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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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nicht ergreiffen soll, dass ich vergehe im Entzüken und im Schmerz, wenn ich den Tod der Freude über sie und den Tod der Trauer um sie nicht sterben soll.

Hyperion an Bellarmin.

Es ist umsonst; ich kann's mir nicht verbergen. Wohin ich auch entfliehe mit meinen Gedanken, in die Himmel hinauf und in den Abgrund, zum Anfang und an's Ende der Zeiten, selbst wenn ich ihm, der meine lezte Zuflucht war, der sonst noch jede Sorge in mir verzehrte, der alle Lust und allen Schmerz des Lebens sonst mit der Feuerflamme, worinn er sich offenbahrte, in mir versengte, selbst wenn ich ihm mich in die Arme werfe, dem herrlichen geheimen Geiste der Welt, in seine Tiefe mich tauche, wie in den bodenlosen Ocean hinab, auch da, auch da finden die süssen Schreken mich auf, die süssen verwirrenden tödtenden Schreken, dass Diotima's Grab mir nah ist.

Hörst du? hörst du? Diotima's Grab!

Mein Herz war doch so stille geworden, und meine Liebe war begraben mit der Todten, die ich liebte.

nicht ergreiffen soll, dass ich vergehe im Entzüken und im Schmerz, wenn ich den Tod der Freude über sie und den Tod der Trauer um sie nicht sterben soll.

Hyperion an Bellarmin.

Es ist umsonst; ich kann’s mir nicht verbergen. Wohin ich auch entfliehe mit meinen Gedanken, in die Himmel hinauf und in den Abgrund, zum Anfang und an’s Ende der Zeiten, selbst wenn ich ihm, der meine lezte Zuflucht war, der sonst noch jede Sorge in mir verzehrte, der alle Lust und allen Schmerz des Lebens sonst mit der Feuerflamme, worinn er sich offenbahrte, in mir versengte, selbst wenn ich ihm mich in die Arme werfe, dem herrlichen geheimen Geiste der Welt, in seine Tiefe mich tauche, wie in den bodenlosen Ocean hinab, auch da, auch da finden die süssen Schreken mich auf, die süssen verwirrenden tödtenden Schreken, dass Diotima’s Grab mir nah ist.

Hörst du? hörst du? Diotima’s Grab!

Mein Herz war doch so stille geworden, und meine Liebe war begraben mit der Todten, die ich liebte.

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[0112] nicht ergreiffen soll, dass ich vergehe im Entzüken und im Schmerz, wenn ich den Tod der Freude über sie und den Tod der Trauer um sie nicht sterben soll. Hyperion an Bellarmin. Es ist umsonst; ich kann’s mir nicht verbergen. Wohin ich auch entfliehe mit meinen Gedanken, in die Himmel hinauf und in den Abgrund, zum Anfang und an’s Ende der Zeiten, selbst wenn ich ihm, der meine lezte Zuflucht war, der sonst noch jede Sorge in mir verzehrte, der alle Lust und allen Schmerz des Lebens sonst mit der Feuerflamme, worinn er sich offenbahrte, in mir versengte, selbst wenn ich ihm mich in die Arme werfe, dem herrlichen geheimen Geiste der Welt, in seine Tiefe mich tauche, wie in den bodenlosen Ocean hinab, auch da, auch da finden die süssen Schreken mich auf, die süssen verwirrenden tödtenden Schreken, dass Diotima’s Grab mir nah ist. Hörst du? hörst du? Diotima’s Grab! Mein Herz war doch so stille geworden, und meine Liebe war begraben mit der Todten, die ich liebte.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/112>, abgerufen am 26.04.2024.