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Hobrecht, James: Die modernen Aufgaben des großstädtischen Straßenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungsnetze. In: Centralblatt der Bauverwaltung 10 (1890), Nr. 36, Sp. 353-356, Sp. 375-376, Nr. 37, Sp. 386-388.

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Nr. 36. Centralblatt der Bauverwaltung.

Die modernen Aufgaben des grossstädtischen Strassenbaues mit Rücksicht auf die
Unterbringung der Versorgungsnetze.

Von Stadtbaurath Dr. J. Hobrecht in Berlin.
(Fortsetzung).

[Spaltenumbruch]

M. H. Fasse ich nun das Vorgesagte zusammen, so ist es m. E.
nicht angängig, grundsätzlich Subways, so empfehlenswerth sie
unter besonderen Umständen und namentlich bei Neuanlage ein-
zelner Strassen sein mögen, als das Mittel anzusehen, wodurch
das Einlegen der Versorgungsnetze in die Strassendämme und
Bürgersteige, und damit weiter das häufige Aufbrechen des Pflasters
vermieden werden könnte; Gasröhren in die Subways zu legen ist,
man sage was man wolle, nicht als vollständig gefahrlos zu be-
zeichnen; die Canalisation wird nur unter seltenen Umständen mit
den Subways verbunden werden können, in den meisten Fällen
nicht, da ein Anschwellen des Wassers in den Canälen bis zum
Scheitel, ja, bis zur Strassenhöhe, sodass also die Canäle unter Druck
stehen, als möglich und unter Umständen als unvermeidlich zuzugeben
ist. Canäle, bei welchen derartiges nicht vorkommen kann, würden
meist unrationell gross gemacht werden müssen, und oft würde dann
für sie allein die Strassendammbreite nicht ausreichen; es ist kaum
möglich, Subways so gross anzulegen, dass sie den zukünftigen, mög-
lichen Ansprüchen genügen, namentlich dann nicht, wenn wirklich
genügend Platz rund um ein jedes Rohr verbleibt, um es auswechseln
zu können, um die Muffenverbindungen, den Anstrich, die Seiten-
anschlüsse usw. bequem ausführen zu können; man denke nur an
den Raum, den die unentbehrlichen Schieber in den grossen Leitungen
verlangen müssen. Die Kosten sind zweifelsohne gewaltige, denn,
wie die ausgehängten Zeichnungen*) lehren, ist fast das ganze Strassen-
areal einer Stadt gewissermassen mit einem Untergeschoss zu bebauen,
stark genug, um jede Verkehrsbelastung tragen zu können.

Ob es vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege aus,
namentlich bei Epidemieen, als zulässig erachtet werden kann, das
Innere aller Häuser einer Stadt und dessen Luft gewissermassen durch
ein gemeinsames Kellergeschoss in Verbindung zu setzen, lasse ich da-
hingestellt; ich möchte eine solche Gefahr nicht unbedingt ableugnen.

Dass endlich in vielen Städten -- London kennt freilich derartiges
kaum -- der hohe Grundwasserstand und der Rückstau hoher Fluss-
wasserstände dem Bau ausreichend grosser und damit tiefer Subways
ausserordentlich grosse Schwierigkeiten bereiten würde, ist leicht
einzusehen. Gelingt es auch, diese Schwierigkeiten technisch zu über-
winden, namentlich wenn keine Kosten gespart werden, so werden
die Subways, soweit sie im Grundwasser stehen, doch immer feucht
und dumpfig sein. Das Eisen der Leitungen wird dann wiederum vor-
zugsweise gern rosten; nicht befestigter Boden der Subways zur Auf-
nahme von Röhren ist natürlich ganz ausgeschlossen und, wie gesagt,
in gleicher Weise die Hineinlegung der Canalisation in die Subways.

Ich bin der Ansicht,
1. dass die Anlage von Kohlenkellern oder ähnlichen Bauten
unter den Bürgersteigen, wie in London, eine Ungehörigkeit ist,
2. dass der Bürgersteig zunächst der eigentlich richtige Platz
zur Unterbringung der Versorgungsnetze ist und bleibt,
3. dass es sich deshalb grundsätzlich empfiehlt, dort die Ver-
sorgungsnetze, und zwar in das Erdreich, einzubetten,
4. dass definitives Pflaster unter keinen Umständen früher ausge-
führt werden sollte, bevor nicht die Versorgungsleitungen, und nament-
lich die Canalisation, sich dort an ihrer richtigen Stelle befinden.

Es ist eine Frage, die sich aufdrängt und auch als unberechtigt
nicht von der Hand gewiesen werden kann, ob es richtig ist, die
Strassendämme in ihrer ganzen Breite mit definitivem Pflaster zu
versehen. Ist schon sicher die Hoffnung, die sich in der Bezeichnung
"definitiv" ausspricht, eine unrichtige -- was in der Welt hätte über-
haupt, und was nun gar in grossstädtischen Anlagen einen dauernden
Bestand? --, so bedarf es wirklich nur einiger Erfahrung, um mit
Bestimmtheit vorauszusehen, dass nach längerer oder kürzerer Frist
die Ansprüche der Versorgungsnetze an diesem Definitivum wieder
rütteln werden.

Man könnte nun meinen, dass es richtig sein möchte, das defini-
tive Pflaster, wenn auch nicht ganz aufzugeben, so doch auf den mitt-
leren Theil der Strassendämme zu beschränken, sodass zu beiden
Seiten des Dammes ein nicht definitiv befestigter Streifen verbliebe,
der, als Reserve für die Versorgungsnetze, leichter aufgebrochen und
leichter wiederhergestellt werden könnte. Bei näherer Erwägung
[Spaltenumbruch] wird aber auch dieser Gedanke aufgegeben werden müssen. Liesse
er sich allenfalls bei Steinpflaster zur Ausführung bringen, so ist er
doch ganz undurchführbar bei Asphalt, und diesem gehört mehr
und mehr die Zukunft: Hunderten von Petitionen um Asphaltirung
einer Strasse steht noch nicht eine einzige um Herstellung eines
definitiven Steinpflasters gegenüber. Der wesentlichste Vortheil des
Asphalts ist, wie bekannt, die Geräuschlosigkeit; auf diesen Vortheil
müsste aber nicht allein Verzicht geleistet werden, wenn Seitenstreifen
des Dammes mit Stein gepflastert werden, nein -- es würde ein für
die Gehörnerven geradezu unerträglicher Zustand geschaffen werden;
viel leichter ist es, ein gleichmässiges Rollen der Wagen über Stein-
pflaster zu hören, als den steten Wechsel von Stein auf Asphalt
und umgekehrt. Wir mögen uns damit trösten, dass ausser der
Strassenbefestigung auf sehr vielen anderen Gebieten -- ich nenne
nur die Eisenbahnen -- das Definitivum sich entsetzlich schnell
wieder als ein Provisorium entpuppt, aber ändern können wir diesen
Zustand nicht.

Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass es eine auch erfüll-
bare Aufgabe ist, die Bürgersteig-Befestigung so einzurichten, dass sie
für Luft, Gas und Wasser eine nicht undurchdringliche Decke bildet;
Undichtigkeiten der Leitungen müssen sich erkennbar machen können;
dem aus den Röhren entweichenden Gas und Wasser darf nicht als
einziger Weg der in die Gebäude belassen werden, in denen sie un-
absehbaren Schaden anrichten können.

M. H. Wenn nun aber in der Erbauung von Subways nur ausnahms-
weise ein Mittel erblickt werden kann, den vorhandenen und stetig
wachsenden Uebelständen der Strassenaufbrüche zu begegnen, wenn
ferner die Aufnahme der Leitungen in die Bürgersteige ihre Grenze
hat, so müssen wir versuchen, in einer anderen, wenn auch weniger
entschiedenen, weniger imponirenden Weise der Sache beizukommen;
auf den Glanz eines kühnen chirurgischen Schnittes müssen wir dann
freilich Verzicht leisten.

Um die grossen Städte herum, ausserhalb des Weichbildes der-
selben sehen wir fast ausnahmslos Vorstädte, theils ältere An-
siedelungen, die ursprünglich weit von der Stadt entfernt waren,
jetzt in ihrer unmittelbaren Nähe dank dem Vordringen der
letzteren liegen, theils neuere, meist aus grossstädtischer Initiative
entstandene Bildungen. Unter den verschiedenen und zahlreichen
Gründen, denen diese Vorstädte ihr Entstehen oder ihre Entwicklung
verdanken, steht obenan, dass eine Reihe von Verordnungen, nament-
lich baupolizeilicher Natur, welche die Grossstadt treffen, dort kaum
Gültigkeit haben, und dass gewinnbringender Speculation dort die
Thüren offen stehen. Oft führen sich solche Unternehmungen als
Villen-Colonieen ein, die, je nachdem, entweder dem Begüterten den
Genuss reiner Luft und nervenstärkender Ruhe, oder dem Armen
die Wohlthat einer kleinen billigen Wohnung, auch wohl gar eines
kleinen eigenen Besitzes gegen ratenweise Abzahlung gewährleisten
wollen. Ist aber diese Lockspeise verzehrt, so ändern sich die Ver-
hältnisse: kann nur irgendwie auf Miether gerechnet werden, so
entstehen auch dort die üblichen mehrstöckigen Casernen, mit Brand-
mauern aneinandergelehnt, mit den kleinen Höfen und der nichts
weniger als nervenstärkenden Hauspolizei. Dann ist der Weg
höchster Ausnutzung des Grund und Bodens als Baustelle betreten,
und die Speculation gelangt in ihr bestimmtes, wenn auch noch mehr
oder minder günstiges Fahrwasser.

Die Ansprüche an Post, Telegraphie, Telephonie, an Eisenbahnen,
Pferdebahnen usw. für solche Vorstädte wachsen üppig empor;
Entrüstungs-Versammlungen über schlechte Behandlung mit dem
Hinweis darauf, dass zwar die Einwohnerzahl eine solche Anlage
wohl noch nicht rechtfertige, aber die Anlage eine Einwohnerzahl
schaffen werde, welche dann die Anlage rentabel mache, lösen
sich mit Petitionen dringlichster Art ab. Den lautesten Rednern
winkt der Kranz der Gemeindevertretung.

So entstehen für die Grossstadt die Uebelstände, dass sich Vor-
städte um sie lagern, die, was Richtung, Breite oder Gefälle der
dortigen Strassenzüge anbetrifft, oft ohne jede Rücksicht auf etwaige
Bedürfnisse der ersteren angelegt sind, und dass dabei in der Regel
die Gemeindevertretungen in diesen Vorstädten zu nichts weniger
als zu einem billigen Entgegenkommen geneigt sind.

Erwägt man nun, dass es gerade die vorstädtischen Gebiete sind

*) Die Zeichnungen folgen in der nächsten Nummer d. Bl.
Nr. 36. Centralblatt der Bauverwaltung.

Die modernen Aufgaben des groſsstädtischen Straſsenbaues mit Rücksicht auf die
Unterbringung der Versorgungsnetze.

Von Stadtbaurath Dr. J. Hobrecht in Berlin.
(Fortsetzung).

[Spaltenumbruch]

M. H. Fasse ich nun das Vorgesagte zusammen, so ist es m. E.
nicht angängig, grundsätzlich Subways, so empfehlenswerth sie
unter besonderen Umständen und namentlich bei Neuanlage ein-
zelner Straſsen sein mögen, als das Mittel anzusehen, wodurch
das Einlegen der Versorgungsnetze in die Straſsendämme und
Bürgersteige, und damit weiter das häufige Aufbrechen des Pflasters
vermieden werden könnte; Gasröhren in die Subways zu legen ist,
man sage was man wolle, nicht als vollständig gefahrlos zu be-
zeichnen; die Canalisation wird nur unter seltenen Umständen mit
den Subways verbunden werden können, in den meisten Fällen
nicht, da ein Anschwellen des Wassers in den Canälen bis zum
Scheitel, ja, bis zur Straſsenhöhe, sodaſs also die Canäle unter Druck
stehen, als möglich und unter Umständen als unvermeidlich zuzugeben
ist. Canäle, bei welchen derartiges nicht vorkommen kann, würden
meist unrationell groſs gemacht werden müssen, und oft würde dann
für sie allein die Straſsendammbreite nicht ausreichen; es ist kaum
möglich, Subways so groſs anzulegen, daſs sie den zukünftigen, mög-
lichen Ansprüchen genügen, namentlich dann nicht, wenn wirklich
genügend Platz rund um ein jedes Rohr verbleibt, um es auswechseln
zu können, um die Muffenverbindungen, den Anstrich, die Seiten-
anschlüsse usw. bequem ausführen zu können; man denke nur an
den Raum, den die unentbehrlichen Schieber in den groſsen Leitungen
verlangen müssen. Die Kosten sind zweifelsohne gewaltige, denn,
wie die ausgehängten Zeichnungen*) lehren, ist fast das ganze Straſsen-
areal einer Stadt gewissermaſsen mit einem Untergeschoſs zu bebauen,
stark genug, um jede Verkehrsbelastung tragen zu können.

Ob es vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege aus,
namentlich bei Epidemieen, als zulässig erachtet werden kann, das
Innere aller Häuser einer Stadt und dessen Luft gewissermaſsen durch
ein gemeinsames Kellergeschoſs in Verbindung zu setzen, lasse ich da-
hingestellt; ich möchte eine solche Gefahr nicht unbedingt ableugnen.

Daſs endlich in vielen Städten — London kennt freilich derartiges
kaum — der hohe Grundwasserstand und der Rückstau hoher Fluſs-
wasserstände dem Bau ausreichend groſser und damit tiefer Subways
auſserordentlich groſse Schwierigkeiten bereiten würde, ist leicht
einzusehen. Gelingt es auch, diese Schwierigkeiten technisch zu über-
winden, namentlich wenn keine Kosten gespart werden, so werden
die Subways, soweit sie im Grundwasser stehen, doch immer feucht
und dumpfig sein. Das Eisen der Leitungen wird dann wiederum vor-
zugsweise gern rosten; nicht befestigter Boden der Subways zur Auf-
nahme von Röhren ist natürlich ganz ausgeschlossen und, wie gesagt,
in gleicher Weise die Hineinlegung der Canalisation in die Subways.

Ich bin der Ansicht,
1. daſs die Anlage von Kohlenkellern oder ähnlichen Bauten
unter den Bürgersteigen, wie in London, eine Ungehörigkeit ist,
2. daſs der Bürgersteig zunächst der eigentlich richtige Platz
zur Unterbringung der Versorgungsnetze ist und bleibt,
3. daſs es sich deshalb grundsätzlich empfiehlt, dort die Ver-
sorgungsnetze, und zwar in das Erdreich, einzubetten,
4. daſs definitives Pflaster unter keinen Umständen früher ausge-
führt werden sollte, bevor nicht die Versorgungsleitungen, und nament-
lich die Canalisation, sich dort an ihrer richtigen Stelle befinden.

Es ist eine Frage, die sich aufdrängt und auch als unberechtigt
nicht von der Hand gewiesen werden kann, ob es richtig ist, die
Straſsendämme in ihrer ganzen Breite mit definitivem Pflaster zu
versehen. Ist schon sicher die Hoffnung, die sich in der Bezeichnung
„definitiv“ ausspricht, eine unrichtige — was in der Welt hätte über-
haupt, und was nun gar in groſsstädtischen Anlagen einen dauernden
Bestand? —, so bedarf es wirklich nur einiger Erfahrung, um mit
Bestimmtheit vorauszusehen, daſs nach längerer oder kürzerer Frist
die Ansprüche der Versorgungsnetze an diesem Definitivum wieder
rütteln werden.

Man könnte nun meinen, daſs es richtig sein möchte, das defini-
tive Pflaster, wenn auch nicht ganz aufzugeben, so doch auf den mitt-
leren Theil der Straſsendämme zu beschränken, sodaſs zu beiden
Seiten des Dammes ein nicht definitiv befestigter Streifen verbliebe,
der, als Reserve für die Versorgungsnetze, leichter aufgebrochen und
leichter wiederhergestellt werden könnte. Bei näherer Erwägung
[Spaltenumbruch] wird aber auch dieser Gedanke aufgegeben werden müssen. Lieſse
er sich allenfalls bei Steinpflaster zur Ausführung bringen, so ist er
doch ganz undurchführbar bei Asphalt, und diesem gehört mehr
und mehr die Zukunft: Hunderten von Petitionen um Asphaltirung
einer Straſse steht noch nicht eine einzige um Herstellung eines
definitiven Steinpflasters gegenüber. Der wesentlichste Vortheil des
Asphalts ist, wie bekannt, die Geräuschlosigkeit; auf diesen Vortheil
müſste aber nicht allein Verzicht geleistet werden, wenn Seitenstreifen
des Dammes mit Stein gepflastert werden, nein — es würde ein für
die Gehörnerven geradezu unerträglicher Zustand geschaffen werden;
viel leichter ist es, ein gleichmäſsiges Rollen der Wagen über Stein-
pflaster zu hören, als den steten Wechsel von Stein auf Asphalt
und umgekehrt. Wir mögen uns damit trösten, daſs auſser der
Straſsenbefestigung auf sehr vielen anderen Gebieten — ich nenne
nur die Eisenbahnen — das Definitivum sich entsetzlich schnell
wieder als ein Provisorium entpuppt, aber ändern können wir diesen
Zustand nicht.

Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, daſs es eine auch erfüll-
bare Aufgabe ist, die Bürgersteig-Befestigung so einzurichten, daſs sie
für Luft, Gas und Wasser eine nicht undurchdringliche Decke bildet;
Undichtigkeiten der Leitungen müssen sich erkennbar machen können;
dem aus den Röhren entweichenden Gas und Wasser darf nicht als
einziger Weg der in die Gebäude belassen werden, in denen sie un-
absehbaren Schaden anrichten können.

M. H. Wenn nun aber in der Erbauung von Subways nur ausnahms-
weise ein Mittel erblickt werden kann, den vorhandenen und stetig
wachsenden Uebelständen der Straſsenaufbrüche zu begegnen, wenn
ferner die Aufnahme der Leitungen in die Bürgersteige ihre Grenze
hat, so müssen wir versuchen, in einer anderen, wenn auch weniger
entschiedenen, weniger imponirenden Weise der Sache beizukommen;
auf den Glanz eines kühnen chirurgischen Schnittes müssen wir dann
freilich Verzicht leisten.

Um die groſsen Städte herum, auſserhalb des Weichbildes der-
selben sehen wir fast ausnahmslos Vorstädte, theils ältere An-
siedelungen, die ursprünglich weit von der Stadt entfernt waren,
jetzt in ihrer unmittelbaren Nähe dank dem Vordringen der
letzteren liegen, theils neuere, meist aus groſsstädtischer Initiative
entstandene Bildungen. Unter den verschiedenen und zahlreichen
Gründen, denen diese Vorstädte ihr Entstehen oder ihre Entwicklung
verdanken, steht obenan, daſs eine Reihe von Verordnungen, nament-
lich baupolizeilicher Natur, welche die Groſsstadt treffen, dort kaum
Gültigkeit haben, und daſs gewinnbringender Speculation dort die
Thüren offen stehen. Oft führen sich solche Unternehmungen als
Villen-Colonieen ein, die, je nachdem, entweder dem Begüterten den
Genuſs reiner Luft und nervenstärkender Ruhe, oder dem Armen
die Wohlthat einer kleinen billigen Wohnung, auch wohl gar eines
kleinen eigenen Besitzes gegen ratenweise Abzahlung gewährleisten
wollen. Ist aber diese Lockspeise verzehrt, so ändern sich die Ver-
hältnisse: kann nur irgendwie auf Miether gerechnet werden, so
entstehen auch dort die üblichen mehrstöckigen Casernen, mit Brand-
mauern aneinandergelehnt, mit den kleinen Höfen und der nichts
weniger als nervenstärkenden Hauspolizei. Dann ist der Weg
höchster Ausnutzung des Grund und Bodens als Baustelle betreten,
und die Speculation gelangt in ihr bestimmtes, wenn auch noch mehr
oder minder günstiges Fahrwasser.

Die Ansprüche an Post, Telegraphie, Telephonie, an Eisenbahnen,
Pferdebahnen usw. für solche Vorstädte wachsen üppig empor;
Entrüstungs-Versammlungen über schlechte Behandlung mit dem
Hinweis darauf, daſs zwar die Einwohnerzahl eine solche Anlage
wohl noch nicht rechtfertige, aber die Anlage eine Einwohnerzahl
schaffen werde, welche dann die Anlage rentabel mache, lösen
sich mit Petitionen dringlichster Art ab. Den lautesten Rednern
winkt der Kranz der Gemeindevertretung.

So entstehen für die Groſsstadt die Uebelstände, daſs sich Vor-
städte um sie lagern, die, was Richtung, Breite oder Gefälle der
dortigen Straſsenzüge anbetrifft, oft ohne jede Rücksicht auf etwaige
Bedürfnisse der ersteren angelegt sind, und daſs dabei in der Regel
die Gemeindevertretungen in diesen Vorstädten zu nichts weniger
als zu einem billigen Entgegenkommen geneigt sind.

Erwägt man nun, daſs es gerade die vorstädtischen Gebiete sind

*) Die Zeichnungen folgen in der nächsten Nummer d. Bl.
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[375/0014] Nr. 36. Centralblatt der Bauverwaltung. Die modernen Aufgaben des groſsstädtischen Straſsenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungsnetze. Von Stadtbaurath Dr. J. Hobrecht in Berlin. (Fortsetzung). M. H. Fasse ich nun das Vorgesagte zusammen, so ist es m. E. nicht angängig, grundsätzlich Subways, so empfehlenswerth sie unter besonderen Umständen und namentlich bei Neuanlage ein- zelner Straſsen sein mögen, als das Mittel anzusehen, wodurch das Einlegen der Versorgungsnetze in die Straſsendämme und Bürgersteige, und damit weiter das häufige Aufbrechen des Pflasters vermieden werden könnte; Gasröhren in die Subways zu legen ist, man sage was man wolle, nicht als vollständig gefahrlos zu be- zeichnen; die Canalisation wird nur unter seltenen Umständen mit den Subways verbunden werden können, in den meisten Fällen nicht, da ein Anschwellen des Wassers in den Canälen bis zum Scheitel, ja, bis zur Straſsenhöhe, sodaſs also die Canäle unter Druck stehen, als möglich und unter Umständen als unvermeidlich zuzugeben ist. Canäle, bei welchen derartiges nicht vorkommen kann, würden meist unrationell groſs gemacht werden müssen, und oft würde dann für sie allein die Straſsendammbreite nicht ausreichen; es ist kaum möglich, Subways so groſs anzulegen, daſs sie den zukünftigen, mög- lichen Ansprüchen genügen, namentlich dann nicht, wenn wirklich genügend Platz rund um ein jedes Rohr verbleibt, um es auswechseln zu können, um die Muffenverbindungen, den Anstrich, die Seiten- anschlüsse usw. bequem ausführen zu können; man denke nur an den Raum, den die unentbehrlichen Schieber in den groſsen Leitungen verlangen müssen. Die Kosten sind zweifelsohne gewaltige, denn, wie die ausgehängten Zeichnungen *) lehren, ist fast das ganze Straſsen- areal einer Stadt gewissermaſsen mit einem Untergeschoſs zu bebauen, stark genug, um jede Verkehrsbelastung tragen zu können. Ob es vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege aus, namentlich bei Epidemieen, als zulässig erachtet werden kann, das Innere aller Häuser einer Stadt und dessen Luft gewissermaſsen durch ein gemeinsames Kellergeschoſs in Verbindung zu setzen, lasse ich da- hingestellt; ich möchte eine solche Gefahr nicht unbedingt ableugnen. Daſs endlich in vielen Städten — London kennt freilich derartiges kaum — der hohe Grundwasserstand und der Rückstau hoher Fluſs- wasserstände dem Bau ausreichend groſser und damit tiefer Subways auſserordentlich groſse Schwierigkeiten bereiten würde, ist leicht einzusehen. Gelingt es auch, diese Schwierigkeiten technisch zu über- winden, namentlich wenn keine Kosten gespart werden, so werden die Subways, soweit sie im Grundwasser stehen, doch immer feucht und dumpfig sein. Das Eisen der Leitungen wird dann wiederum vor- zugsweise gern rosten; nicht befestigter Boden der Subways zur Auf- nahme von Röhren ist natürlich ganz ausgeschlossen und, wie gesagt, in gleicher Weise die Hineinlegung der Canalisation in die Subways. Ich bin der Ansicht, 1. daſs die Anlage von Kohlenkellern oder ähnlichen Bauten unter den Bürgersteigen, wie in London, eine Ungehörigkeit ist, 2. daſs der Bürgersteig zunächst der eigentlich richtige Platz zur Unterbringung der Versorgungsnetze ist und bleibt, 3. daſs es sich deshalb grundsätzlich empfiehlt, dort die Ver- sorgungsnetze, und zwar in das Erdreich, einzubetten, 4. daſs definitives Pflaster unter keinen Umständen früher ausge- führt werden sollte, bevor nicht die Versorgungsleitungen, und nament- lich die Canalisation, sich dort an ihrer richtigen Stelle befinden. Es ist eine Frage, die sich aufdrängt und auch als unberechtigt nicht von der Hand gewiesen werden kann, ob es richtig ist, die Straſsendämme in ihrer ganzen Breite mit definitivem Pflaster zu versehen. Ist schon sicher die Hoffnung, die sich in der Bezeichnung „definitiv“ ausspricht, eine unrichtige — was in der Welt hätte über- haupt, und was nun gar in groſsstädtischen Anlagen einen dauernden Bestand? —, so bedarf es wirklich nur einiger Erfahrung, um mit Bestimmtheit vorauszusehen, daſs nach längerer oder kürzerer Frist die Ansprüche der Versorgungsnetze an diesem Definitivum wieder rütteln werden. Man könnte nun meinen, daſs es richtig sein möchte, das defini- tive Pflaster, wenn auch nicht ganz aufzugeben, so doch auf den mitt- leren Theil der Straſsendämme zu beschränken, sodaſs zu beiden Seiten des Dammes ein nicht definitiv befestigter Streifen verbliebe, der, als Reserve für die Versorgungsnetze, leichter aufgebrochen und leichter wiederhergestellt werden könnte. Bei näherer Erwägung wird aber auch dieser Gedanke aufgegeben werden müssen. Lieſse er sich allenfalls bei Steinpflaster zur Ausführung bringen, so ist er doch ganz undurchführbar bei Asphalt, und diesem gehört mehr und mehr die Zukunft: Hunderten von Petitionen um Asphaltirung einer Straſse steht noch nicht eine einzige um Herstellung eines definitiven Steinpflasters gegenüber. Der wesentlichste Vortheil des Asphalts ist, wie bekannt, die Geräuschlosigkeit; auf diesen Vortheil müſste aber nicht allein Verzicht geleistet werden, wenn Seitenstreifen des Dammes mit Stein gepflastert werden, nein — es würde ein für die Gehörnerven geradezu unerträglicher Zustand geschaffen werden; viel leichter ist es, ein gleichmäſsiges Rollen der Wagen über Stein- pflaster zu hören, als den steten Wechsel von Stein auf Asphalt und umgekehrt. Wir mögen uns damit trösten, daſs auſser der Straſsenbefestigung auf sehr vielen anderen Gebieten — ich nenne nur die Eisenbahnen — das Definitivum sich entsetzlich schnell wieder als ein Provisorium entpuppt, aber ändern können wir diesen Zustand nicht. Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, daſs es eine auch erfüll- bare Aufgabe ist, die Bürgersteig-Befestigung so einzurichten, daſs sie für Luft, Gas und Wasser eine nicht undurchdringliche Decke bildet; Undichtigkeiten der Leitungen müssen sich erkennbar machen können; dem aus den Röhren entweichenden Gas und Wasser darf nicht als einziger Weg der in die Gebäude belassen werden, in denen sie un- absehbaren Schaden anrichten können. M. H. Wenn nun aber in der Erbauung von Subways nur ausnahms- weise ein Mittel erblickt werden kann, den vorhandenen und stetig wachsenden Uebelständen der Straſsenaufbrüche zu begegnen, wenn ferner die Aufnahme der Leitungen in die Bürgersteige ihre Grenze hat, so müssen wir versuchen, in einer anderen, wenn auch weniger entschiedenen, weniger imponirenden Weise der Sache beizukommen; auf den Glanz eines kühnen chirurgischen Schnittes müssen wir dann freilich Verzicht leisten. Um die groſsen Städte herum, auſserhalb des Weichbildes der- selben sehen wir fast ausnahmslos Vorstädte, theils ältere An- siedelungen, die ursprünglich weit von der Stadt entfernt waren, jetzt in ihrer unmittelbaren Nähe dank dem Vordringen der letzteren liegen, theils neuere, meist aus groſsstädtischer Initiative entstandene Bildungen. Unter den verschiedenen und zahlreichen Gründen, denen diese Vorstädte ihr Entstehen oder ihre Entwicklung verdanken, steht obenan, daſs eine Reihe von Verordnungen, nament- lich baupolizeilicher Natur, welche die Groſsstadt treffen, dort kaum Gültigkeit haben, und daſs gewinnbringender Speculation dort die Thüren offen stehen. Oft führen sich solche Unternehmungen als Villen-Colonieen ein, die, je nachdem, entweder dem Begüterten den Genuſs reiner Luft und nervenstärkender Ruhe, oder dem Armen die Wohlthat einer kleinen billigen Wohnung, auch wohl gar eines kleinen eigenen Besitzes gegen ratenweise Abzahlung gewährleisten wollen. Ist aber diese Lockspeise verzehrt, so ändern sich die Ver- hältnisse: kann nur irgendwie auf Miether gerechnet werden, so entstehen auch dort die üblichen mehrstöckigen Casernen, mit Brand- mauern aneinandergelehnt, mit den kleinen Höfen und der nichts weniger als nervenstärkenden Hauspolizei. Dann ist der Weg höchster Ausnutzung des Grund und Bodens als Baustelle betreten, und die Speculation gelangt in ihr bestimmtes, wenn auch noch mehr oder minder günstiges Fahrwasser. Die Ansprüche an Post, Telegraphie, Telephonie, an Eisenbahnen, Pferdebahnen usw. für solche Vorstädte wachsen üppig empor; Entrüstungs-Versammlungen über schlechte Behandlung mit dem Hinweis darauf, daſs zwar die Einwohnerzahl eine solche Anlage wohl noch nicht rechtfertige, aber die Anlage eine Einwohnerzahl schaffen werde, welche dann die Anlage rentabel mache, lösen sich mit Petitionen dringlichster Art ab. Den lautesten Rednern winkt der Kranz der Gemeindevertretung. So entstehen für die Groſsstadt die Uebelstände, daſs sich Vor- städte um sie lagern, die, was Richtung, Breite oder Gefälle der dortigen Straſsenzüge anbetrifft, oft ohne jede Rücksicht auf etwaige Bedürfnisse der ersteren angelegt sind, und daſs dabei in der Regel die Gemeindevertretungen in diesen Vorstädten zu nichts weniger als zu einem billigen Entgegenkommen geneigt sind. Erwägt man nun, daſs es gerade die vorstädtischen Gebiete sind *) Die Zeichnungen folgen in der nächsten Nummer d. Bl.

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Zitationshilfe: Hobrecht, James: Die modernen Aufgaben des großstädtischen Straßenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungsnetze. In: Centralblatt der Bauverwaltung 10 (1890), Nr. 36, Sp. 353-356, Sp. 375-376, Nr. 37, Sp. 386-388, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hobrecht_strassenbau_1890/14>, abgerufen am 21.11.2024.