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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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zwischen dem Atabapo und den Quellen des Meta, Guaviare
und Caqueta. "Man glaubt es kaum," sagt Caldas in einer
wissenschaftlichen Zeitschrift, die in Santa Fe de Bogota er-
scheint, "daß wir noch keine Karte von den Ebenen besitzen,
die am Ostabhange der Gebirge beginnen, die wir täglich vor
Augen haben und auf denen die Kapellen Guadeloupe und
Monserrate stehen. Kein Mensch weiß, wie breit die Kor-
dilleren sind, noch wie die Flüsse laufen, die in den Orinoko
und in den Amazonenstrom fallen, und doch werden einst in
besseren Zeiten eben auf diesen Nebenflüssen, dem Meta, dem
Guaviare, dem Rio Negro, dem Caqueta, die Einwohner von
Cundinamarca mit Brasilien und Paraguay verkehren."

Ich weiß wohl, daß in den Missionen der Andaquies
ziemlich allgemein der Glaube herrscht, der Caqueta gebe
zwischen dem Einflusse des Rio Fragua und des Caguan einen
Arm an den Putumayo, und weiter unten, unterhalb der
Einmündung des Rio Payoya, einen anderen an den Orinoko
ab; aber diese Meinung stützt sich nur auf eine unbestimmte
Sage der Indianer, welche häufig Trageplätze und Gabel-
teilungen verwechseln. Wegen der Katarakte an der Mündung
des Payoya und der wilden Huaquesindianer, auch "Murcie-
lagos" (Fledermäuse) genannt, weil sie den Gefangenen das
Blut aussaugen, können die spanischen Missionäre nicht den
Caqueta hinabfahren. Nie hat ein weißer Mensch den Weg
von San Miguel de Mocoa zum Einflusse des Caqueta in den
Amazonenstrom gemacht. Bei der letzten Grenzkommission
fuhren die portugiesischen Astronomen zuerst den Caqueta bis
zu 0° 36' südlicher Breite, dann den Rio de los Engannos
(den trügerischen Fluß) und den Rio Cunare, die in den
Caqueta fallen, bis zu 0° 28' nördlicher Breite hinauf. Auf
dieser Fahrt sahen sie nordwärts keinen Arm vom Caqueta
abgehen. Der Amu und der Yabilla, deren Quellen sie genau
untersucht, sind Flüßchen, die in den Rio de los Engannos
und mit diesem in den Caqueta fallen. Findet also wirklich
eine Gabelteilung statt, so wäre sie nur auf der ganz kurzen
Strecke zwischen dem Einflusse des Payoya und dem zweiten
Katarakt oberhalb des Einflusses des Rio de los Engannos zu
suchen; aber, ich wiederhole es, wegen dieses Flusses, wegen
des Cunare, des Apoporis und des Uaupes könnte dieser an-
gebliche Arm des Caqueta gar nicht zum oberen Guainia ge-
langen. Alles scheint vielmehr darauf hinzuweisen, daß zwischen
den Zuflüssen des Caqueta und denen des Uaupes und Rio

zwiſchen dem Atabapo und den Quellen des Meta, Guaviare
und Caqueta. „Man glaubt es kaum,“ ſagt Caldas in einer
wiſſenſchaftlichen Zeitſchrift, die in Santa Fé de Bogota er-
ſcheint, „daß wir noch keine Karte von den Ebenen beſitzen,
die am Oſtabhange der Gebirge beginnen, die wir täglich vor
Augen haben und auf denen die Kapellen Guadeloupe und
Monſerrate ſtehen. Kein Menſch weiß, wie breit die Kor-
dilleren ſind, noch wie die Flüſſe laufen, die in den Orinoko
und in den Amazonenſtrom fallen, und doch werden einſt in
beſſeren Zeiten eben auf dieſen Nebenflüſſen, dem Meta, dem
Guaviare, dem Rio Negro, dem Caqueta, die Einwohner von
Cundinamarca mit Braſilien und Paraguay verkehren.“

Ich weiß wohl, daß in den Miſſionen der Andaquies
ziemlich allgemein der Glaube herrſcht, der Caqueta gebe
zwiſchen dem Einfluſſe des Rio Fragua und des Caguan einen
Arm an den Putumayo, und weiter unten, unterhalb der
Einmündung des Rio Payoya, einen anderen an den Orinoko
ab; aber dieſe Meinung ſtützt ſich nur auf eine unbeſtimmte
Sage der Indianer, welche häufig Trageplätze und Gabel-
teilungen verwechſeln. Wegen der Katarakte an der Mündung
des Payoya und der wilden Huaquesindianer, auch „Murcie-
lagos“ (Fledermäuſe) genannt, weil ſie den Gefangenen das
Blut ausſaugen, können die ſpaniſchen Miſſionäre nicht den
Caqueta hinabfahren. Nie hat ein weißer Menſch den Weg
von San Miguel de Mocoa zum Einfluſſe des Caqueta in den
Amazonenſtrom gemacht. Bei der letzten Grenzkommiſſion
fuhren die portugieſiſchen Aſtronomen zuerſt den Caqueta bis
zu 0° 36′ ſüdlicher Breite, dann den Rio de los Engaños
(den trügeriſchen Fluß) und den Rio Cunare, die in den
Caqueta fallen, bis zu 0° 28′ nördlicher Breite hinauf. Auf
dieſer Fahrt ſahen ſie nordwärts keinen Arm vom Caqueta
abgehen. Der Amu und der Yabilla, deren Quellen ſie genau
unterſucht, ſind Flüßchen, die in den Rio de los Engaños
und mit dieſem in den Caqueta fallen. Findet alſo wirklich
eine Gabelteilung ſtatt, ſo wäre ſie nur auf der ganz kurzen
Strecke zwiſchen dem Einfluſſe des Payoya und dem zweiten
Katarakt oberhalb des Einfluſſes des Rio de los Engaños zu
ſuchen; aber, ich wiederhole es, wegen dieſes Fluſſes, wegen
des Cunare, des Apoporis und des Uaupes könnte dieſer an-
gebliche Arm des Caqueta gar nicht zum oberen Guainia ge-
langen. Alles ſcheint vielmehr darauf hinzuweiſen, daß zwiſchen
den Zuflüſſen des Caqueta und denen des Uaupes und Rio

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[266/0274] zwiſchen dem Atabapo und den Quellen des Meta, Guaviare und Caqueta. „Man glaubt es kaum,“ ſagt Caldas in einer wiſſenſchaftlichen Zeitſchrift, die in Santa Fé de Bogota er- ſcheint, „daß wir noch keine Karte von den Ebenen beſitzen, die am Oſtabhange der Gebirge beginnen, die wir täglich vor Augen haben und auf denen die Kapellen Guadeloupe und Monſerrate ſtehen. Kein Menſch weiß, wie breit die Kor- dilleren ſind, noch wie die Flüſſe laufen, die in den Orinoko und in den Amazonenſtrom fallen, und doch werden einſt in beſſeren Zeiten eben auf dieſen Nebenflüſſen, dem Meta, dem Guaviare, dem Rio Negro, dem Caqueta, die Einwohner von Cundinamarca mit Braſilien und Paraguay verkehren.“ Ich weiß wohl, daß in den Miſſionen der Andaquies ziemlich allgemein der Glaube herrſcht, der Caqueta gebe zwiſchen dem Einfluſſe des Rio Fragua und des Caguan einen Arm an den Putumayo, und weiter unten, unterhalb der Einmündung des Rio Payoya, einen anderen an den Orinoko ab; aber dieſe Meinung ſtützt ſich nur auf eine unbeſtimmte Sage der Indianer, welche häufig Trageplätze und Gabel- teilungen verwechſeln. Wegen der Katarakte an der Mündung des Payoya und der wilden Huaquesindianer, auch „Murcie- lagos“ (Fledermäuſe) genannt, weil ſie den Gefangenen das Blut ausſaugen, können die ſpaniſchen Miſſionäre nicht den Caqueta hinabfahren. Nie hat ein weißer Menſch den Weg von San Miguel de Mocoa zum Einfluſſe des Caqueta in den Amazonenſtrom gemacht. Bei der letzten Grenzkommiſſion fuhren die portugieſiſchen Aſtronomen zuerſt den Caqueta bis zu 0° 36′ ſüdlicher Breite, dann den Rio de los Engaños (den trügeriſchen Fluß) und den Rio Cunare, die in den Caqueta fallen, bis zu 0° 28′ nördlicher Breite hinauf. Auf dieſer Fahrt ſahen ſie nordwärts keinen Arm vom Caqueta abgehen. Der Amu und der Yabilla, deren Quellen ſie genau unterſucht, ſind Flüßchen, die in den Rio de los Engaños und mit dieſem in den Caqueta fallen. Findet alſo wirklich eine Gabelteilung ſtatt, ſo wäre ſie nur auf der ganz kurzen Strecke zwiſchen dem Einfluſſe des Payoya und dem zweiten Katarakt oberhalb des Einfluſſes des Rio de los Engaños zu ſuchen; aber, ich wiederhole es, wegen dieſes Fluſſes, wegen des Cunare, des Apoporis und des Uaupes könnte dieſer an- gebliche Arm des Caqueta gar nicht zum oberen Guainia ge- langen. Alles ſcheint vielmehr darauf hinzuweiſen, daß zwiſchen den Zuflüſſen des Caqueta und denen des Uaupes und Rio

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/274>, abgerufen am 26.04.2024.