Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.6. Erst jetzt, da du dich von mir wendest, Fühl ich, wie tief ich dich geliebt, Und daß, wenn du sie mir nicht spendest, Es keine Lust mehr für mich giebt. Was soll mir noch des Maien Blüthe, Da ich so krank bin im Gemüthe, Und was des Sommers Duft und Pracht? Ich mag nicht mehr den Schmelz der Auen, Ich will hinfort nur Eins noch schauen: Das wüste Nebelgrau der Nacht! Mich lockte auf dem hohen Firne
Der Lebenskrone goldner Glanz, Du aber preßtest in die Stirne Mir ach, nur einen Dornenkranz! Verflucht durch dieses Kainszeichen, Werd ich nun durch das Leben schleichen, Das keine Freuden für mich hat; Denn immer muß ich dein gedenken, Und nimmer will sich auf mich senken Die Taube mit dem Friedensblatt! 6. Erſt jetzt, da du dich von mir wendeſt, Fühl ich, wie tief ich dich geliebt, Und daß, wenn du ſie mir nicht ſpendeſt, Es keine Luſt mehr für mich giebt. Was ſoll mir noch des Maien Blüthe, Da ich ſo krank bin im Gemüthe, Und was des Sommers Duft und Pracht? Ich mag nicht mehr den Schmelz der Auen, Ich will hinfort nur Eins noch ſchauen: Das wüſte Nebelgrau der Nacht! Mich lockte auf dem hohen Firne
Der Lebenskrone goldner Glanz, Du aber preßteſt in die Stirne Mir ach, nur einen Dornenkranz! Verflucht durch dieſes Kainszeichen, Werd ich nun durch das Leben ſchleichen, Das keine Freuden für mich hat; Denn immer muß ich dein gedenken, Und nimmer will ſich auf mich ſenken Die Taube mit dem Friedensblatt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0217" n="195"/> </div> <div n="2"> <head>6.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>rſt jetzt, da du dich von mir wendeſt,</l><lb/> <l>Fühl ich, wie tief ich dich geliebt,</l><lb/> <l>Und daß, wenn du ſie mir nicht ſpendeſt,</l><lb/> <l>Es keine Luſt mehr für mich giebt.</l><lb/> <l>Was ſoll mir noch des Maien Blüthe,</l><lb/> <l>Da ich ſo krank bin im Gemüthe,</l><lb/> <l>Und was des Sommers Duft und Pracht?</l><lb/> <l>Ich mag nicht mehr den Schmelz der Auen,</l><lb/> <l>Ich will hinfort nur Eins noch ſchauen:</l><lb/> <l>Das wüſte Nebelgrau der Nacht!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Mich lockte auf dem hohen Firne</l><lb/> <l>Der Lebenskrone goldner Glanz,</l><lb/> <l>Du aber preßteſt in die Stirne</l><lb/> <l>Mir ach, nur einen Dornenkranz!</l><lb/> <l>Verflucht durch dieſes Kainszeichen,</l><lb/> <l>Werd ich nun durch das Leben ſchleichen,</l><lb/> <l>Das keine Freuden für mich hat;</l><lb/> <l>Denn immer muß ich dein gedenken,</l><lb/> <l>Und nimmer will ſich auf mich ſenken</l><lb/> <l>Die Taube mit dem Friedensblatt!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [195/0217]
6.
Erſt jetzt, da du dich von mir wendeſt,
Fühl ich, wie tief ich dich geliebt,
Und daß, wenn du ſie mir nicht ſpendeſt,
Es keine Luſt mehr für mich giebt.
Was ſoll mir noch des Maien Blüthe,
Da ich ſo krank bin im Gemüthe,
Und was des Sommers Duft und Pracht?
Ich mag nicht mehr den Schmelz der Auen,
Ich will hinfort nur Eins noch ſchauen:
Das wüſte Nebelgrau der Nacht!
Mich lockte auf dem hohen Firne
Der Lebenskrone goldner Glanz,
Du aber preßteſt in die Stirne
Mir ach, nur einen Dornenkranz!
Verflucht durch dieſes Kainszeichen,
Werd ich nun durch das Leben ſchleichen,
Das keine Freuden für mich hat;
Denn immer muß ich dein gedenken,
Und nimmer will ſich auf mich ſenken
Die Taube mit dem Friedensblatt!
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