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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wort stehen müßtet? Nein! Das Kürzeste ist, ich lasse ihm einen Brief schreiben.

Und der Brief wurde geschrieben -- durch Gigia's Schwägerin Marietta, welche des Schreibens kundig war. Gigia sagte ihr ihn Wort für Wort vor:

"Lieber Maso,

"Ich kann deine Braut nicht mehr sein und noch viel weniger dich heirathen. Denk also nicht weiter dran, ich will's auch nicht thun; es ist ein gutes Sprichwort, welches sagt: Vorbeigeflossenes Wasser mahlt nicht mehr. Diesen Brief habe ich, Gigia Landi, meiner Schwägerin Marietta, der Frau meines Bruders Gianni, vorgesagt, und sie hat ihn nachgeschrieben und sonst weiß keine Seele darum, und du brauchst dich vor Niemanden zu schämen.

Addio."

Der Brief wurde durch Marietta's kleines Söhnchen noch an demselben Tage nach Valtella getragen und, wie dem Kinde anempfohlen worden, in Maso's eigene Hand abgegeben. Maso konnte nicht schreiben, aber ziemlich lesen. Nur heute wollte es mit dem Lesen nicht gelingen. Er buchstabirte den Brief wohl ein Dutzendmal durch: es wurde ihm dabei zwar schrecklich eng im Herzen, aber in seinem Kopfe sah's nach dem zwölften Mal noch dunkler aus als nach dem ersten. Er mußte sich, das begriff er endlich, den Brief von einem Andern lesen lassen. Doch von wem? Nur von der Padrona, meinte er, weil dann doch nichts Anderes als etwas Gutes darin stehen würde.

wort stehen müßtet? Nein! Das Kürzeste ist, ich lasse ihm einen Brief schreiben.

Und der Brief wurde geschrieben — durch Gigia's Schwägerin Marietta, welche des Schreibens kundig war. Gigia sagte ihr ihn Wort für Wort vor:

„Lieber Maso,

„Ich kann deine Braut nicht mehr sein und noch viel weniger dich heirathen. Denk also nicht weiter dran, ich will's auch nicht thun; es ist ein gutes Sprichwort, welches sagt: Vorbeigeflossenes Wasser mahlt nicht mehr. Diesen Brief habe ich, Gigia Landi, meiner Schwägerin Marietta, der Frau meines Bruders Gianni, vorgesagt, und sie hat ihn nachgeschrieben und sonst weiß keine Seele darum, und du brauchst dich vor Niemanden zu schämen.

Addio.“

Der Brief wurde durch Marietta's kleines Söhnchen noch an demselben Tage nach Valtella getragen und, wie dem Kinde anempfohlen worden, in Maso's eigene Hand abgegeben. Maso konnte nicht schreiben, aber ziemlich lesen. Nur heute wollte es mit dem Lesen nicht gelingen. Er buchstabirte den Brief wohl ein Dutzendmal durch: es wurde ihm dabei zwar schrecklich eng im Herzen, aber in seinem Kopfe sah's nach dem zwölften Mal noch dunkler aus als nach dem ersten. Er mußte sich, das begriff er endlich, den Brief von einem Andern lesen lassen. Doch von wem? Nur von der Padrona, meinte er, weil dann doch nichts Anderes als etwas Gutes darin stehen würde.

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[0036] wort stehen müßtet? Nein! Das Kürzeste ist, ich lasse ihm einen Brief schreiben. Und der Brief wurde geschrieben — durch Gigia's Schwägerin Marietta, welche des Schreibens kundig war. Gigia sagte ihr ihn Wort für Wort vor: „Lieber Maso, „Ich kann deine Braut nicht mehr sein und noch viel weniger dich heirathen. Denk also nicht weiter dran, ich will's auch nicht thun; es ist ein gutes Sprichwort, welches sagt: Vorbeigeflossenes Wasser mahlt nicht mehr. Diesen Brief habe ich, Gigia Landi, meiner Schwägerin Marietta, der Frau meines Bruders Gianni, vorgesagt, und sie hat ihn nachgeschrieben und sonst weiß keine Seele darum, und du brauchst dich vor Niemanden zu schämen. Addio.“ Der Brief wurde durch Marietta's kleines Söhnchen noch an demselben Tage nach Valtella getragen und, wie dem Kinde anempfohlen worden, in Maso's eigene Hand abgegeben. Maso konnte nicht schreiben, aber ziemlich lesen. Nur heute wollte es mit dem Lesen nicht gelingen. Er buchstabirte den Brief wohl ein Dutzendmal durch: es wurde ihm dabei zwar schrecklich eng im Herzen, aber in seinem Kopfe sah's nach dem zwölften Mal noch dunkler aus als nach dem ersten. Er mußte sich, das begriff er endlich, den Brief von einem Andern lesen lassen. Doch von wem? Nur von der Padrona, meinte er, weil dann doch nichts Anderes als etwas Gutes darin stehen würde.

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Thomas Weitin: Herausgeber
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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/36>, abgerufen am 21.11.2024.