Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

wieder so tief gesenkt haben müsse, um die Säulen des Tempels und
den Boden desselben auf dem Trocknen erscheinen zu lassen. - Aber das
Meer könnte unmöglich diese Höhe erreicht haben, ohne gleichzeitig
die gegenüberliegenden und benachbarten Küsten zu überströmen und
dergleichen Annahmen beruhen auf ebenso falschen Ideen, als die Mei-
nung, es sei Amerika später aus der chaotischen Meeresbedeckung
hervorgetreten. Das Meer kann die unermeßlichen Ebenen am
Oronoco und Amazonenfluß nicht dauernd überschwemmen, ohne zu-
gleich unsere baltischen Länder zu verwüsten und es ist nichts ge-
wisser, als daß das hydrostatische niveau des Meeres zu keiner
Zeit sich partiell verändern konnte.

[8. Vorlesung] [(31. Januar 1828)]

Die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper begründet das Problem
der Climatologie. Mit Unrecht hat man früher die Modificationen der
Temperatur bald schützenden Begrgzügen, bald der Erhöhung der Erdoberfläche,
bald der Wirkung periodischer Windströme zugeschrieben. Die merkwürdigen
Abweichungen der Climate, welche man in großen Länderstrecken zwi-
schen denselben Breitengraden und in derselben Höhe zwisüber dem Meeres-
spiegel wahrnimmt, rühren offenbar nicht her von dem kleinlichen Einflusse
individueller Oertlichkeiten, sondern von ausgedehnteren tellurischen Ver-
hältnissen; sie sind allgemeinen Gesetzen unterworfen, welche durch die Ge-
stalt der Continentalmassen, durch ihre Umrisse, den Zustand ihrer Ober-
fläche, besonders aber durch ihre Stellungs- und Größenverhältnisse zu den
benachbarten Meeren bestimmt sind.

Herr Prof. Carl Ritter hat in seinem vortrefflichen Werke der allg. ver-
gleichenden Geographie sehr genügend dargethan, wie die Natur der Ober-
fläche in der innigsten Verbindung steht, nicht nur mit der räumlichen
Verschiedenheit der Producte, sondern auch mit ihrem ganzen moralischen
und politischen Zustande. Wie nun die Bildung der Continente verschieden
einwirkt auf die Cultur, so auch ist der Einfluß auf das Clima unverkennbar.

wieder so tief gesenkt haben müsse, um die Säulen des Tempels und
den Boden desselben auf dem Trocknen erscheinen zu lassen. – Aber das
Meer könnte unmöglich diese Höhe erreicht haben, ohne gleichzeitig
die gegenüberliegenden und benachbarten Küsten zu überströmen und
dergleichen Annahmen beruhen auf ebenso falschen Ideen, als die Mei-
nung, es sei Amerika später aus der chaotischen Meeresbedeckung
hervorgetreten. Das Meer kann die unermeßlichen Ebenen am
Oronoco und Amazonenfluß nicht dauernd überschwem̃en, ohne zu-
gleich unsere baltischen Länder zu verwüsten und es ist nichts ge-
wisser, als daß das hydrostatische niveau des Meeres zu keiner
Zeit sich partiell verändern konnte.

[8. Vorlesung] [(31. Januar 1828)]

Die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper begründet das Problem
der Climatologie. Mit Unrecht hat man früher die Modificationen der
Temperatur bald schützenden Begrgzügen, bald der Erhöhung der Erdoberfläche,
bald der Wirkung periodischer Windströme zugeschrieben. Die merkwürdigen
Abweichungen der Climate, welche man in großen Länderstrecken zwi-
schen denselben Breitengraden und in derselben Höhe zwisüber dem Meeres-
spiegel wahrnim̃t, rühren offenbar nicht her von dem kleinlichen Einflusse
individueller Oertlichkeiten, sondern von ausgedehnteren tellurischen Ver-
hältnissen; sie sind allgemeinen Gesetzen unterworfen, welche durch die Ge-
stalt der Continentalmassen, durch ihre Umrisse, den Zustand ihrer Ober-
fläche, besonders aber durch ihre Stellungs- und Größenverhältnisse zu den
benachbarten Meeren bestim̃t sind.

Herr Prof. Carl Ritter hat in seinem vortrefflichen Werke der allg. ver-
gleichenden Geographie sehr genügend dargethan, wie die Natur der Ober-
fläche in der innigsten Verbindung steht, nicht nur mit der räumlichen
Verschiedenheit der Producte, sondern auch mit ihrem ganzen moralischen
und politischen Zustande. Wie nun die Bildung der Continente verschieden
einwirkt auf die Cultur, so auch ist der Einfluß auf das Clima unverkeñbar.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="7">
        <p><pb facs="#f0065" n="61"/>
wieder so tief gesenkt haben müsse, um die Säulen des Tempels und<lb/>
den Boden desselben auf dem Trocknen erscheinen zu lassen. &#x2013; Aber das<lb/>
Meer könnte unmöglich diese Höhe erreicht haben, ohne gleichzeitig<lb/>
die gegenüberliegenden <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> benachbarten Küsten zu überströmen und<lb/>
dergleichen Annahmen beruhen auf ebenso falschen Ideen, als die Mei-<lb/>
nung, es sei Amerika später aus der chaotischen Meeresbedeckung<lb/>
hervorgetreten. Das Meer kann die unermeßlichen Ebenen am<lb/>
Oronoco und Amazonenfluß nicht dauernd überschwem&#x0303;en, ohne zu-<lb/>
gleich unsere baltischen Länder zu verwüsten und es ist nichts ge-<lb/>
wisser, als daß das hydrostatische <hi rendition="#aq">niveau</hi> des Meeres zu keiner<lb/>
Zeit sich <choice><sic>partiel</sic><corr resp="#TK">partiell</corr></choice> verändern konnte.</p>
      </div><lb/>
      <div type="session" n="8">
        <head>
          <supplied resp="#BF">8. Vorlesung</supplied>
          <supplied resp="#CT">(<ref target="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/gliederung"><date when="1828-01-31">31. Januar 1828</date></ref>)</supplied>
        </head><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#u">Vertheilung der Wärme</hi> auf dem Erdkörper begründet das Problem<lb/>
der Climatologie. Mit Unrecht hat man früher die Modificationen der<lb/>
Temperatur bald schützenden Be<subst><del rendition="#ow"><unclear reason="covered" cert="low" resp="#CT">g</unclear></del><add place="across">rg</add></subst>zügen, bald der Erhöhung der Erdoberfläche,<lb/>
bald der Wirkung periodischer Windströme zugeschrieben. Die merkwürdigen<lb/>
Abweichungen der Climate, welche man in großen Länderstrecken zwi-<lb/>
schen denselben Breitengraden <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> in derselben Höhe <subst><del rendition="#s">zwis</del><add place="intralinear">über</add></subst> dem Meeres-<lb/>
spiegel wahrnim&#x0303;t, rühren offenbar nicht her von dem kleinlichen Einflusse<lb/>
individueller Oertlichkeiten, sondern von ausgedehnteren tellurischen Ver-<lb/>
hältnissen; sie sind allgemeinen Gesetzen unterworfen, welche durch die Ge-<lb/>
stalt der Continentalmassen, durch ihre Umrisse, den Zustand ihrer Ober-<lb/>
fläche, besonders aber durch ihre Stellungs- <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> Größenverhältnisse zu den<lb/>
benachbarten Meeren bestim&#x0303;t sind.</p><lb/>
        <p>Herr Prof. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11860130X http://d-nb.info/gnd/11860130X">Carl Ritter</persName></hi> hat in seinem vortrefflichen Werke der allg. ver-<lb/>
gleichenden Geographie sehr genügend dargethan, wie die Natur der Ober-<lb/>
fläche in der innigsten Verbindung steht, nicht nur mit der räumlichen<lb/>
Verschiedenheit der Producte, sondern auch mit ihrem ganzen moralischen<lb/><choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> politischen Zustande. Wie nun die <hi rendition="#u">Bildung der Continente</hi> verschieden<lb/>
einwirkt auf die Cultur, so auch ist der <hi rendition="#u">Einfluß auf das Clima</hi> unverken&#x0303;bar.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0065] wieder so tief gesenkt haben müsse, um die Säulen des Tempels und den Boden desselben auf dem Trocknen erscheinen zu lassen. – Aber das Meer könnte unmöglich diese Höhe erreicht haben, ohne gleichzeitig die gegenüberliegenden u benachbarten Küsten zu überströmen und dergleichen Annahmen beruhen auf ebenso falschen Ideen, als die Mei- nung, es sei Amerika später aus der chaotischen Meeresbedeckung hervorgetreten. Das Meer kann die unermeßlichen Ebenen am Oronoco und Amazonenfluß nicht dauernd überschwem̃en, ohne zu- gleich unsere baltischen Länder zu verwüsten und es ist nichts ge- wisser, als daß das hydrostatische niveau des Meeres zu keiner Zeit sich partiell verändern konnte. 8. Vorlesung (31. Januar 1828) Die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper begründet das Problem der Climatologie. Mit Unrecht hat man früher die Modificationen der Temperatur bald schützenden Bergzügen, bald der Erhöhung der Erdoberfläche, bald der Wirkung periodischer Windströme zugeschrieben. Die merkwürdigen Abweichungen der Climate, welche man in großen Länderstrecken zwi- schen denselben Breitengraden u in derselben Höhe über dem Meeres- spiegel wahrnim̃t, rühren offenbar nicht her von dem kleinlichen Einflusse individueller Oertlichkeiten, sondern von ausgedehnteren tellurischen Ver- hältnissen; sie sind allgemeinen Gesetzen unterworfen, welche durch die Ge- stalt der Continentalmassen, durch ihre Umrisse, den Zustand ihrer Ober- fläche, besonders aber durch ihre Stellungs- u Größenverhältnisse zu den benachbarten Meeren bestim̃t sind. Herr Prof. Carl Ritter hat in seinem vortrefflichen Werke der allg. ver- gleichenden Geographie sehr genügend dargethan, wie die Natur der Ober- fläche in der innigsten Verbindung steht, nicht nur mit der räumlichen Verschiedenheit der Producte, sondern auch mit ihrem ganzen moralischen u politischen Zustande. Wie nun die Bildung der Continente verschieden einwirkt auf die Cultur, so auch ist der Einfluß auf das Clima unverkeñbar.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/65
Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/65>, abgerufen am 22.12.2024.