Hier ist der rührende Augenblick, da ich euch verlassen soll, unschuldige Ge- spielinn meiner Jugend, holdselige Natur, und du, ihre jüngste Tochter und Schü- lerinn, schöne Gartenkunst, beste Gesellschafterinn meiner männlichen Jahre. Wie der Bräutigam, seine junge Verlobte, von der ihn das Schicksal sich trennen heißt, mit der Thräne der Zärtlichkeit noch einmal anzublicken, mit der lauten Sehnsucht nach der Wiederumarmung noch einmal nach ihr zurückzuschauen, vor den Augen der umstehenden Freunde nicht erröthet; so scheide ich jetzt von dir, geliebte Gartenkunst, Schöpferinn der süßesten, der edelsten, der beständigsten Freuden, die auf der Bahn des Lebens blühen, der Freuden für jedes Alter, für jeden Stand, für jede Situa- tion des Menschen, der Freuden, die der Bürger mit den Königen theilt. Schöne, durch alle Jahrhunderte nie verblühende, alle empfindende Nationen immer entzü- ckende Natur, die du für den Menschen so reizend bist, und für die der gute Mensch so fühlend ist, o! du, die ihn ergötzt und ihn tröstet, die ihn erquickt und ihn be- lehrt, die ihn bildet und ihm durch tausend abwechselnde Auftritte Befriedigung aller Bedürfnisse, Unterhaltung aller Empfindungen entgegenträgt -- laß dir dieß Werk gefallen, das sich bestrebte, die Kunst der Gärten zu dir, ihrer wahren Lehrerinn, zurückzuführen, von dem eiteln Pomp und von dem falschen Wahn, der sie von dir trennte. Und indem du durch Wahrheit, durch Einfalt, durch Grazie herrschest und alle deine Bildungen mit ihrem Geiste belebst, so schlage durch ihr mächtiges Gefühl das letzte Vorurtheil der Zeit nieder, laß den gereinigten Geschmack auf dei- nen Flügeln siegreich emporsteigen, und überall die große Erfahrung verbreiten:
Gott schuf die Welt, und der Mensch verschönert sie.
Verzeich-
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten ꝛc.
Beſchluß.
Hier iſt der ruͤhrende Augenblick, da ich euch verlaſſen ſoll, unſchuldige Ge- ſpielinn meiner Jugend, holdſelige Natur, und du, ihre juͤngſte Tochter und Schuͤ- lerinn, ſchoͤne Gartenkunſt, beſte Geſellſchafterinn meiner maͤnnlichen Jahre. Wie der Braͤutigam, ſeine junge Verlobte, von der ihn das Schickſal ſich trennen heißt, mit der Thraͤne der Zaͤrtlichkeit noch einmal anzublicken, mit der lauten Sehnſucht nach der Wiederumarmung noch einmal nach ihr zuruͤckzuſchauen, vor den Augen der umſtehenden Freunde nicht erroͤthet; ſo ſcheide ich jetzt von dir, geliebte Gartenkunſt, Schoͤpferinn der ſuͤßeſten, der edelſten, der beſtaͤndigſten Freuden, die auf der Bahn des Lebens bluͤhen, der Freuden fuͤr jedes Alter, fuͤr jeden Stand, fuͤr jede Situa- tion des Menſchen, der Freuden, die der Buͤrger mit den Koͤnigen theilt. Schoͤne, durch alle Jahrhunderte nie verbluͤhende, alle empfindende Nationen immer entzuͤ- ckende Natur, die du fuͤr den Menſchen ſo reizend biſt, und fuͤr die der gute Menſch ſo fuͤhlend iſt, o! du, die ihn ergoͤtzt und ihn troͤſtet, die ihn erquickt und ihn be- lehrt, die ihn bildet und ihm durch tauſend abwechſelnde Auftritte Befriedigung aller Beduͤrfniſſe, Unterhaltung aller Empfindungen entgegentraͤgt — laß dir dieß Werk gefallen, das ſich beſtrebte, die Kunſt der Gaͤrten zu dir, ihrer wahren Lehrerinn, zuruͤckzufuͤhren, von dem eiteln Pomp und von dem falſchen Wahn, der ſie von dir trennte. Und indem du durch Wahrheit, durch Einfalt, durch Grazie herrſcheſt und alle deine Bildungen mit ihrem Geiſte belebſt, ſo ſchlage durch ihr maͤchtiges Gefuͤhl das letzte Vorurtheil der Zeit nieder, laß den gereinigten Geſchmack auf dei- nen Fluͤgeln ſiegreich emporſteigen, und uͤberall die große Erfahrung verbreiten:
Gott ſchuf die Welt, und der Menſch verſchoͤnert ſie.
Verzeich-
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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten ꝛc.
Beſchluß.
Hier iſt der ruͤhrende Augenblick, da ich euch verlaſſen ſoll, unſchuldige Ge-
ſpielinn meiner Jugend, holdſelige Natur, und du, ihre juͤngſte Tochter und Schuͤ-
lerinn, ſchoͤne Gartenkunſt, beſte Geſellſchafterinn meiner maͤnnlichen Jahre. Wie
der Braͤutigam, ſeine junge Verlobte, von der ihn das Schickſal ſich trennen heißt,
mit der Thraͤne der Zaͤrtlichkeit noch einmal anzublicken, mit der lauten Sehnſucht
nach der Wiederumarmung noch einmal nach ihr zuruͤckzuſchauen, vor den Augen der
umſtehenden Freunde nicht erroͤthet; ſo ſcheide ich jetzt von dir, geliebte Gartenkunſt,
Schoͤpferinn der ſuͤßeſten, der edelſten, der beſtaͤndigſten Freuden, die auf der Bahn
des Lebens bluͤhen, der Freuden fuͤr jedes Alter, fuͤr jeden Stand, fuͤr jede Situa-
tion des Menſchen, der Freuden, die der Buͤrger mit den Koͤnigen theilt. Schoͤne,
durch alle Jahrhunderte nie verbluͤhende, alle empfindende Nationen immer entzuͤ-
ckende Natur, die du fuͤr den Menſchen ſo reizend biſt, und fuͤr die der gute Menſch
ſo fuͤhlend iſt, o! du, die ihn ergoͤtzt und ihn troͤſtet, die ihn erquickt und ihn be-
lehrt, die ihn bildet und ihm durch tauſend abwechſelnde Auftritte Befriedigung aller
Beduͤrfniſſe, Unterhaltung aller Empfindungen entgegentraͤgt — laß dir dieß Werk
gefallen, das ſich beſtrebte, die Kunſt der Gaͤrten zu dir, ihrer wahren Lehrerinn,
zuruͤckzufuͤhren, von dem eiteln Pomp und von dem falſchen Wahn, der ſie von dir
trennte. Und indem du durch Wahrheit, durch Einfalt, durch Grazie herrſcheſt
und alle deine Bildungen mit ihrem Geiſte belebſt, ſo ſchlage durch ihr maͤchtiges
Gefuͤhl das letzte Vorurtheil der Zeit nieder, laß den gereinigten Geſchmack auf dei-
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/372>, abgerufen am 21.12.2024.
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