Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
An Eduard.

Euch alten Freunde droben, unsterbliches
Gestirn! euch frag' ich, Helden! woher es ist,
Daß ich so unterthan ihm bin, und
So der Gewaltige sein mich nennet?
Denn wenig kann ich bieten, nur weniges
Kann ich verlieren, aber ein liebes Glück,
Ein einziges, zum Angedenken
Reicherer Tage zurück geblieben;
Und so er mir's geböte, dies Eine noch,
Mein Saitenspiel, ich wagt' es, wohin er wollt',
Und mit Gesange folgt' ich, selbst in's
Ende der Tapferen ihm hinunter.
"Die Wolke" -- säng' ich -- "tränket mit Regen
Dich,
"Du Mutterboden! aber mit Blut der Mensch;
"So ruht, so kühlt die Liebe sich, die
"Droben und drunten nicht Gleiches findet.
An Eduard.

Euch alten Freunde droben, unſterbliches
Geſtirn! euch frag' ich, Helden! woher es iſt,
Daß ich ſo unterthan ihm bin, und
So der Gewaltige ſein mich nennet?
Denn wenig kann ich bieten, nur weniges
Kann ich verlieren, aber ein liebes Gluͤck,
Ein einziges, zum Angedenken
Reicherer Tage zuruͤck geblieben;
Und ſo er mir's geboͤte, dies Eine noch,
Mein Saitenſpiel, ich wagt' es, wohin er wollt',
Und mit Geſange folgt' ich, ſelbſt in's
Ende der Tapferen ihm hinunter.
„Die Wolke“ — ſaͤng' ich — „traͤnket mit Regen
Dich,
„Du Mutterboden! aber mit Blut der Menſch;
„So ruht, ſo kuͤhlt die Liebe ſich, die
„Droben und drunten nicht Gleiches findet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0042" n="34"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">An Eduard</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Euch alten Freunde droben, un&#x017F;terbliches</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;tirn! euch frag' ich, Helden! woher es i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Daß ich &#x017F;o unterthan ihm bin, und</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">So der Gewaltige &#x017F;ein mich nennet?</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Denn wenig kann ich bieten, nur weniges</l><lb/>
            <l>Kann ich verlieren, aber ein liebes Glu&#x0364;ck,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Ein einziges, zum Angedenken</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Reicherer Tage zuru&#x0364;ck geblieben;</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Und &#x017F;o er mir's gebo&#x0364;te, dies Eine noch,</l><lb/>
            <l>Mein Saiten&#x017F;piel, ich wagt' es, wohin er wollt',</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Und mit Ge&#x017F;ange folgt' ich, &#x017F;elb&#x017F;t in's</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Ende der Tapferen ihm hinunter.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>&#x201E;Die Wolke&#x201C; &#x2014; &#x017F;a&#x0364;ng' ich &#x2014; &#x201E;tra&#x0364;nket mit Regen</l><lb/>
            <l>Dich,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Du Mutterboden! aber mit Blut der Men&#x017F;ch;</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x201E;So ruht, &#x017F;o ku&#x0364;hlt die Liebe &#x017F;ich, die</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x201E;Droben und drunten nicht Gleiches findet.</hi> </l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0042] An Eduard. Euch alten Freunde droben, unſterbliches Geſtirn! euch frag' ich, Helden! woher es iſt, Daß ich ſo unterthan ihm bin, und So der Gewaltige ſein mich nennet? Denn wenig kann ich bieten, nur weniges Kann ich verlieren, aber ein liebes Gluͤck, Ein einziges, zum Angedenken Reicherer Tage zuruͤck geblieben; Und ſo er mir's geboͤte, dies Eine noch, Mein Saitenſpiel, ich wagt' es, wohin er wollt', Und mit Geſange folgt' ich, ſelbſt in's Ende der Tapferen ihm hinunter. „Die Wolke“ — ſaͤng' ich — „traͤnket mit Regen Dich, „Du Mutterboden! aber mit Blut der Menſch; „So ruht, ſo kuͤhlt die Liebe ſich, die „Droben und drunten nicht Gleiches findet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/42
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/42>, abgerufen am 30.12.2024.