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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Vorbericht.
noch andern die Früchte nur eben anfiengen zu reifen. Doch giebt be-
sonders der zweyte Anhang dieses Bandes eine fast allgemeine Aussicht
über alle beträchtliche Gärten in Europa. Alle neue Beschreibun-
gen, womit dieser Band am meisten bereichert ist, sind von mir selbst
entworfen, wenn kein andrer Verfasser angeführt ist.

Ich muß hiebey bemerken, daß die eingerückten Beschreibun-
gen in der Zukunft nothwendig viel von ihrer Wahrheit verlieren müssen;
nothwendig, weil die Gärten den beständigen Veränderungen der Zeit
und des Menschen unterworfen sind. Schon an zwey bis drey Gär-
ten, die so reizend waren, kann ich jetzt nicht mehr ohne Wehmuth
denken; verlassen und verändert von neuen geschmacklosen Besitzern,
denen sie zufielen, trauern sie schon ihrem Untergange entgegen. Man
betrachte demnach die Beschreibungen davon als Kopien von Gemäl-
den, wovon die Originale sich verloren haben, oder von der Hand
der Zeit oder unwissender Ausbesserer unkenntlich geworden sind.

Es scheint ein glücklicher Zufall, daß diese Theorie gerade in ei-
nem Zeitpunkt erscheint, wo eine fast allgemeine Liebe der Gärten sich
durch Europa zu verbreiten angefangen hat. Der Geist der nütz-
lichen Gartenkultur belebt überall die wahren Patrioten, und wenig-
stens herrscht die unbedingte Nachahmung der englischen Manier überall
da, wo man keine andere Anleitung kennt. Man kann mit Recht
behaupten, daß fast alles, was Deutschland, Frankreich und
Norden an guten Gartenanlagen aufzuweisen haben, erst in der letz-
ten Hälfte dieses Jahrhunderts entstanden ist. Es gehört bloß zur
Geschichte dieser Theorie, zu bemerken, daß sie seit ihrer Erscheinung
schon manche glückliche Wirkung in verschiedenen Ländern, wohin sie
zum Theil durch die französische Uebersetzung gebracht ist, veran-
laßt hat.

Man
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Vorbericht.
noch andern die Fruͤchte nur eben anfiengen zu reifen. Doch giebt be-
ſonders der zweyte Anhang dieſes Bandes eine faſt allgemeine Ausſicht
uͤber alle betraͤchtliche Gaͤrten in Europa. Alle neue Beſchreibun-
gen, womit dieſer Band am meiſten bereichert iſt, ſind von mir ſelbſt
entworfen, wenn kein andrer Verfaſſer angefuͤhrt iſt.

Ich muß hiebey bemerken, daß die eingeruͤckten Beſchreibun-
gen in der Zukunft nothwendig viel von ihrer Wahrheit verlieren muͤſſen;
nothwendig, weil die Gaͤrten den beſtaͤndigen Veraͤnderungen der Zeit
und des Menſchen unterworfen ſind. Schon an zwey bis drey Gaͤr-
ten, die ſo reizend waren, kann ich jetzt nicht mehr ohne Wehmuth
denken; verlaſſen und veraͤndert von neuen geſchmackloſen Beſitzern,
denen ſie zufielen, trauern ſie ſchon ihrem Untergange entgegen. Man
betrachte demnach die Beſchreibungen davon als Kopien von Gemaͤl-
den, wovon die Originale ſich verloren haben, oder von der Hand
der Zeit oder unwiſſender Ausbeſſerer unkenntlich geworden ſind.

Es ſcheint ein gluͤcklicher Zufall, daß dieſe Theorie gerade in ei-
nem Zeitpunkt erſcheint, wo eine faſt allgemeine Liebe der Gaͤrten ſich
durch Europa zu verbreiten angefangen hat. Der Geiſt der nuͤtz-
lichen Gartenkultur belebt uͤberall die wahren Patrioten, und wenig-
ſtens herrſcht die unbedingte Nachahmung der engliſchen Manier uͤberall
da, wo man keine andere Anleitung kennt. Man kann mit Recht
behaupten, daß faſt alles, was Deutſchland, Frankreich und
Norden an guten Gartenanlagen aufzuweiſen haben, erſt in der letz-
ten Haͤlfte dieſes Jahrhunderts entſtanden iſt. Es gehoͤrt bloß zur
Geſchichte dieſer Theorie, zu bemerken, daß ſie ſeit ihrer Erſcheinung
ſchon manche gluͤckliche Wirkung in verſchiedenen Laͤndern, wohin ſie
zum Theil durch die franzoͤſiſche Ueberſetzung gebracht iſt, veran-
laßt hat.

Man
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[V/0005] Vorbericht. noch andern die Fruͤchte nur eben anfiengen zu reifen. Doch giebt be- ſonders der zweyte Anhang dieſes Bandes eine faſt allgemeine Ausſicht uͤber alle betraͤchtliche Gaͤrten in Europa. Alle neue Beſchreibun- gen, womit dieſer Band am meiſten bereichert iſt, ſind von mir ſelbſt entworfen, wenn kein andrer Verfaſſer angefuͤhrt iſt. Ich muß hiebey bemerken, daß die eingeruͤckten Beſchreibun- gen in der Zukunft nothwendig viel von ihrer Wahrheit verlieren muͤſſen; nothwendig, weil die Gaͤrten den beſtaͤndigen Veraͤnderungen der Zeit und des Menſchen unterworfen ſind. Schon an zwey bis drey Gaͤr- ten, die ſo reizend waren, kann ich jetzt nicht mehr ohne Wehmuth denken; verlaſſen und veraͤndert von neuen geſchmackloſen Beſitzern, denen ſie zufielen, trauern ſie ſchon ihrem Untergange entgegen. Man betrachte demnach die Beſchreibungen davon als Kopien von Gemaͤl- den, wovon die Originale ſich verloren haben, oder von der Hand der Zeit oder unwiſſender Ausbeſſerer unkenntlich geworden ſind. Es ſcheint ein gluͤcklicher Zufall, daß dieſe Theorie gerade in ei- nem Zeitpunkt erſcheint, wo eine faſt allgemeine Liebe der Gaͤrten ſich durch Europa zu verbreiten angefangen hat. Der Geiſt der nuͤtz- lichen Gartenkultur belebt uͤberall die wahren Patrioten, und wenig- ſtens herrſcht die unbedingte Nachahmung der engliſchen Manier uͤberall da, wo man keine andere Anleitung kennt. Man kann mit Recht behaupten, daß faſt alles, was Deutſchland, Frankreich und Norden an guten Gartenanlagen aufzuweiſen haben, erſt in der letz- ten Haͤlfte dieſes Jahrhunderts entſtanden iſt. Es gehoͤrt bloß zur Geſchichte dieſer Theorie, zu bemerken, daß ſie ſeit ihrer Erſcheinung ſchon manche gluͤckliche Wirkung in verſchiedenen Laͤndern, wohin ſie zum Theil durch die franzoͤſiſche Ueberſetzung gebracht iſt, veran- laßt hat. Man 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/5>, abgerufen am 27.04.2024.