Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.[Abbildung]
Galante Gedichte. An Flavien. ACh edle Flavia! ich weiß nicht wo ich bin/ Ich schreib/ und weiß nicht was/ dein schertzen macht mir schmertzen/ Dein stern der freundlichkeit reist meine freyheit hin/ Du schickst mir einen brieff/ und greiffst mir nach den hertzen. Ach ein vergebner brieff! du hast es ja bey dir/ Und mir ist nur davon ein kleiner rest erlaubet; Denn seine schalen sind zwar/ wie es scheint/ bey mir/ Du aber hast mir längst den kern davon geraubet. Ich schreibe sehr verwirrt: Denn wer so lebt/ wie ich/ Und ohne hertze schreibt/ dem taumeln geist und sinnen. Verdirbt mir dieser brieff/ so schrey ich über dich/ Was solt ich ohne hertz itzt wohl vollbringen können? Doch schreib ich/ wie ich kan/ als sclave deiner hand; Die fehler meiner schrifft sind deine sieges-zeichen. Reicht Critons dienstbarkeit dir hier kein besser pfand/ So denck/ ein schwacher kan nicht/ was er will/ erreichen; Und rechte liebe will nicht reich verbrämet seyn/ Sie will nicht allemahl mit purpur sich bedecken/ Sie stellt nicht selten sich in schlechter kleidung ein/ Und meynt/ daß schminck und schmuck nicht zieren sonder flecken. Du aber/ Flavia/ gebrauchst verschwenderey/ Du thust mir deine gunst durch einen brieff zuwissen/ Und daß ich auch davon noch mehr versichert sey/ So wilst du bald darauff mein schlechtes haus begrüssen. Ach freundin! das gelück und dessen freuden-fest Speist die verliebten offt mit leeren fleisch-pasteten/ Und ob es seinen wein gleich etwas schmecken läst/ So fließt er mehrentheils nur unsre lust zu tödten. Es A
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Galante Gedichte. An Flavien. ACh edle Flavia! ich weiß nicht wo ich bin/ Ich ſchreib/ und weiß nicht was/ dein ſcheꝛtzen macht mir ſchmertzen/ Dein ſtern der freundlichkeit reiſt meine freyheit hin/ Du ſchickſt mir einen brieff/ und greiffſt mir nach den hertzen. Ach ein vergebner brieff! du haſt es ja bey dir/ Und mir iſt nur davon ein kleiner reſt erlaubet; Denn ſeine ſchalen ſind zwar/ wie es ſcheint/ bey mir/ Du aber haſt mir laͤngſt den kern davon geraubet. Ich ſchreibe ſehr verwirrt: Denn wer ſo lebt/ wie ich/ Und ohne hertze ſchreibt/ dem taumeln geiſt und ſinnen. Verdirbt mir dieſer brieff/ ſo ſchrey ich uͤber dich/ Was ſolt ich ohne hertz itzt wohl vollbringen koͤnnen? Doch ſchreib ich/ wie ich kan/ als ſclave deiner hand; Die fehler meiner ſchrifft ſind deine ſieges-zeichen. Reicht Critons dienſtbarkeit dir hier kein beſſer pfand/ So denck/ ein ſchwacher kan nicht/ was er will/ erreichen; Und rechte liebe will nicht reich verbraͤmet ſeyn/ Sie will nicht allemahl mit purpur ſich bedecken/ Sie ſtellt nicht ſelten ſich in ſchlechter kleidung ein/ Und meynt/ daß ſchminck und ſchmuck nicht zieren ſonder flecken. Du aber/ Flavia/ gebrauchſt verſchwenderey/ Du thuſt mir deine gunſt durch einen brieff zuwiſſen/ Und daß ich auch davon noch mehr verſichert ſey/ So wilſt du bald darauff mein ſchlechtes haus begruͤſſen. Ach freundin! das geluͤck und deſſen freuden-feſt Speiſt die verliebten offt mit leeren fleiſch-paſteten/ Und ob es ſeinen wein gleich etwas ſchmecken laͤſt/ So fließt er mehrentheils nur unſre luſt zu toͤdten. Es A
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Galante Gedichte.
An Flavien.
C. H. v. H.
ACh edle Flavia! ich weiß nicht wo ich bin/
Ich ſchreib/ und weiß nicht was/ dein ſcheꝛtzen macht mir ſchmertzen/
Dein ſtern der freundlichkeit reiſt meine freyheit hin/
Du ſchickſt mir einen brieff/ und greiffſt mir nach den hertzen.
Ach ein vergebner brieff! du haſt es ja bey dir/
Und mir iſt nur davon ein kleiner reſt erlaubet;
Denn ſeine ſchalen ſind zwar/ wie es ſcheint/ bey mir/
Du aber haſt mir laͤngſt den kern davon geraubet.
Ich ſchreibe ſehr verwirrt: Denn wer ſo lebt/ wie ich/
Und ohne hertze ſchreibt/ dem taumeln geiſt und ſinnen.
Verdirbt mir dieſer brieff/ ſo ſchrey ich uͤber dich/
Was ſolt ich ohne hertz itzt wohl vollbringen koͤnnen?
Doch ſchreib ich/ wie ich kan/ als ſclave deiner hand;
Die fehler meiner ſchrifft ſind deine ſieges-zeichen.
Reicht Critons dienſtbarkeit dir hier kein beſſer pfand/
So denck/ ein ſchwacher kan nicht/ was er will/ erreichen;
Und rechte liebe will nicht reich verbraͤmet ſeyn/
Sie will nicht allemahl mit purpur ſich bedecken/
Sie ſtellt nicht ſelten ſich in ſchlechter kleidung ein/
Und meynt/ daß ſchminck und ſchmuck nicht zieren ſonder flecken.
Du aber/ Flavia/ gebrauchſt verſchwenderey/
Du thuſt mir deine gunſt durch einen brieff zuwiſſen/
Und daß ich auch davon noch mehr verſichert ſey/
So wilſt du bald darauff mein ſchlechtes haus begruͤſſen.
Ach freundin! das geluͤck und deſſen freuden-feſt
Speiſt die verliebten offt mit leeren fleiſch-paſteten/
Und ob es ſeinen wein gleich etwas ſchmecken laͤſt/
So fließt er mehrentheils nur unſre luſt zu toͤdten.
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