Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.7. Die Nacht liegt in den letzten Zügen, Der Regen tropft, der Nebel spinnt ... O, daß die Märchen immer lügen, Die Märchen, die die Jugend sinnt! Wie lieblich hat sich einst getrunken Der Hoffnung goldner Feuerwein! Und jetzt? Erbarmungslos versunken In dieses Elend der Spelunken -- O Sonnenschein! O Sonnenschein! Nur einmal, einmal noch im Traume
Laßt mich hinaus, o Gott, hinaus! Denn süß rauscht's nachts im Lindenbaume Vor meines Vaters Försterhaus. Der Mond lugt golden um den Giebel, Der Vater träumt von Mars la Tour, Lieb Mütterchen studirt die Bibel, Ihr Nestling colorirt die Fibel Und leise, leise tickt die Uhr! 7. Die Nacht liegt in den letzten Zügen, Der Regen tropft, der Nebel ſpinnt ... O, daß die Märchen immer lügen, Die Märchen, die die Jugend ſinnt! Wie lieblich hat ſich einſt getrunken Der Hoffnung goldner Feuerwein! Und jetzt? Erbarmungslos verſunken In dieſes Elend der Spelunken — O Sonnenſchein! O Sonnenſchein! Nur einmal, einmal noch im Traume
Laßt mich hinaus, o Gott, hinaus! Denn ſüß rauſcht's nachts im Lindenbaume Vor meines Vaters Förſterhaus. Der Mond lugt golden um den Giebel, Der Vater träumt von Mars la Tour, Lieb Mütterchen ſtudirt die Bibel, Ihr Neſtling colorirt die Fibel Und leiſe, leiſe tickt die Uhr! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0428" n="406"/> </div> <div n="2"> <head>7.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Nacht liegt in den letzten Zügen,</l><lb/> <l>Der Regen tropft, der Nebel ſpinnt ...</l><lb/> <l>O, daß die Märchen immer lügen,</l><lb/> <l>Die Märchen, die die Jugend ſinnt!</l><lb/> <l>Wie lieblich hat ſich einſt getrunken</l><lb/> <l>Der Hoffnung goldner Feuerwein!</l><lb/> <l>Und jetzt? Erbarmungslos verſunken</l><lb/> <l>In dieſes Elend der Spelunken —</l><lb/> <l>O Sonnenſchein! O Sonnenſchein!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Nur einmal, einmal noch im Traume</l><lb/> <l>Laßt mich hinaus, o Gott, hinaus!</l><lb/> <l>Denn ſüß rauſcht's nachts im Lindenbaume</l><lb/> <l>Vor meines Vaters Förſterhaus.</l><lb/> <l>Der Mond lugt golden um den Giebel,</l><lb/> <l>Der Vater träumt von Mars la Tour,</l><lb/> <l>Lieb Mütterchen ſtudirt die Bibel,</l><lb/> <l>Ihr Neſtling colorirt die Fibel</l><lb/> <l>Und leiſe, leiſe tickt die Uhr!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [406/0428]
7.
Die Nacht liegt in den letzten Zügen,
Der Regen tropft, der Nebel ſpinnt ...
O, daß die Märchen immer lügen,
Die Märchen, die die Jugend ſinnt!
Wie lieblich hat ſich einſt getrunken
Der Hoffnung goldner Feuerwein!
Und jetzt? Erbarmungslos verſunken
In dieſes Elend der Spelunken —
O Sonnenſchein! O Sonnenſchein!
Nur einmal, einmal noch im Traume
Laßt mich hinaus, o Gott, hinaus!
Denn ſüß rauſcht's nachts im Lindenbaume
Vor meines Vaters Förſterhaus.
Der Mond lugt golden um den Giebel,
Der Vater träumt von Mars la Tour,
Lieb Mütterchen ſtudirt die Bibel,
Ihr Neſtling colorirt die Fibel
Und leiſe, leiſe tickt die Uhr!
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