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Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120.

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Uber die Chinawälder
Projekte über die königliche Administration alles Fieberrindenhandels
(estanco de cascarilla) welches er 1753 an den Vicekönig Marquis de
Villar
richtete, sagt er ausdrücklich, dass er nicht bloss zwischen Loxa
und Quito, z. B. östlich von Cuenca bei den Dörfern Paute und Gua-
lasco,
westlich von Riobamba am Abfall des Chimborazo bei Angas
und an der Cuesta de S. Antonio, sondern auch zwischen Quito und
S. Fe überall, wo das Erdreich gleiche Höhe mit Loxa hat, also 800
Toisen über dem Meere erhoben ist, Fieberrindenbäume gefunden ha-
be. Die Angabe der Höhe von Loxa ist zwar nach neuern Messungen
und selbst nach den ältern La Condamineschen*) um wenigstens 250
Toisen zu gering; doch ist die feine Bemerkung über die mittlere Höhe,
auf welcher sich stets die Cinchona am Gebirgsabhange findet, um so
auffallender, als selbst gelehrte Naturforscher damals wenig auf die Geo-
graphie der Pflanzen und die Höhe des Standorts achteten. Auch ist zu
bemerken, dass obgleich Santistevan laut der handschriftlichen Nachrich-
ten, die ich mir von ihm verschafft, im Allgemeinen von Fieberrinden-
bäumen zwischen Quito und S. Fe spricht, man dennoch aus der Aufzäh-
lung einzelner Orte ersieht, dass er dieses kostbare Produkt nur im Thal
des Rio Tuanambu nördlich von Pasto, in den Wäldern von Beruecos,
und bei Popayan (beim gefährlichen Andes-Pass Guanacas zwischen
dem Dorfe dieses Namens und dem Sitio de los Corrales) entdeckte.

So stand es mit der Auffindung der Cinchona nördlich vom Aequa-
tor bis 1772. Alle Chinarinde, welche in den Handel kam, war von
Loxa, Guancabamba und Jaen, vielleicht selbst von Riobamba und
Cuenca. Alle wurde durch die Häfen der Südsee verschifft. Die Auf-
tige Entdeckung in den Provinzen Pasto und Popayan blieb unbe-
nutzt. Im Jahr 1772 entdeckte Don Jose Celestino Mutis die China-
rinde um Santa Fe, und seit dieser Epoche erhielt Europa Fieberrinde,
welche nicht das Cap Horn umschiffte, und über Carthagena de Yn-
dias
nach Cadiz kam.

Herr Mutis hatte bereits 12 Jahre früher das Königreich Neu-Gre-
nada bewohnt. Er war zweimal durch die Wälder zwischen Guaduas
und Santa Fe geritten, wo der Fieberrindenbaum von den schönen Gre-
nadischen Eichen umgeben ist. Wenn man die Mannigfaltigkeit der Ge-
wächse erwägt, welche in diesen Ländern den Botaniker beschäftigen,
wenn man bedenkt, wie die Höhe der Stämme in der Tropenwelt dem
Auge Blätter und Blüthen fern entrückt, so darf man sich weniger wun-
dern, wie Herr Mutis erst 1772 die Cinchona, da er sie blühend fand,
erkannte. Dieser vortrefliche Naturforscher, der aus Cadiz gebürtig ist,

*) Voyage de la riviere de l'Amazone p. 25*

Uber die Chinawälder
Projekte über die königliche Administration alles Fieberrindenhandels
(estanco de cascarilla) welches er 1753 an den Vicekönig Marquis de
Villar
richtete, sagt er ausdrücklich, daſs er nicht bloſs zwischen Loxa
und Quito, z. B. östlich von Cuenca bei den Dörfern Paute und Gua-
lasco,
westlich von Riobamba am Abfall des Chimborazo bei Angas
und an der Cuesta de S. Antonio, sondern auch zwischen Quito und
S. Fe überall, wo das Erdreich gleiche Höhe mit Loxa hat, also 800
Toisen über dem Meere erhoben ist, Fieberrindenbäume gefunden ha-
be. Die Angabe der Höhe von Loxa ist zwar nach neuern Messungen
und selbst nach den ältern La Condamineschen*) um wenigstens 250
Toisen zu gering; doch ist die feine Bemerkung über die mittlere Höhe,
auf welcher sich stets die Cinchona am Gebirgsabhange findet, um so
auffallender, als selbst gelehrte Naturforscher damals wenig auf die Geo-
graphie der Pflanzen und die Höhe des Standorts achteten. Auch ist zu
bemerken, daſs obgleich Santistevan laut der handschriftlichen Nachrich-
ten, die ich mir von ihm verschafft, im Allgemeinen von Fieberrinden-
bäumen zwischen Quito und S. Fe spricht, man dennoch aus der Aufzäh-
lung einzelner Orte ersieht, daſs er dieses kostbare Produkt nur im Thal
des Rio Tuanambu nördlich von Pasto, in den Wäldern von Beruecos,
und bei Popayan (beim gefährlichen Andes-Paſs Guanacas zwischen
dem Dorfe dieses Namens und dem Sitio de los Corrales) entdeckte.

So stand es mit der Auffindung der Cinchona nördlich vom Aequa-
tor bis 1772. Alle Chinarinde, welche in den Handel kam, war von
Loxa, Guancabamba und Jaen, vielleicht selbst von Riobamba und
Cuenca. Alle wurde durch die Häfen der Südsee verschifft. Die Auf-
tige Entdeckung in den Provinzen Pasto und Popayan blieb unbe-
nutzt. Im Jahr 1772 entdeckte Don Jose Celestino Mutis die China-
rinde um Santa Fe, und seit dieser Epoche erhielt Europa Fieberrinde,
welche nicht das Cap Horn umschiffte, und über Carthagena de Yn-
dias
nach Cadiz kam.

Herr Mutis hatte bereits 12 Jahre früher das Königreich Neu-Gre-
nada bewohnt. Er war zweimal durch die Wälder zwischen Guaduas
und Santa Fe geritten, wo der Fieberrindenbaum von den schönen Gre-
nadischen Eichen umgeben ist. Wenn man die Mannigfaltigkeit der Ge-
wächse erwägt, welche in diesen Ländern den Botaniker beschäftigen,
wenn man bedenkt, wie die Höhe der Stämme in der Tropenwelt dem
Auge Blätter und Blüthen fern entrückt, so darf man sich weniger wun-
dern, wie Herr Mutis erst 1772 die Cinchona, da er sie blühend fand,
erkannte. Dieser vortrefliche Naturforscher, der aus Cadiz gebürtig ist,

*) Voyage de la rivière de l'Amazone p. 25*
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[62/0007] Uber die Chinawälder Projekte über die königliche Administration alles Fieberrindenhandels (estanco de cascarilla) welches er 1753 an den Vicekönig Marquis de Villar richtete, sagt er ausdrücklich, daſs er nicht bloſs zwischen Loxa und Quito, z. B. östlich von Cuenca bei den Dörfern Paute und Gua- lasco, westlich von Riobamba am Abfall des Chimborazo bei Angas und an der Cuesta de S. Antonio, sondern auch zwischen Quito und S. Fe überall, wo das Erdreich gleiche Höhe mit Loxa hat, also 800 Toisen über dem Meere erhoben ist, Fieberrindenbäume gefunden ha- be. Die Angabe der Höhe von Loxa ist zwar nach neuern Messungen und selbst nach den ältern La Condamineschen *) um wenigstens 250 Toisen zu gering; doch ist die feine Bemerkung über die mittlere Höhe, auf welcher sich stets die Cinchona am Gebirgsabhange findet, um so auffallender, als selbst gelehrte Naturforscher damals wenig auf die Geo- graphie der Pflanzen und die Höhe des Standorts achteten. Auch ist zu bemerken, daſs obgleich Santistevan laut der handschriftlichen Nachrich- ten, die ich mir von ihm verschafft, im Allgemeinen von Fieberrinden- bäumen zwischen Quito und S. Fe spricht, man dennoch aus der Aufzäh- lung einzelner Orte ersieht, daſs er dieses kostbare Produkt nur im Thal des Rio Tuanambu nördlich von Pasto, in den Wäldern von Beruecos, und bei Popayan (beim gefährlichen Andes-Paſs Guanacas zwischen dem Dorfe dieses Namens und dem Sitio de los Corrales) entdeckte. So stand es mit der Auffindung der Cinchona nördlich vom Aequa- tor bis 1772. Alle Chinarinde, welche in den Handel kam, war von Loxa, Guancabamba und Jaen, vielleicht selbst von Riobamba und Cuenca. Alle wurde durch die Häfen der Südsee verschifft. Die Auf- tige Entdeckung in den Provinzen Pasto und Popayan blieb unbe- nutzt. Im Jahr 1772 entdeckte Don Jose Celestino Mutis die China- rinde um Santa Fe, und seit dieser Epoche erhielt Europa Fieberrinde, welche nicht das Cap Horn umschiffte, und über Carthagena de Yn- dias nach Cadiz kam. Herr Mutis hatte bereits 12 Jahre früher das Königreich Neu-Gre- nada bewohnt. Er war zweimal durch die Wälder zwischen Guaduas und Santa Fe geritten, wo der Fieberrindenbaum von den schönen Gre- nadischen Eichen umgeben ist. Wenn man die Mannigfaltigkeit der Ge- wächse erwägt, welche in diesen Ländern den Botaniker beschäftigen, wenn man bedenkt, wie die Höhe der Stämme in der Tropenwelt dem Auge Blätter und Blüthen fern entrückt, so darf man sich weniger wun- dern, wie Herr Mutis erst 1772 die Cinchona, da er sie blühend fand, erkannte. Dieser vortrefliche Naturforscher, der aus Cadiz gebürtig ist, *) Voyage de la rivière de l'Amazone p. 25*

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/7>, abgerufen am 27.04.2024.