Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Sechsundzwanzigstes Kapitel. Die Llanos del Pao oder des östlichen Striches der Steppen von Es war bereits Nacht, als wir zum letztenmal über das Sechsundzwanzigſtes Kapitel. Die Llanos del Pao oder des öſtlichen Striches der Steppen von Es war bereits Nacht, als wir zum letztenmal über das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0235" n="[227]"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sechsundzwanzigſtes Kapitel.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c">Die Llanos del Pao oder des öſtlichen Striches der Steppen von<lb/> Venezuela. — Miſſionen der Kariben. — Letzter Aufenthalt auf den<lb/> Küſten von Nueva Barcelona, Cumana und Araya.</hi> </p> </argument><lb/> <p>Es war bereits Nacht, als wir zum letztenmal über das<lb/> Bett des Orinoko fuhren. Wir wollten bei der Schanze San<lb/> Rafael übernachten und dann mit Tagesanbruch die Reiſe<lb/> durch die Steppen von Venezuela antreten. Faſt ſechs Wochen<lb/> waren ſeit unſerer Ankunft in Angoſtura verfloſſen; wir ſehn-<lb/> ten uns nach der Küſte, um entweder in Cumana oder in<lb/> Nueva Barcelona ein Fahrzeug zu beſteigen, das uns auf die<lb/> Inſel Cuba und von dort nach Mexiko brächte. Nach den<lb/> Beſchwerden, die wir mehrere Monate lang in engen Kanoen<lb/> auf von Mücken wimmelnden Flüſſen durchgemacht, hatte der<lb/> Gedanke an eine lange Seereiſe für unſere Einbildungskraft<lb/> einen gewiſſen Reiz. Wir gedachten nicht mehr nach Süd-<lb/> amerika zurückzukommen. Wir brachten die Anden von Peru<lb/> dem noch ſo wenig bekannten Archipel der Philippinen zum<lb/> Opfer und beharrten bei unſerem alten Plan, uns ein Jahr<lb/> in Neuſpanien aufzuhalten, mit der Galione von Acapulco<lb/> nach Manilla zu gehen und über Baſora und Aleppo nach<lb/> Europa zurückzukehren. Wir dachten, wenn wir einmal die<lb/> ſpaniſchen Beſitzungen in Amerika im Rücken hätten, könnte<lb/> der Sturz eines Miniſteriums, deſſen großherzigem Vertrauen<lb/> ich ſo unbeſchränkte Befugniſſe zu danken hatte, der Durch-<lb/> führung unſeres Unternehmens nicht mehr hinderlich werden.<lb/> Lebhaft bewegten uns dieſe Gedanken während der einförmigen<lb/> Reiſe durch die Steppen. Nichts hilft ſo leicht über die kleinen<lb/> Widerwärtigkeiten des Lebens weg, als wenn der Geiſt mit<lb/> der bevorſtehenden Ausführung eines gewagten Unternehmens<lb/> beſchäftigt iſt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[227]/0235]
Sechsundzwanzigſtes Kapitel.
Die Llanos del Pao oder des öſtlichen Striches der Steppen von
Venezuela. — Miſſionen der Kariben. — Letzter Aufenthalt auf den
Küſten von Nueva Barcelona, Cumana und Araya.
Es war bereits Nacht, als wir zum letztenmal über das
Bett des Orinoko fuhren. Wir wollten bei der Schanze San
Rafael übernachten und dann mit Tagesanbruch die Reiſe
durch die Steppen von Venezuela antreten. Faſt ſechs Wochen
waren ſeit unſerer Ankunft in Angoſtura verfloſſen; wir ſehn-
ten uns nach der Küſte, um entweder in Cumana oder in
Nueva Barcelona ein Fahrzeug zu beſteigen, das uns auf die
Inſel Cuba und von dort nach Mexiko brächte. Nach den
Beſchwerden, die wir mehrere Monate lang in engen Kanoen
auf von Mücken wimmelnden Flüſſen durchgemacht, hatte der
Gedanke an eine lange Seereiſe für unſere Einbildungskraft
einen gewiſſen Reiz. Wir gedachten nicht mehr nach Süd-
amerika zurückzukommen. Wir brachten die Anden von Peru
dem noch ſo wenig bekannten Archipel der Philippinen zum
Opfer und beharrten bei unſerem alten Plan, uns ein Jahr
in Neuſpanien aufzuhalten, mit der Galione von Acapulco
nach Manilla zu gehen und über Baſora und Aleppo nach
Europa zurückzukehren. Wir dachten, wenn wir einmal die
ſpaniſchen Beſitzungen in Amerika im Rücken hätten, könnte
der Sturz eines Miniſteriums, deſſen großherzigem Vertrauen
ich ſo unbeſchränkte Befugniſſe zu danken hatte, der Durch-
führung unſeres Unternehmens nicht mehr hinderlich werden.
Lebhaft bewegten uns dieſe Gedanken während der einförmigen
Reiſe durch die Steppen. Nichts hilft ſo leicht über die kleinen
Widerwärtigkeiten des Lebens weg, als wenn der Geiſt mit
der bevorſtehenden Ausführung eines gewagten Unternehmens
beſchäftigt iſt.
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