Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Have anima candida! Armer Freund! Nicht hinter jedem Tempelvorhang verbirgt sich eine O, daß jetzt der Todtenwurm um dein leuchtendes Locken¬ Du starbst! Doch du starbst im Frühling und über dein frisch¬ Nein, der Frühling ist kein Kind! Die frommen Maler, die ihm zärtliche Schmetterlings¬ Nein, der Frühling ist kein Kind! Ein Gigant ist der Frühling und seine Thaten sind Have anima candida! Armer Freund! Nicht hinter jedem Tempelvorhang verbirgt ſich eine O, daß jetzt der Todtenwurm um dein leuchtendes Locken¬ Du ſtarbſt! Doch du ſtarbſt im Frühling und über dein friſch¬ Nein, der Frühling iſt kein Kind! Die frommen Maler, die ihm zärtliche Schmetterlings¬ Nein, der Frühling iſt kein Kind! Ein Gigant iſt der Frühling und ſeine Thaten ſind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="391" facs="#f0413"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">Have anima candida!</hi><lb/> </head> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <p><hi rendition="#in">A</hi>rmer Freund!</p><lb/> <p>Nicht hinter jedem Tempelvorhang verbirgt ſich eine<lb/> nackte Venus: dein Herz war mehr als groß, dein Herz war<lb/> rein!</p><lb/> <p>O, daß jetzt der Todtenwurm um dein leuchtendes Locken¬<lb/> haupt ſein widriges Netz ſpinnt!</p><lb/> <p>Du ſtarbſt!</p><lb/> <p>Doch du ſtarbſt im Frühling und über dein friſch¬<lb/> geſchaufeltes Grab hin klagte die Nachtigall der Roſe ihre<lb/> ewige Sehnſucht .....</p><lb/> <p>Nein, der Frühling iſt kein Kind!</p><lb/> <p>Die frommen Maler, die ihm zärtliche Schmetterlings¬<lb/> flügel an die Schultern logen, haben ihn nie auf ſeinem feuer¬<lb/> ſchnaubenden Sturmroß nachts durch die Lüfte taumeln geſehn!<lb/> Hat er nicht oft ſchon droben im Bergwald trotzige Wetter¬<lb/> tannen entwurzelt? Und ſchleudert der Thau, der vom Mantel<lb/> ihm tropft, nicht Felsblöcke zu Thal? Felsblöcke, ſo groß wie<lb/> Kirchthürme?</p><lb/> <p>Nein, der Frühling iſt kein Kind!</p><lb/> <p>Ein Gigant iſt der Frühling und ſeine Thaten ſind<lb/> Legion!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [391/0413]
Have anima candida!
Armer Freund!
Nicht hinter jedem Tempelvorhang verbirgt ſich eine
nackte Venus: dein Herz war mehr als groß, dein Herz war
rein!
O, daß jetzt der Todtenwurm um dein leuchtendes Locken¬
haupt ſein widriges Netz ſpinnt!
Du ſtarbſt!
Doch du ſtarbſt im Frühling und über dein friſch¬
geſchaufeltes Grab hin klagte die Nachtigall der Roſe ihre
ewige Sehnſucht .....
Nein, der Frühling iſt kein Kind!
Die frommen Maler, die ihm zärtliche Schmetterlings¬
flügel an die Schultern logen, haben ihn nie auf ſeinem feuer¬
ſchnaubenden Sturmroß nachts durch die Lüfte taumeln geſehn!
Hat er nicht oft ſchon droben im Bergwald trotzige Wetter¬
tannen entwurzelt? Und ſchleudert der Thau, der vom Mantel
ihm tropft, nicht Felsblöcke zu Thal? Felsblöcke, ſo groß wie
Kirchthürme?
Nein, der Frühling iſt kein Kind!
Ein Gigant iſt der Frühling und ſeine Thaten ſind
Legion!
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Zitationshilfe: | Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/413>, abgerufen am 03.03.2025. |