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Hobrecht, James: Die modernen Aufgaben des großstädtischen Straßenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungsnetze. In: Centralblatt der Bauverwaltung 10 (1890), Nr. 36, Sp. 353-356, Sp. 375-376, Nr. 37, Sp. 386-388.

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Die modernen Aufgaben des grossstädtischen Strassenbaues mit Rücksicht auf die
Unterbringung der Versorgungsnetze.

(Vortrag, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Hamburg
von Baurath Dr. James Hobrecht, Stadtbaurath in Berlin.)

[Spaltenumbruch]

Meine Herren!

Das Thema, welches mir für einen Vortrag seitens des Verbands-
Vorstandes der deutschen Architekten- und Ingenieur-Vereine gestellt
wurde, lautet:

"Die modernen Aufgaben des grossstädtischen Strassen-
baues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungs-
netze".

Ich muss vorab bemerken, dass dieses Thema, so verlockend es
auf den ersten Anblick zu sein scheint, und so sehr es einen Gegen-
stand berührt, der die Verwaltungen aller grossen Städte gewisser-
massen in Athem erhält, doch recht wenig geeignet ist, die Hörer,
und damit den Vortragenden selbst, befriedigen zu können; denn
wenn es allgemein wohl als erwünscht bezeichnet werden darf, dass
aus der Besprechung eines so ungewöhnlich wichtigen Gegenstandes,
von einer so hervorragenden Tribüne herab wie diejenige, auf welcher
ich mich zur Zeit befinde, auch die Namhaftmachung eines Abhülfs-
mittels gegen die allseits empfundenen Schwierigkeiten -- gewisser-
massen eines Specificums gegen die Krankheit, an welcher grossstädtische
Strassen durch die Versorgungsnetze leiden -- sich ergebe, so ist
auf ein solches Ergebniss im vorliegenden Falle nicht zu rechnen.
Zunächst weil niemand imstande ist, Umfang und Mass aller Ver-
sorgungsnetze, welche beanspruchen möchten, sich in die Strassen-
körper einzubauen, zu bestimmen. Zahl und Art derselben wächst von
Jahr zu Jahr; nur wer sich der irrthümlichen Auffassung hingiebt,
die Ansprüche grossstädtischer Bevölkerungen könnten überhaupt
gesättigt werden, die Erfindung werde aufhören thätig zu sein, oder
das Capital möchte erlahmen, nützlichen Erfindungen die Wege zur
Ausführung zu bahnen, wird darüber anders zu denken vermögen.

Hatte man früher sich meistens nur mit der Sorge zu beschäf-
tigen, Gas- und Wasserleitungen in den Strassen unterzubringen, so
gilt es jetzt schon, sich um einen angemessenen Platz für die Ent-
wässerungsl
eitungen, die elektrischen Beleuchtungskabel, die
verschiedensten Arten von Telegraphenkabeln, Telephonleitungen,
Druckluft- oder Druckwasserleitungen usw. zu mühen; ein Ende ist
in dieser Beziehung kaum abzusehen.

Ferner sind die Verhältnisse in Bezug auf Lage, Breite, Gefälle,
Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit in den verschiedenen Städten
so ausserordentlich verschieden, dass auch hieran die Verkündigung
eines allgemein gültigen Recepts gegen die erwähnten Erscheinungen
scheitern muss. Schon die Verschiedenheit in der Vermögenslage
[Spaltenumbruch] der Städte hat nothwendigerweise zur Folge, dass Stadt-Umgestal-
tungen, namentlich Strassendurchbrüche und Strassenverbreiterungen,
welche sonst ein wirksamstes Heilmittel wären, hier thunlich, dort
aber ganz unmöglich erscheinen. Die Aufstellung eines Normal-
Querschnitts für Strassen, der uns eine wohlabgemessene Anordnung
der Leitungen nach ihrer Höhen- und Breitenlage zeigte, wäre in
der That kaum mehr als ein Hirngespinnst, -- etwa ebenso werthlos
wie ein Normal-Grundriss für alle Hochbauten.

Um der Frage nun aber doch näher zu treten, wird es nützlich
sein, zunächst die Versorgungs-Netze, welche jetzt schon Strassen-
raum beanspruchen, zusammenzustellen. Als solche wären zu nennen:
1. Die Wasserleitung zur Versorgung der Wohnungen mit
Wasser für alle Arten des häuslichen Bedarfs;
2. Druckwasserleitungen zur Verrichtung von Arbeiten;
3. Gasleitungen zur Beleuchtung der Strassen und Häuser und
zum Betrieb von Maschinen;
4. Entwässerungsleitungen zur Fortführung von Regen und Ab-
wässern aus Strassen und Häusern;
5. gesonderte Entwässerungs-Leitungen für gebrauchte Wässer,
welche nicht verunreinigt sind, wie Kühlwässer, und für solche,
welche, wie Condensationswässer, zu hoch temperirt sind, oder welche
chemische Beimischungen haben, die, weil sie zerstörend auf Back-
stein und Mörtel wirken, von der Aufnahme in die gewöhnlichen
Entwässerungsleitungen ausgeschlossen werden müssen;
6. elektrische Beleuchtungsleitungen und zwar:
a) entweder Kabel, oder
b) Schienen, welche in Kästen (Monier-Kästen) oder Röhren
untergebracht werden;
7. Telegraphenleitungen für verschiedene Zwecke, und danach
gesonderte Systeme bildend, wie:
a) für das Reich (auswärtiges Amt, Militär),
b) für polizeiliche Zwecke,
c) für Feuerlösch-Zwecke,
d) für Zwecke der Post;
8. pneumatische Leitungen für Depeschen-Beförderung;
9. Telephonleitungen. Nachdem die weitere Ausbildung ober-
irdischer
Telephon-Netze vieler Orten sich als unmöglich heraus-
gestellt hat, werden jetzt die Leitungen unterirdisch verlegt. Bei-
spielsweise beansprucht die Telephon-Verwaltung in Berlin mehrfach


Die modernen Aufgaben des groſsstädtischen Straſsenbaues mit Rücksicht auf die
Unterbringung der Versorgungsnetze.

(Vortrag, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Hamburg
von Baurath Dr. James Hobrecht, Stadtbaurath in Berlin.)

[Spaltenumbruch]

Meine Herren!

Das Thema, welches mir für einen Vortrag seitens des Verbands-
Vorstandes der deutschen Architekten- und Ingenieur-Vereine gestellt
wurde, lautet:

„Die modernen Aufgaben des groſsstädtischen Straſsen-
baues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungs-
netze“.

Ich muſs vorab bemerken, daſs dieses Thema, so verlockend es
auf den ersten Anblick zu sein scheint, und so sehr es einen Gegen-
stand berührt, der die Verwaltungen aller groſsen Städte gewisser-
maſsen in Athem erhält, doch recht wenig geeignet ist, die Hörer,
und damit den Vortragenden selbst, befriedigen zu können; denn
wenn es allgemein wohl als erwünscht bezeichnet werden darf, daſs
aus der Besprechung eines so ungewöhnlich wichtigen Gegenstandes,
von einer so hervorragenden Tribüne herab wie diejenige, auf welcher
ich mich zur Zeit befinde, auch die Namhaftmachung eines Abhülfs-
mittels gegen die allseits empfundenen Schwierigkeiten — gewisser-
maſsen eines Specificums gegen die Krankheit, an welcher groſsstädtische
Straſsen durch die Versorgungsnetze leiden — sich ergebe, so ist
auf ein solches Ergebniſs im vorliegenden Falle nicht zu rechnen.
Zunächst weil niemand imstande ist, Umfang und Maſs aller Ver-
sorgungsnetze, welche beanspruchen möchten, sich in die Straſsen-
körper einzubauen, zu bestimmen. Zahl und Art derselben wächst von
Jahr zu Jahr; nur wer sich der irrthümlichen Auffassung hingiebt,
die Ansprüche groſsstädtischer Bevölkerungen könnten überhaupt
gesättigt werden, die Erfindung werde aufhören thätig zu sein, oder
das Capital möchte erlahmen, nützlichen Erfindungen die Wege zur
Ausführung zu bahnen, wird darüber anders zu denken vermögen.

Hatte man früher sich meistens nur mit der Sorge zu beschäf-
tigen, Gas- und Wasserleitungen in den Straſsen unterzubringen, so
gilt es jetzt schon, sich um einen angemessenen Platz für die Ent-
wässerungsl
eitungen, die elektrischen Beleuchtungskabel, die
verschiedensten Arten von Telegraphenkabeln, Telephonleitungen,
Druckluft- oder Druckwasserleitungen usw. zu mühen; ein Ende ist
in dieser Beziehung kaum abzusehen.

Ferner sind die Verhältnisse in Bezug auf Lage, Breite, Gefälle,
Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit in den verschiedenen Städten
so auſserordentlich verschieden, daſs auch hieran die Verkündigung
eines allgemein gültigen Recepts gegen die erwähnten Erscheinungen
scheitern muſs. Schon die Verschiedenheit in der Vermögenslage
[Spaltenumbruch] der Städte hat nothwendigerweise zur Folge, daſs Stadt-Umgestal-
tungen, namentlich Straſsendurchbrüche und Straſsenverbreiterungen,
welche sonst ein wirksamstes Heilmittel wären, hier thunlich, dort
aber ganz unmöglich erscheinen. Die Aufstellung eines Normal-
Querschnitts für Straſsen, der uns eine wohlabgemessene Anordnung
der Leitungen nach ihrer Höhen- und Breitenlage zeigte, wäre in
der That kaum mehr als ein Hirngespinnst, — etwa ebenso werthlos
wie ein Normal-Grundriſs für alle Hochbauten.

Um der Frage nun aber doch näher zu treten, wird es nützlich
sein, zunächst die Versorgungs-Netze, welche jetzt schon Straſsen-
raum beanspruchen, zusammenzustellen. Als solche wären zu nennen:
1. Die Wasserleitung zur Versorgung der Wohnungen mit
Wasser für alle Arten des häuslichen Bedarfs;
2. Druckwasserleitungen zur Verrichtung von Arbeiten;
3. Gasleitungen zur Beleuchtung der Straſsen und Häuser und
zum Betrieb von Maschinen;
4. Entwässerungsleitungen zur Fortführung von Regen und Ab-
wässern aus Straſsen und Häusern;
5. gesonderte Entwässerungs-Leitungen für gebrauchte Wässer,
welche nicht verunreinigt sind, wie Kühlwässer, und für solche,
welche, wie Condensationswässer, zu hoch temperirt sind, oder welche
chemische Beimischungen haben, die, weil sie zerstörend auf Back-
stein und Mörtel wirken, von der Aufnahme in die gewöhnlichen
Entwässerungsleitungen ausgeschlossen werden müssen;
6. elektrische Beleuchtungsleitungen und zwar:
a) entweder Kabel, oder
b) Schienen, welche in Kästen (Monier-Kästen) oder Röhren
untergebracht werden;
7. Telegraphenleitungen für verschiedene Zwecke, und danach
gesonderte Systeme bildend, wie:
a) für das Reich (auswärtiges Amt, Militär),
b) für polizeiliche Zwecke,
c) für Feuerlösch-Zwecke,
d) für Zwecke der Post;
8. pneumatische Leitungen für Depeschen-Beförderung;
9. Telephonleitungen. Nachdem die weitere Ausbildung ober-
irdischer
Telephon-Netze vieler Orten sich als unmöglich heraus-
gestellt hat, werden jetzt die Leitungen unterirdisch verlegt. Bei-
spielsweise beansprucht die Telephon-Verwaltung in Berlin mehrfach

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[353/0010] Die modernen Aufgaben des groſsstädtischen Straſsenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungsnetze. (Vortrag, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Hamburg von Baurath Dr. James Hobrecht, Stadtbaurath in Berlin.) Meine Herren! Das Thema, welches mir für einen Vortrag seitens des Verbands- Vorstandes der deutschen Architekten- und Ingenieur-Vereine gestellt wurde, lautet: „Die modernen Aufgaben des groſsstädtischen Straſsen- baues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungs- netze“. Ich muſs vorab bemerken, daſs dieses Thema, so verlockend es auf den ersten Anblick zu sein scheint, und so sehr es einen Gegen- stand berührt, der die Verwaltungen aller groſsen Städte gewisser- maſsen in Athem erhält, doch recht wenig geeignet ist, die Hörer, und damit den Vortragenden selbst, befriedigen zu können; denn wenn es allgemein wohl als erwünscht bezeichnet werden darf, daſs aus der Besprechung eines so ungewöhnlich wichtigen Gegenstandes, von einer so hervorragenden Tribüne herab wie diejenige, auf welcher ich mich zur Zeit befinde, auch die Namhaftmachung eines Abhülfs- mittels gegen die allseits empfundenen Schwierigkeiten — gewisser- maſsen eines Specificums gegen die Krankheit, an welcher groſsstädtische Straſsen durch die Versorgungsnetze leiden — sich ergebe, so ist auf ein solches Ergebniſs im vorliegenden Falle nicht zu rechnen. Zunächst weil niemand imstande ist, Umfang und Maſs aller Ver- sorgungsnetze, welche beanspruchen möchten, sich in die Straſsen- körper einzubauen, zu bestimmen. Zahl und Art derselben wächst von Jahr zu Jahr; nur wer sich der irrthümlichen Auffassung hingiebt, die Ansprüche groſsstädtischer Bevölkerungen könnten überhaupt gesättigt werden, die Erfindung werde aufhören thätig zu sein, oder das Capital möchte erlahmen, nützlichen Erfindungen die Wege zur Ausführung zu bahnen, wird darüber anders zu denken vermögen. Hatte man früher sich meistens nur mit der Sorge zu beschäf- tigen, Gas- und Wasserleitungen in den Straſsen unterzubringen, so gilt es jetzt schon, sich um einen angemessenen Platz für die Ent- wässerungsleitungen, die elektrischen Beleuchtungskabel, die verschiedensten Arten von Telegraphenkabeln, Telephonleitungen, Druckluft- oder Druckwasserleitungen usw. zu mühen; ein Ende ist in dieser Beziehung kaum abzusehen. Ferner sind die Verhältnisse in Bezug auf Lage, Breite, Gefälle, Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit in den verschiedenen Städten so auſserordentlich verschieden, daſs auch hieran die Verkündigung eines allgemein gültigen Recepts gegen die erwähnten Erscheinungen scheitern muſs. Schon die Verschiedenheit in der Vermögenslage der Städte hat nothwendigerweise zur Folge, daſs Stadt-Umgestal- tungen, namentlich Straſsendurchbrüche und Straſsenverbreiterungen, welche sonst ein wirksamstes Heilmittel wären, hier thunlich, dort aber ganz unmöglich erscheinen. Die Aufstellung eines Normal- Querschnitts für Straſsen, der uns eine wohlabgemessene Anordnung der Leitungen nach ihrer Höhen- und Breitenlage zeigte, wäre in der That kaum mehr als ein Hirngespinnst, — etwa ebenso werthlos wie ein Normal-Grundriſs für alle Hochbauten. Um der Frage nun aber doch näher zu treten, wird es nützlich sein, zunächst die Versorgungs-Netze, welche jetzt schon Straſsen- raum beanspruchen, zusammenzustellen. Als solche wären zu nennen: 1. Die Wasserleitung zur Versorgung der Wohnungen mit Wasser für alle Arten des häuslichen Bedarfs; 2. Druckwasserleitungen zur Verrichtung von Arbeiten; 3. Gasleitungen zur Beleuchtung der Straſsen und Häuser und zum Betrieb von Maschinen; 4. Entwässerungsleitungen zur Fortführung von Regen und Ab- wässern aus Straſsen und Häusern; 5. gesonderte Entwässerungs-Leitungen für gebrauchte Wässer, welche nicht verunreinigt sind, wie Kühlwässer, und für solche, welche, wie Condensationswässer, zu hoch temperirt sind, oder welche chemische Beimischungen haben, die, weil sie zerstörend auf Back- stein und Mörtel wirken, von der Aufnahme in die gewöhnlichen Entwässerungsleitungen ausgeschlossen werden müssen; 6. elektrische Beleuchtungsleitungen und zwar: a) entweder Kabel, oder b) Schienen, welche in Kästen (Monier-Kästen) oder Röhren untergebracht werden; 7. Telegraphenleitungen für verschiedene Zwecke, und danach gesonderte Systeme bildend, wie: a) für das Reich (auswärtiges Amt, Militär), b) für polizeiliche Zwecke, c) für Feuerlösch-Zwecke, d) für Zwecke der Post; 8. pneumatische Leitungen für Depeschen-Beförderung; 9. Telephonleitungen. Nachdem die weitere Ausbildung ober- irdischer Telephon-Netze vieler Orten sich als unmöglich heraus- gestellt hat, werden jetzt die Leitungen unterirdisch verlegt. Bei- spielsweise beansprucht die Telephon-Verwaltung in Berlin mehrfach

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Zitationshilfe: Hobrecht, James: Die modernen Aufgaben des großstädtischen Straßenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der Versorgungsnetze. In: Centralblatt der Bauverwaltung 10 (1890), Nr. 36, Sp. 353-356, Sp. 375-376, Nr. 37, Sp. 386-388, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hobrecht_strassenbau_1890/10>, abgerufen am 21.11.2024.