Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.5. Und wieder hat das Rad der Stunde Sich zwölfmal um sich selbst gedreht, Und wieder fühlst du deine Wunde Und ächzst und stöhnst wie Philoktet! Denn dir, auch dir rollt's durch die Adern Und durchs Gehirn wie heißes Blei; Gigantisch thürmst du deine Quadern, Mit Gott im Himmel willst du hadern Und deine Seele ringt im Schrei! Dein Herz steht wie die Welt in Blüthe,
Gehüllt in silbergrauen Dunst, Und mächtig fühlst du's im Gemüthe: Du bist ein Priester deiner Kunst! Des Lebens goldne Kronen winken, Die Rosen stehen weiß und roth; Du fühlst sie duften, siehst sie blinken, Doch scheu mußt du vorüberhinken, Denn ach, dir fehlt dein täglich Brod! 5. Und wieder hat das Rad der Stunde Sich zwölfmal um ſich ſelbſt gedreht, Und wieder fühlſt du deine Wunde Und ächzſt und ſtöhnſt wie Philoktet! Denn dir, auch dir rollt's durch die Adern Und durchs Gehirn wie heißes Blei; Gigantiſch thürmſt du deine Quadern, Mit Gott im Himmel willſt du hadern Und deine Seele ringt im Schrei! Dein Herz ſteht wie die Welt in Blüthe,
Gehüllt in ſilbergrauen Dunſt, Und mächtig fühlſt du's im Gemüthe: Du biſt ein Prieſter deiner Kunſt! Des Lebens goldne Kronen winken, Die Roſen ſtehen weiß und roth; Du fühlſt ſie duften, ſiehſt ſie blinken, Doch ſcheu mußt du vorüberhinken, Denn ach, dir fehlt dein täglich Brod! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="402" facs="#f0424"/> </div> <div n="2"> <head>5.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">U</hi>nd wieder hat das Rad der Stunde</l><lb/> <l>Sich zwölfmal um ſich ſelbſt gedreht,</l><lb/> <l>Und wieder fühlſt du deine Wunde</l><lb/> <l>Und ächzſt und ſtöhnſt wie Philoktet!</l><lb/> <l>Denn dir, auch dir rollt's durch die Adern</l><lb/> <l>Und durchs Gehirn wie heißes Blei;</l><lb/> <l>Gigantiſch thürmſt du deine Quadern,</l><lb/> <l>Mit Gott im Himmel willſt du hadern</l><lb/> <l>Und deine Seele ringt im Schrei!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Dein Herz ſteht wie die Welt in Blüthe,</l><lb/> <l>Gehüllt in ſilbergrauen Dunſt,</l><lb/> <l>Und mächtig fühlſt du's im Gemüthe:</l><lb/> <l>Du biſt ein Prieſter deiner Kunſt!</l><lb/> <l>Des Lebens goldne Kronen winken,</l><lb/> <l>Die Roſen ſtehen weiß und roth;</l><lb/> <l>Du fühlſt ſie duften, ſiehſt ſie blinken,</l><lb/> <l>Doch ſcheu mußt du vorüberhinken,</l><lb/> <l>Denn ach, dir fehlt dein täglich Brod!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [402/0424]
5.
Und wieder hat das Rad der Stunde
Sich zwölfmal um ſich ſelbſt gedreht,
Und wieder fühlſt du deine Wunde
Und ächzſt und ſtöhnſt wie Philoktet!
Denn dir, auch dir rollt's durch die Adern
Und durchs Gehirn wie heißes Blei;
Gigantiſch thürmſt du deine Quadern,
Mit Gott im Himmel willſt du hadern
Und deine Seele ringt im Schrei!
Dein Herz ſteht wie die Welt in Blüthe,
Gehüllt in ſilbergrauen Dunſt,
Und mächtig fühlſt du's im Gemüthe:
Du biſt ein Prieſter deiner Kunſt!
Des Lebens goldne Kronen winken,
Die Roſen ſtehen weiß und roth;
Du fühlſt ſie duften, ſiehſt ſie blinken,
Doch ſcheu mußt du vorüberhinken,
Denn ach, dir fehlt dein täglich Brod!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/424 |
Zitationshilfe: | Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/424>, abgerufen am 03.03.2025. |