Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.H. Homberger, 1838 zu Mainz geboren, studirte Jura und promovirte 1858 zu Gießen als Dr. jur. Nachdem er sich von 1864 -- 1872 an verschiedenen Orten Frankreichs und Italiens aufgehalten, mit politischen und literarischen Studien und Correspondenzen beschäftigt, ging er 1872 nach Berlin, wo er zwei Jahre lang die "Preußischen Jahrbücher" redigirte und sich gegenwärtig wieder in freier Muße seinen wissenschaftlichen und dichterischen Arbeiten widmet. Von letzteren*) sind dem Herausgeber nur zwei Novellen bekannt, die beide in Italien spielen und sich durch eine ungemeine Klarheit und Echtheit der Localfarben und die vollkommenste Kenntniß der Volkscharaktere aufs Vortheilhafteste aus der Masse conventioneller italienischer Novellen herausheben. Die kleinere dieser Erzählungen, "Der heilige Giovanni", im Jahre 1874 im Feuilleton der Wiener "Presse" abgedruckt, erinnert noch ein wenig an den Stil der berühmten italienischen Novellisten, bei denen ja auch das größte Talent unter den Franzosen, das sich mit Vorliebe der Schilderung italienischer Menschen und Sitten zugewandt hat, Henry Beyle (Stendhal) in die Schule gegangen ist. Der "Säugling", den wir uns freuen in unserem Novellenschatz mittheilen zu dürfen, zeigt schon eine entschiedene Selbständigkeit des Tones. Es herrscht hier eine sehr eigenthümliche Verwandtschaft zwischen dem Stoff und der Darstellung. In Beiden jene Mischung von verhaltener Leidenschaftlichkeit und ironischer Gelassenheit, von Pathos und Humor, von heißblütiger Naturkraft und feinem künstlerischem Tact, jene Mischung, die dem schärferen Beobachter das italienische Volk so anziehend macht, *) Ein kleines Lustspiel, ebenfalls unter dem Pseudonym H. Horner, wurde im Frühjahr 1874 auf dem Wiener Stadttheater aufgeführt.
H. Homberger, 1838 zu Mainz geboren, studirte Jura und promovirte 1858 zu Gießen als Dr. jur. Nachdem er sich von 1864 — 1872 an verschiedenen Orten Frankreichs und Italiens aufgehalten, mit politischen und literarischen Studien und Correspondenzen beschäftigt, ging er 1872 nach Berlin, wo er zwei Jahre lang die „Preußischen Jahrbücher“ redigirte und sich gegenwärtig wieder in freier Muße seinen wissenschaftlichen und dichterischen Arbeiten widmet. Von letzteren*) sind dem Herausgeber nur zwei Novellen bekannt, die beide in Italien spielen und sich durch eine ungemeine Klarheit und Echtheit der Localfarben und die vollkommenste Kenntniß der Volkscharaktere aufs Vortheilhafteste aus der Masse conventioneller italienischer Novellen herausheben. Die kleinere dieser Erzählungen, „Der heilige Giovanni“, im Jahre 1874 im Feuilleton der Wiener „Presse“ abgedruckt, erinnert noch ein wenig an den Stil der berühmten italienischen Novellisten, bei denen ja auch das größte Talent unter den Franzosen, das sich mit Vorliebe der Schilderung italienischer Menschen und Sitten zugewandt hat, Henry Beyle (Stendhal) in die Schule gegangen ist. Der „Säugling“, den wir uns freuen in unserem Novellenschatz mittheilen zu dürfen, zeigt schon eine entschiedene Selbständigkeit des Tones. Es herrscht hier eine sehr eigenthümliche Verwandtschaft zwischen dem Stoff und der Darstellung. In Beiden jene Mischung von verhaltener Leidenschaftlichkeit und ironischer Gelassenheit, von Pathos und Humor, von heißblütiger Naturkraft und feinem künstlerischem Tact, jene Mischung, die dem schärferen Beobachter das italienische Volk so anziehend macht, *) Ein kleines Lustspiel, ebenfalls unter dem Pseudonym H. Horner, wurde im Frühjahr 1874 auf dem Wiener Stadttheater aufgeführt.
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H. Homberger, 1838 zu Mainz geboren, studirte Jura und promovirte 1858 zu Gießen als Dr. jur. Nachdem er sich von 1864 — 1872 an verschiedenen Orten Frankreichs und Italiens aufgehalten, mit politischen und literarischen Studien und Correspondenzen beschäftigt, ging er 1872 nach Berlin, wo er zwei Jahre lang die „Preußischen Jahrbücher“ redigirte und sich gegenwärtig wieder in freier Muße seinen wissenschaftlichen und dichterischen Arbeiten widmet.
Von letzteren *) sind dem Herausgeber nur zwei Novellen bekannt, die beide in Italien spielen und sich durch eine ungemeine Klarheit und Echtheit der Localfarben und die vollkommenste Kenntniß der Volkscharaktere aufs Vortheilhafteste aus der Masse conventioneller italienischer Novellen herausheben. Die kleinere dieser Erzählungen, „Der heilige Giovanni“, im Jahre 1874 im Feuilleton der Wiener „Presse“ abgedruckt, erinnert noch ein wenig an den Stil der berühmten italienischen Novellisten, bei denen ja auch das größte Talent unter den Franzosen, das sich mit Vorliebe der Schilderung italienischer Menschen und Sitten zugewandt hat, Henry Beyle (Stendhal) in die Schule gegangen ist. Der „Säugling“, den wir uns freuen in unserem Novellenschatz mittheilen zu dürfen, zeigt schon eine entschiedene Selbständigkeit des Tones. Es herrscht hier eine sehr eigenthümliche Verwandtschaft zwischen dem Stoff und der Darstellung. In Beiden jene Mischung von verhaltener Leidenschaftlichkeit und ironischer Gelassenheit, von Pathos und Humor, von heißblütiger Naturkraft und feinem künstlerischem Tact, jene Mischung, die dem schärferen Beobachter das italienische Volk so anziehend macht,
*) Ein kleines Lustspiel, ebenfalls unter dem Pseudonym H. Horner, wurde im Frühjahr 1874 auf dem Wiener Stadttheater aufgeführt.
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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