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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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Schmerzen heilen sollte, selber krank wird, dass der Gärtner an den Rosensträuchen, die er pflanzen sollte, sich die Hand so oft zerreisst, o! das hat manchen zum Thoren gemacht vor andern, die er sonst, wie ein Orpheus, hätte beherrscht, das hat so oft die edelste Natur zum Spott gemacht vor Menschen, wie man sie auf jeder Strasse findet, das ist die Klippe für die Lieblinge des Himmels, dass ihre Liebe mächtig ist und zart, wie ihr Geist, dass ihres Herzens Woogen stärker oft und schneller sich regen, wie der Trident, womit der Meergott sie beherrscht, und darum, Lieber! überhebe ja sich keiner.

Hyperion an Bellarmin.

Kannst Du es hören, wirst Du es begreifen, wenn ich Dir von meiner langen kranken Trauer sage?

Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, dass es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt! Neide die Leidensfreien nicht, die Gözen von Holz, denen nichts mangelt, weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bedürfte.

Schmerzen heilen sollte, selber krank wird, dass der Gärtner an den Rosensträuchen, die er pflanzen sollte, sich die Hand so oft zerreisst, o! das hat manchen zum Thoren gemacht vor andern, die er sonst, wie ein Orpheus, hätte beherrscht, das hat so oft die edelste Natur zum Spott gemacht vor Menschen, wie man sie auf jeder Strasse findet, das ist die Klippe für die Lieblinge des Himmels, dass ihre Liebe mächtig ist und zart, wie ihr Geist, dass ihres Herzens Woogen stärker oft und schneller sich regen, wie der Trident, womit der Meergott sie beherrscht, und darum, Lieber! überhebe ja sich keiner.

Hyperion an Bellarmin.

Kannst Du es hören, wirst Du es begreifen, wenn ich Dir von meiner langen kranken Trauer sage?

Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, dass es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt! Neide die Leidensfreien nicht, die Gözen von Holz, denen nichts mangelt, weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bedürfte.

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[0074] Schmerzen heilen sollte, selber krank wird, dass der Gärtner an den Rosensträuchen, die er pflanzen sollte, sich die Hand so oft zerreisst, o! das hat manchen zum Thoren gemacht vor andern, die er sonst, wie ein Orpheus, hätte beherrscht, das hat so oft die edelste Natur zum Spott gemacht vor Menschen, wie man sie auf jeder Strasse findet, das ist die Klippe für die Lieblinge des Himmels, dass ihre Liebe mächtig ist und zart, wie ihr Geist, dass ihres Herzens Woogen stärker oft und schneller sich regen, wie der Trident, womit der Meergott sie beherrscht, und darum, Lieber! überhebe ja sich keiner. Hyperion an Bellarmin. Kannst Du es hören, wirst Du es begreifen, wenn ich Dir von meiner langen kranken Trauer sage? Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, dass es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt! Neide die Leidensfreien nicht, die Gözen von Holz, denen nichts mangelt, weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bedürfte.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/74>, abgerufen am 26.04.2024.