns
nicht die Sache gar so leicht machen wollen und uns
dem Wahne hingeben, es würde für uns eine Kleinigkeit
sein, den Feind par surprise zu nehmen und zu besiegen.
Dazu ist er viel zu zähe, hat er viel zu viele Anhänger,
ist er in den Herzen viel zu tief eingewurzelt, das Vor-
urtheil ist es, das mit der Ehrwürdigkeit seiner Jahr-
tausende, mit der Bequemlichkeit seines Conservatismus,
mit seiner von Generation zu Generation wachsenden
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jeder Reform darstellt. Paart es sich nun wie in der

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[20/0033] Eliza Ichenhaeuser. die individuelle Freiheit sind ohne die Theilnahme an der Regierung einfach nicht zu erlangen und darum muss, wenn ihr das Eine gewährt wird, auch nothgedrungen das andere zugestanden werden. Aus all diesen Irrthümern und willkürlichen Aus- legungen der bestehenden Gesetze ist jedoch nur eines ersichtlich: auf dem Wege der Interpretation kommt man nicht vorwärts, hier bedarf es legislativer Massregeln. Wenn daher in neuester Zeit eine kleine Frauengruppe die Absicht hat, auch in Deutschland die »Entdeckung« zu machen, dass die Frauen das Wahlrecht schon be- sässen, so können wir dies schon heute als ein aussichts- loses Unterfangen bezeichnen und ihnen absolute Erfolg- losigkeit prophezeien. Nein, auf diesem Wege ist nichts zu erreichen, dafür sprechen die Versuche in England, Amerika und Frankreich eine nur allzu beredte Sprache. Wollen wir den Sieg erringen, so dürfen wir auch einen frischen, fröhlichen Kampf nicht scheuen, dürfen wir uns nicht die Sache gar so leicht machen wollen und uns dem Wahne hingeben, es würde für uns eine Kleinigkeit sein, den Feind par surprise zu nehmen und zu besiegen. Dazu ist er viel zu zähe, hat er viel zu viele Anhänger, ist er in den Herzen viel zu tief eingewurzelt, das Vor- urtheil ist es, das mit der Ehrwürdigkeit seiner Jahr- tausende, mit der Bequemlichkeit seines Conservatismus, mit seiner von Generation zu Generation wachsenden Zähigkeit, den hartnäckigsten Feind jeden Fortschritts, jeder Reform darstellt. Paart es sich nun wie in der  

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/33>, abgerufen am 27.04.2024.