Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich: Unpolitische Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1841.Suum cuique. Wir haben's wahrlich trefflich weit gebracht: Zur Strafe ward der Bürgerstand gemacht. Verwirkt sein Adelthum ein Edelmann, So wird und ist er bürgerlich fortan. Wie kommt zu solchem Eingriff doch der Staat? Der Adel soll behalten was er hat; Und wie er seine Tugend trägt allein, Soll er auch seines Lasters Träger sein. Hat man den Pranger nur für uns erdacht? Das Zuchthaus nur für unser eins gemacht? I nun, Herr Graf kann auch am Pranger steh'n, Und Herr Baron kann auch in's Zuchthaus geh'n. Wir sind doch in Sibirien noch nicht,
Wo der Verbrecher eine Nummer kriegt! Das Individuell' ist noch zur Zeit Die schönste deutsche Eigenthümlichkeit. 11 *
Suum cuique. Wir haben's wahrlich trefflich weit gebracht: Zur Strafe ward der Bürgerſtand gemacht. Verwirkt ſein Adelthum ein Edelmann, So wird und iſt er bürgerlich fortan. Wie kommt zu ſolchem Eingriff doch der Staat? Der Adel ſoll behalten was er hat; Und wie er ſeine Tugend trägt allein, Soll er auch ſeines Laſters Träger ſein. Hat man den Pranger nur für uns erdacht? Das Zuchthaus nur für unſer eins gemacht? I nun, Herr Graf kann auch am Pranger ſteh'n, Und Herr Baron kann auch in's Zuchthaus geh'n. Wir ſind doch in Sibirien noch nicht,
Wo der Verbrecher eine Nummer kriegt! Das Individuell' iſt noch zur Zeit Die ſchönſte deutſche Eigenthümlichkeit. 11 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0183" n="163"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq #b">Suum cuique.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wir haben's wahrlich trefflich weit gebracht:</l><lb/> <l>Zur Strafe ward der Bürgerſtand gemacht.</l><lb/> <l>Verwirkt ſein Adelthum ein Edelmann,</l><lb/> <l>So wird und iſt er bürgerlich fortan.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wie kommt zu ſolchem Eingriff doch der Staat?</l><lb/> <l>Der Adel ſoll behalten was er hat;</l><lb/> <l>Und wie er ſeine Tugend trägt allein,</l><lb/> <l>Soll er auch ſeines Laſters Träger ſein.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Hat man den Pranger nur für uns erdacht?</l><lb/> <l>Das Zuchthaus nur für unſer eins gemacht?</l><lb/> <l>I nun, Herr Graf kann auch am Pranger ſteh'n,</l><lb/> <l>Und Herr Baron kann auch in's Zuchthaus geh'n.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Wir ſind doch in Sibirien noch nicht,</l><lb/> <l>Wo der Verbrecher eine Nummer kriegt!</l><lb/> <l>Das Individuell' iſt noch zur Zeit</l><lb/> <l>Die ſchönſte deutſche Eigenthümlichkeit.</l><lb/> </lg> <fw place="bottom" type="sig">11 *<lb/></fw> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [163/0183]
Suum cuique.
Wir haben's wahrlich trefflich weit gebracht:
Zur Strafe ward der Bürgerſtand gemacht.
Verwirkt ſein Adelthum ein Edelmann,
So wird und iſt er bürgerlich fortan.
Wie kommt zu ſolchem Eingriff doch der Staat?
Der Adel ſoll behalten was er hat;
Und wie er ſeine Tugend trägt allein,
Soll er auch ſeines Laſters Träger ſein.
Hat man den Pranger nur für uns erdacht?
Das Zuchthaus nur für unſer eins gemacht?
I nun, Herr Graf kann auch am Pranger ſteh'n,
Und Herr Baron kann auch in's Zuchthaus geh'n.
Wir ſind doch in Sibirien noch nicht,
Wo der Verbrecher eine Nummer kriegt!
Das Individuell' iſt noch zur Zeit
Die ſchönſte deutſche Eigenthümlichkeit.
11 *
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |