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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Ceylonzimt, und wären solches selbst dann, wenn sie ganz so
getrocknet und zubereitet würden.

Jede Halbkugel hat ihre eigenen Arten von Gewächsen,
und es erklärt sich keineswegs aus der Verschiedenheit der
Klimate, warum das tropische Afrika keine Laurineen, die
Neue Welt keine Heidekräuter hervorbringt, warum es in der
südlichen Halbkugel keine Calceolarien gibt, warum auf dem
indischen Festlande das Gefieder der Vögel nicht so glänzend
ist wie in den heißen Landstrichen Amerikas, endlich warum
der Tiger nur Asien, das Schnabeltier nur Neuholland eigen
ist? Die Ursachen der Verteilung der Arten im Pflanzen-
wie im Tierreiche gehören zu den Rätseln, welche die Natur-
philosophie nicht zu lösen imstande ist. Mit dem Ursprung
der Wesen hat diese Wissenschaft nichts zu thun, sondern nur
mit den Gesetzen, nach denen die Wesen über den Erdball
verteilt sind. Sie untersucht das, was ist, die Pflanzen- und
Tierbildungen, wie sie unter jeder Breite, in verschiedenen
Höhen und bei verschiedenen Wärmegraden nebeneinander vor-
kommen; sie erforscht die Verhältnisse, unter denen sich dieser
oder jener Organismus kräftiger entwickelt, sich vermehrt oder
sich umwandelt; aber sie rührt nicht an Fragen, die unmög-
lich zu lösen sind, weil sie mit der Herkunft, mit dem Ur-
anfang eines Lebenskeimes zusammenhängen. Ferner ist zu
bemerken, daß die Versuche, die Verteilung der Arten auf dem
Erdballe allein aus dem Einflusse der Klimate zu erklären,
einer Zeit angehören, wo die physische Geographie noch in der
Wiege lag, wo man fortwährend an vermeintlichen Gegen-
sätzen beider Welten festhielt und sich vorstellte, ganz Afrika
und Amerika gleichen den Wüsten Aegyptens und den Sümpfen
Cayennes. Seit man den Sachverhalt nicht nach einem will-
kürlich angenommenen Typus, sondern nach positiven Kennt-
nissen beurteilt, weiß man auch, daß die beiden Kontinente in
ihrer unermeßlichen Ausdehnung Bodenstücke mit völlig über-
einstimmenden Naturverhältnissen aufzuweisen haben. Amerika
hat so dürre und glühend heiße Landstriche als das innere
Afrika. Die Inseln, welche die indischen Gewürze erzeugen,
zeichnen sich keineswegs durch Trockenheit aus, und die Feuch-
tigkeit des Klimas ist durchaus nicht, wie in neueren Werken
behauptet wird, die Ursache, warum auf dem neuen Kontinent
die schönen Laurineen- und Myristiceenarten nicht vorkommen,
die im Indischen Archipel in einem kleinen Erdwinkel neben-
einander wachsen. Seit einigen Jahren wird in mehreren

Ceylonzimt, und wären ſolches ſelbſt dann, wenn ſie ganz ſo
getrocknet und zubereitet würden.

Jede Halbkugel hat ihre eigenen Arten von Gewächſen,
und es erklärt ſich keineswegs aus der Verſchiedenheit der
Klimate, warum das tropiſche Afrika keine Laurineen, die
Neue Welt keine Heidekräuter hervorbringt, warum es in der
ſüdlichen Halbkugel keine Calceolarien gibt, warum auf dem
indiſchen Feſtlande das Gefieder der Vögel nicht ſo glänzend
iſt wie in den heißen Landſtrichen Amerikas, endlich warum
der Tiger nur Aſien, das Schnabeltier nur Neuholland eigen
iſt? Die Urſachen der Verteilung der Arten im Pflanzen-
wie im Tierreiche gehören zu den Rätſeln, welche die Natur-
philoſophie nicht zu löſen imſtande iſt. Mit dem Urſprung
der Weſen hat dieſe Wiſſenſchaft nichts zu thun, ſondern nur
mit den Geſetzen, nach denen die Weſen über den Erdball
verteilt ſind. Sie unterſucht das, was iſt, die Pflanzen- und
Tierbildungen, wie ſie unter jeder Breite, in verſchiedenen
Höhen und bei verſchiedenen Wärmegraden nebeneinander vor-
kommen; ſie erforſcht die Verhältniſſe, unter denen ſich dieſer
oder jener Organismus kräftiger entwickelt, ſich vermehrt oder
ſich umwandelt; aber ſie rührt nicht an Fragen, die unmög-
lich zu löſen ſind, weil ſie mit der Herkunft, mit dem Ur-
anfang eines Lebenskeimes zuſammenhängen. Ferner iſt zu
bemerken, daß die Verſuche, die Verteilung der Arten auf dem
Erdballe allein aus dem Einfluſſe der Klimate zu erklären,
einer Zeit angehören, wo die phyſiſche Geographie noch in der
Wiege lag, wo man fortwährend an vermeintlichen Gegen-
ſätzen beider Welten feſthielt und ſich vorſtellte, ganz Afrika
und Amerika gleichen den Wüſten Aegyptens und den Sümpfen
Cayennes. Seit man den Sachverhalt nicht nach einem will-
kürlich angenommenen Typus, ſondern nach poſitiven Kennt-
niſſen beurteilt, weiß man auch, daß die beiden Kontinente in
ihrer unermeßlichen Ausdehnung Bodenſtücke mit völlig über-
einſtimmenden Naturverhältniſſen aufzuweiſen haben. Amerika
hat ſo dürre und glühend heiße Landſtriche als das innere
Afrika. Die Inſeln, welche die indiſchen Gewürze erzeugen,
zeichnen ſich keineswegs durch Trockenheit aus, und die Feuch-
tigkeit des Klimas iſt durchaus nicht, wie in neueren Werken
behauptet wird, die Urſache, warum auf dem neuen Kontinent
die ſchönen Laurineen- und Myriſticeenarten nicht vorkommen,
die im Indiſchen Archipel in einem kleinen Erdwinkel neben-
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[189/0197] Ceylonzimt, und wären ſolches ſelbſt dann, wenn ſie ganz ſo getrocknet und zubereitet würden. Jede Halbkugel hat ihre eigenen Arten von Gewächſen, und es erklärt ſich keineswegs aus der Verſchiedenheit der Klimate, warum das tropiſche Afrika keine Laurineen, die Neue Welt keine Heidekräuter hervorbringt, warum es in der ſüdlichen Halbkugel keine Calceolarien gibt, warum auf dem indiſchen Feſtlande das Gefieder der Vögel nicht ſo glänzend iſt wie in den heißen Landſtrichen Amerikas, endlich warum der Tiger nur Aſien, das Schnabeltier nur Neuholland eigen iſt? Die Urſachen der Verteilung der Arten im Pflanzen- wie im Tierreiche gehören zu den Rätſeln, welche die Natur- philoſophie nicht zu löſen imſtande iſt. Mit dem Urſprung der Weſen hat dieſe Wiſſenſchaft nichts zu thun, ſondern nur mit den Geſetzen, nach denen die Weſen über den Erdball verteilt ſind. Sie unterſucht das, was iſt, die Pflanzen- und Tierbildungen, wie ſie unter jeder Breite, in verſchiedenen Höhen und bei verſchiedenen Wärmegraden nebeneinander vor- kommen; ſie erforſcht die Verhältniſſe, unter denen ſich dieſer oder jener Organismus kräftiger entwickelt, ſich vermehrt oder ſich umwandelt; aber ſie rührt nicht an Fragen, die unmög- lich zu löſen ſind, weil ſie mit der Herkunft, mit dem Ur- anfang eines Lebenskeimes zuſammenhängen. Ferner iſt zu bemerken, daß die Verſuche, die Verteilung der Arten auf dem Erdballe allein aus dem Einfluſſe der Klimate zu erklären, einer Zeit angehören, wo die phyſiſche Geographie noch in der Wiege lag, wo man fortwährend an vermeintlichen Gegen- ſätzen beider Welten feſthielt und ſich vorſtellte, ganz Afrika und Amerika gleichen den Wüſten Aegyptens und den Sümpfen Cayennes. Seit man den Sachverhalt nicht nach einem will- kürlich angenommenen Typus, ſondern nach poſitiven Kennt- niſſen beurteilt, weiß man auch, daß die beiden Kontinente in ihrer unermeßlichen Ausdehnung Bodenſtücke mit völlig über- einſtimmenden Naturverhältniſſen aufzuweiſen haben. Amerika hat ſo dürre und glühend heiße Landſtriche als das innere Afrika. Die Inſeln, welche die indiſchen Gewürze erzeugen, zeichnen ſich keineswegs durch Trockenheit aus, und die Feuch- tigkeit des Klimas iſt durchaus nicht, wie in neueren Werken behauptet wird, die Urſache, warum auf dem neuen Kontinent die ſchönen Laurineen- und Myriſticeenarten nicht vorkommen, die im Indiſchen Archipel in einem kleinen Erdwinkel neben- einander wachſen. Seit einigen Jahren wird in mehreren

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/197>, abgerufen am 26.04.2024.