Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

Bild:
<< vorherige Seite

Begräbniß-Gedichte.

Die er bey dieser zeit auff charta blanca drücket/
Und ohne unterscheid jung mit dem alter paart.
Halt euch gefast/ wann ihr als paßagiers müst eilen/
Denn nichts bringt mehr verlust bey posten/ als verweilen.



Erörterng der frage: wer doch in
dieser welt vor glücklich zu achten? bey
leichbestattung Fr. Dorotheen Elisa-
beth Weisin gebohrner
Hilscherin.

F. C. R.

SJeht man durchs perspectiv vernünfftig in die welt/
Wie viel darinnen sich vergnügte leute finden?
Jsts wenig oder nichts/ so vor die gläser fällt;
Das glück will überall als gauckelspiel verschwinden.
Der reiche klagt so wohl sich als ein armer an/
Und der vor ehre bürst/ weint offt mehr als geringe/
So elend scheinen hier der menschen ihre dinge!
Auch selbst die wollust findt sich in betrübtem wahn.
Bey allen ständen will das unglück auff der erden
Gemeiner als der staub nach sonnenscheine werden.
Wer ist doch schuld hieran? GOtt unser höchstes glück?
Nein! dieser heisset ja der geber aller güter:
Wer den hat/ der besitzt des wohlseyns gröste stück;
Er bleibt noch heut zu tag der fromme menschen-hüter.
So werden es denn wohl die creaturen seyn/
Die derer menschen hertz durch reitzung zu sich neigen/
Und nach vollbrachter that sie zu der erden beugen/
Biß sie durch eitelkeit im schlaff gewieget ein:
Daraus denn endlich nichts als jammer kan entstehen/
Weil sie von anfang an mit unglück schwanger gehen.
Ach nein/ der mensch ist selbst sein glück und unglücks-schmiedt!
Dem hat GOTT eine seel voll von vernunfft gegeben;
Wann

Begraͤbniß-Gedichte.

Die er bey dieſer zeit auff charta blanca druͤcket/
Und ohne unterſcheid jung mit dem alter paart.
Halt euch gefaſt/ wann ihr als paßagiers muͤſt eilen/
Denn nichts bringt mehr verluſt bey poſten/ als verweilen.



Eroͤrterng der frage: wer doch in
dieſer welt vor gluͤcklich zu achten? bey
leichbeſtattung Fr. Dorotheen Eliſa-
beth Weiſin gebohrner
Hilſcherin.

F. C. R.

SJeht man durchs perſpectiv vernuͤnfftig in die welt/
Wie viel darinnen ſich vergnuͤgte leute finden?
Jſts wenig oder nichts/ ſo vor die glaͤſer faͤllt;
Das gluͤck will uͤberall als gauckelſpiel verſchwinden.
Der reiche klagt ſo wohl ſich als ein armer an/
Und der vor ehre buͤrſt/ weint offt mehr als geringe/
So elend ſcheinen hier der menſchen ihre dinge!
Auch ſelbſt die wolluſt findt ſich in betruͤbtem wahn.
Bey allen ſtaͤnden will das ungluͤck auff der erden
Gemeiner als der ſtaub nach ſonnenſcheine werden.
Wer iſt doch ſchuld hieran? GOtt unſer hoͤchſtes gluͤck?
Nein! dieſer heiſſet ja der geber aller guͤter:
Wer den hat/ der beſitzt des wohlſeyns groͤſte ſtuͤck;
Er bleibt noch heut zu tag der fromme menſchen-huͤter.
So werden es denn wohl die creaturen ſeyn/
Die derer menſchen hertz durch reitzung zu ſich neigen/
Und nach vollbrachter that ſie zu der erden beugen/
Biß ſie durch eitelkeit im ſchlaff gewieget ein:
Daraus denn endlich nichts als jammer kan entſtehen/
Weil ſie von anfang an mit ungluͤck ſchwanger gehen.
Ach nein/ der menſch iſt ſelbſt ſein gluͤck und ungluͤcks-ſchmiedt!
Dem hat GOTT eine ſeel voll von vernunfft gegeben;
Wann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="8">
            <l>
              <pb facs="#f0215" n="205"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begra&#x0364;bniß-Gedichte.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Die er bey die&#x017F;er zeit auff charta blanca dru&#x0364;cket/</l><lb/>
            <l>Und ohne unter&#x017F;cheid jung mit dem alter paart.</l><lb/>
            <l>Halt euch gefa&#x017F;t/ wann ihr als paßagiers mu&#x0364;&#x017F;t eilen/</l><lb/>
            <l>Denn nichts bringt mehr verlu&#x017F;t bey po&#x017F;ten/ als verweilen.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ero&#x0364;rterng der frage: wer doch in<lb/>
die&#x017F;er welt vor glu&#x0364;cklich zu achten? bey<lb/>
leichbe&#x017F;tattung Fr. Dorotheen Eli&#x017F;a-<lb/>
beth Wei&#x017F;in gebohrner<lb/>
Hil&#x017F;cherin.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">F. C. R.</hi> </p><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>Jeht man durchs per&#x017F;pectiv vernu&#x0364;nfftig in die welt/</l><lb/>
            <l>Wie viel darinnen &#x017F;ich vergnu&#x0364;gte leute finden?</l><lb/>
            <l>J&#x017F;ts wenig oder nichts/ &#x017F;o vor die gla&#x0364;&#x017F;er fa&#x0364;llt;</l><lb/>
            <l>Das glu&#x0364;ck will u&#x0364;berall als gauckel&#x017F;piel ver&#x017F;chwinden.</l><lb/>
            <l>Der reiche klagt &#x017F;o wohl &#x017F;ich als ein armer an/</l><lb/>
            <l>Und der vor ehre bu&#x0364;r&#x017F;t/ weint offt mehr als geringe/</l><lb/>
            <l>So elend &#x017F;cheinen hier der men&#x017F;chen ihre dinge!</l><lb/>
            <l>Auch &#x017F;elb&#x017F;t die wollu&#x017F;t findt &#x017F;ich in betru&#x0364;btem wahn.</l><lb/>
            <l>Bey allen &#x017F;ta&#x0364;nden will das unglu&#x0364;ck auff der erden</l><lb/>
            <l>Gemeiner als der &#x017F;taub nach &#x017F;onnen&#x017F;cheine werden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Wer i&#x017F;t doch &#x017F;chuld hieran? GOtt un&#x017F;er ho&#x0364;ch&#x017F;tes glu&#x0364;ck?</l><lb/>
            <l>Nein! die&#x017F;er hei&#x017F;&#x017F;et ja der geber aller gu&#x0364;ter:</l><lb/>
            <l>Wer den hat/ der be&#x017F;itzt des wohl&#x017F;eyns gro&#x0364;&#x017F;te &#x017F;tu&#x0364;ck;</l><lb/>
            <l>Er bleibt noch heut zu tag der fromme men&#x017F;chen-hu&#x0364;ter.</l><lb/>
            <l>So werden es denn wohl die creaturen &#x017F;eyn/</l><lb/>
            <l>Die derer men&#x017F;chen hertz durch reitzung zu &#x017F;ich neigen/</l><lb/>
            <l>Und nach vollbrachter that &#x017F;ie zu der erden beugen/</l><lb/>
            <l>Biß &#x017F;ie durch eitelkeit im &#x017F;chlaff gewieget ein:</l><lb/>
            <l>Daraus denn endlich nichts als jammer kan ent&#x017F;tehen/</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ie von anfang an mit unglu&#x0364;ck &#x017F;chwanger gehen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Ach nein/ der men&#x017F;ch i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein glu&#x0364;ck und unglu&#x0364;cks-&#x017F;chmiedt!</l><lb/>
            <l>Dem hat GOTT eine &#x017F;eel voll von vernunfft gegeben;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wann</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0215] Begraͤbniß-Gedichte. Die er bey dieſer zeit auff charta blanca druͤcket/ Und ohne unterſcheid jung mit dem alter paart. Halt euch gefaſt/ wann ihr als paßagiers muͤſt eilen/ Denn nichts bringt mehr verluſt bey poſten/ als verweilen. Eroͤrterng der frage: wer doch in dieſer welt vor gluͤcklich zu achten? bey leichbeſtattung Fr. Dorotheen Eliſa- beth Weiſin gebohrner Hilſcherin. F. C. R. SJeht man durchs perſpectiv vernuͤnfftig in die welt/ Wie viel darinnen ſich vergnuͤgte leute finden? Jſts wenig oder nichts/ ſo vor die glaͤſer faͤllt; Das gluͤck will uͤberall als gauckelſpiel verſchwinden. Der reiche klagt ſo wohl ſich als ein armer an/ Und der vor ehre buͤrſt/ weint offt mehr als geringe/ So elend ſcheinen hier der menſchen ihre dinge! Auch ſelbſt die wolluſt findt ſich in betruͤbtem wahn. Bey allen ſtaͤnden will das ungluͤck auff der erden Gemeiner als der ſtaub nach ſonnenſcheine werden. Wer iſt doch ſchuld hieran? GOtt unſer hoͤchſtes gluͤck? Nein! dieſer heiſſet ja der geber aller guͤter: Wer den hat/ der beſitzt des wohlſeyns groͤſte ſtuͤck; Er bleibt noch heut zu tag der fromme menſchen-huͤter. So werden es denn wohl die creaturen ſeyn/ Die derer menſchen hertz durch reitzung zu ſich neigen/ Und nach vollbrachter that ſie zu der erden beugen/ Biß ſie durch eitelkeit im ſchlaff gewieget ein: Daraus denn endlich nichts als jammer kan entſtehen/ Weil ſie von anfang an mit ungluͤck ſchwanger gehen. Ach nein/ der menſch iſt ſelbſt ſein gluͤck und ungluͤcks-ſchmiedt! Dem hat GOTT eine ſeel voll von vernunfft gegeben; Wann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/215
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/215>, abgerufen am 21.11.2024.