Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
kühlen, fast unterirdischen Spaziergang bey heißem Wetter, hört das Geräusche des
Wassers, und wird von keinen Ausdünstungen beschwert, indem es beständig seinen
Zufluß wieder den Röhren abliefert und durchstreichende Lust hat. Ueber dem Ge-
wölbe liegt ein Saal mit verschiedenen Nebengemächern, die aber, die Aussicht aus-
genommen, nichts Angenehmes haben. Der äußere Anstrich dieser nützlichen Was-
serburg verdiente, anstatt der vielen bunten Farben, auf eine mehr gefallende Ein-
färbigkeit zurück gebracht zu werden.

Nahe dabey liegt das Schießhaus, das von einer etwas sonderbaren, aber
seiter Bistimmung gemäßen Bauart ist. Es besteht aus einer länglichen Arcade,
[] deren beyden Ecken sich zwey Kubinette besinden. Aus den Arcaden wird ge-
schossen, und in den Kabinetten gespeist. Hinter einem jeden von diesen beyden Ge-
mächern geht eine bequeme Treppe nach dem flachen Dach des Gebäudes hinauf,
das mit einem Geländer umgeben ist. Auf jeder Ecke dieses Dachs führt wieder
eine kleine Treppe zu zwey Thürmen hinauf, deren offener Bezirk mit einem Ge-
länder umgeben und von einer auf eisernen Stangen ruhenden leichten Kupel bedeckt
ist. Sie geben die größte Höhe dieser Gegenden. Die Aussicht ist ausgebreitet
und entzückend. Man übersieht verschiedene Städte und viele Dörfer, tief im
Grunde Bruchsal mit seinem Schlosse und seinen Kirchthürmen, und näher rings
umher Weinberge, die zur Zeit der Lese ein fröhliches Getümmel darstellen, das hier
ganz überscha[u]et wird.

Der jetzige Fürst hat zu Kieslau, einem Lustschloß an der Straße noch
Bruchsal, ein englisches Lustgebüsch anlegen lassen, worinn sich verschiedene aus-
ländische Bäume befinden. Die Anlage zeigt aber eben so wenig Geschmack, als
die zu Waghensel, einem andern Lustschloß, wo man eine sogenannte Einfiedeley
mit vier Pavillons umgeben, und selbst die Pflanzung nach ihnen symmetrisch geord-
net hat. Ein naher schöner Wald ist hier ganz ungenutzt geblieben. Man liebt
hier noch nicht das Freye und Edle der Natur und des Geschmacks, und das Genie
der Gärtner ist dadurch gefesselt.

12.

Die Solitüde, ein berühmtes Lustschloß, nicht weit von Stuttgard, ist
von dem jetzt regierenden Herrn Herzog von Würtemberg angelegt. Die Gärten
sind noch in der Manier der vorigen Zeit *); doch sieht man eine Menge von Obst-

bäumen
*) Man hat davon einen großen topo-
graphischen Plan von Fischer gezeichnet und
von Abel gestochen. Es werden auch näch-
[Spaltenumbruch] stens Abbildungen vom Lustschloß, vom
Lorbeersaal u. s. w. herauskommen.

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
kuͤhlen, faſt unterirdiſchen Spaziergang bey heißem Wetter, hoͤrt das Geraͤuſche des
Waſſers, und wird von keinen Ausduͤnſtungen beſchwert, indem es beſtaͤndig ſeinen
Zufluß wieder den Roͤhren abliefert und durchſtreichende Luſt hat. Ueber dem Ge-
woͤlbe liegt ein Saal mit verſchiedenen Nebengemaͤchern, die aber, die Ausſicht aus-
genommen, nichts Angenehmes haben. Der aͤußere Anſtrich dieſer nuͤtzlichen Waſ-
ſerburg verdiente, anſtatt der vielen bunten Farben, auf eine mehr gefallende Ein-
faͤrbigkeit zuruͤck gebracht zu werden.

Nahe dabey liegt das Schießhaus, das von einer etwas ſonderbaren, aber
ſeiter Biſtimmung gemaͤßen Bauart iſt. Es beſteht aus einer laͤnglichen Arcade,
[] deren beyden Ecken ſich zwey Kubinette beſinden. Aus den Arcaden wird ge-
ſchoſſen, und in den Kabinetten geſpeiſt. Hinter einem jeden von dieſen beyden Ge-
maͤchern geht eine bequeme Treppe nach dem flachen Dach des Gebaͤudes hinauf,
das mit einem Gelaͤnder umgeben iſt. Auf jeder Ecke dieſes Dachs fuͤhrt wieder
eine kleine Treppe zu zwey Thuͤrmen hinauf, deren offener Bezirk mit einem Ge-
laͤnder umgeben und von einer auf eiſernen Stangen ruhenden leichten Kupel bedeckt
iſt. Sie geben die groͤßte Hoͤhe dieſer Gegenden. Die Ausſicht iſt ausgebreitet
und entzuͤckend. Man uͤberſieht verſchiedene Staͤdte und viele Doͤrfer, tief im
Grunde Bruchſal mit ſeinem Schloſſe und ſeinen Kirchthuͤrmen, und naͤher rings
umher Weinberge, die zur Zeit der Leſe ein froͤhliches Getuͤmmel darſtellen, das hier
ganz uͤberſcha[u]et wird.

Der jetzige Fuͤrſt hat zu Kieslau, einem Luſtſchloß an der Straße noch
Bruchſal, ein engliſches Luſtgebuͤſch anlegen laſſen, worinn ſich verſchiedene aus-
laͤndiſche Baͤume befinden. Die Anlage zeigt aber eben ſo wenig Geſchmack, als
die zu Waghenſel, einem andern Luſtſchloß, wo man eine ſogenannte Einfiedeley
mit vier Pavillons umgeben, und ſelbſt die Pflanzung nach ihnen ſymmetriſch geord-
net hat. Ein naher ſchoͤner Wald iſt hier ganz ungenutzt geblieben. Man liebt
hier noch nicht das Freye und Edle der Natur und des Geſchmacks, und das Genie
der Gaͤrtner iſt dadurch gefeſſelt.

12.

Die Solituͤde, ein beruͤhmtes Luſtſchloß, nicht weit von Stuttgard, iſt
von dem jetzt regierenden Herrn Herzog von Wuͤrtemberg angelegt. Die Gaͤrten
ſind noch in der Manier der vorigen Zeit *); doch ſieht man eine Menge von Obſt-

baͤumen
*) Man hat davon einen großen topo-
graphiſchen Plan von Fiſcher gezeichnet und
von Abel geſtochen. Es werden auch naͤch-
[Spaltenumbruch] ſtens Abbildungen vom Luſtſchloß, vom
Lorbeerſaal u. ſ. w. herauskommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0356" n="348"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Ga&#x0364;rten,</hi></fw><lb/>
ku&#x0364;hlen, fa&#x017F;t unterirdi&#x017F;chen Spaziergang bey heißem Wetter, ho&#x0364;rt das Gera&#x0364;u&#x017F;che des<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ers, und wird von keinen Ausdu&#x0364;n&#x017F;tungen be&#x017F;chwert, indem es be&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;einen<lb/>
Zufluß wieder den Ro&#x0364;hren abliefert und durch&#x017F;treichende Lu&#x017F;t hat. Ueber dem Ge-<lb/>
wo&#x0364;lbe liegt ein Saal mit ver&#x017F;chiedenen Nebengema&#x0364;chern, die aber, die Aus&#x017F;icht aus-<lb/>
genommen, nichts Angenehmes haben. Der a&#x0364;ußere An&#x017F;trich die&#x017F;er nu&#x0364;tzlichen Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erburg verdiente, an&#x017F;tatt der vielen bunten Farben, auf eine mehr gefallende Ein-<lb/>
fa&#x0364;rbigkeit zuru&#x0364;ck gebracht zu werden.</p><lb/>
            <p>Nahe dabey liegt das Schießhaus, das von einer etwas &#x017F;onderbaren, aber<lb/>
&#x017F;eiter <hi rendition="#fr">Bi&#x017F;timmung</hi> gema&#x0364;ßen Bauart i&#x017F;t. Es be&#x017F;teht aus einer la&#x0364;nglichen Arcade,<lb/><gap/> deren beyden Ecken &#x017F;ich zwey Kubinette be&#x017F;inden. Aus den Arcaden wird ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, und in den Kabinetten ge&#x017F;pei&#x017F;t. Hinter einem jeden von die&#x017F;en beyden Ge-<lb/>
ma&#x0364;chern geht eine bequeme Treppe nach dem flachen Dach des Geba&#x0364;udes hinauf,<lb/>
das mit einem Gela&#x0364;nder umgeben i&#x017F;t. Auf jeder Ecke die&#x017F;es Dachs fu&#x0364;hrt wieder<lb/>
eine kleine Treppe zu zwey Thu&#x0364;rmen hinauf, deren offener Bezirk mit einem Ge-<lb/>
la&#x0364;nder umgeben und von einer auf ei&#x017F;ernen Stangen ruhenden leichten Kupel bedeckt<lb/>
i&#x017F;t. Sie geben die gro&#x0364;ßte Ho&#x0364;he die&#x017F;er Gegenden. Die Aus&#x017F;icht i&#x017F;t ausgebreitet<lb/>
und entzu&#x0364;ckend. Man u&#x0364;ber&#x017F;ieht ver&#x017F;chiedene Sta&#x0364;dte und viele Do&#x0364;rfer, tief im<lb/>
Grunde <hi rendition="#fr">Bruch&#x017F;al</hi> mit &#x017F;einem Schlo&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;einen Kirchthu&#x0364;rmen, und na&#x0364;her rings<lb/>
umher Weinberge, die zur Zeit der Le&#x017F;e ein fro&#x0364;hliches Getu&#x0364;mmel dar&#x017F;tellen, das hier<lb/>
ganz u&#x0364;ber&#x017F;cha<supplied>u</supplied>et wird.</p><lb/>
            <p>Der jetzige Fu&#x0364;r&#x017F;t hat zu <hi rendition="#fr">Kieslau,</hi> einem Lu&#x017F;t&#x017F;chloß an der Straße noch<lb/><hi rendition="#fr">Bruch&#x017F;al,</hi> ein <hi rendition="#fr">engli&#x017F;ches</hi> Lu&#x017F;tgebu&#x0364;&#x017F;ch anlegen la&#x017F;&#x017F;en, worinn &#x017F;ich ver&#x017F;chiedene aus-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;che Ba&#x0364;ume befinden. Die Anlage zeigt aber eben &#x017F;o wenig Ge&#x017F;chmack, als<lb/>
die zu <hi rendition="#fr">Waghen&#x017F;el,</hi> einem andern Lu&#x017F;t&#x017F;chloß, wo man eine &#x017F;ogenannte Einfiedeley<lb/>
mit vier Pavillons umgeben, und &#x017F;elb&#x017F;t die Pflanzung nach ihnen &#x017F;ymmetri&#x017F;ch geord-<lb/>
net hat. Ein naher &#x017F;cho&#x0364;ner Wald i&#x017F;t hier ganz ungenutzt geblieben. Man liebt<lb/>
hier noch nicht das Freye und Edle der Natur und des Ge&#x017F;chmacks, und das Genie<lb/>
der Ga&#x0364;rtner i&#x017F;t dadurch gefe&#x017F;&#x017F;elt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">12.</hi> </head><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Solitu&#x0364;de,</hi> ein beru&#x0364;hmtes Lu&#x017F;t&#x017F;chloß, nicht weit von <hi rendition="#fr">Stuttgard,</hi> i&#x017F;t<lb/>
von dem jetzt regierenden Herrn Herzog von <hi rendition="#fr">Wu&#x0364;rtemberg</hi> angelegt. Die Ga&#x0364;rten<lb/>
&#x017F;ind noch in der Manier der vorigen Zeit <note place="foot" n="*)">Man hat davon einen großen topo-<lb/>
graphi&#x017F;chen Plan von Fi&#x017F;cher gezeichnet und<lb/>
von Abel ge&#x017F;tochen. Es werden auch na&#x0364;ch-<lb/><cb/>
&#x017F;tens Abbildungen vom Lu&#x017F;t&#x017F;chloß, vom<lb/>
Lorbeer&#x017F;aal u. &#x017F;. w. herauskommen.</note>; doch &#x017F;ieht man eine Menge von Ob&#x017F;t-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ba&#x0364;umen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0356] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, kuͤhlen, faſt unterirdiſchen Spaziergang bey heißem Wetter, hoͤrt das Geraͤuſche des Waſſers, und wird von keinen Ausduͤnſtungen beſchwert, indem es beſtaͤndig ſeinen Zufluß wieder den Roͤhren abliefert und durchſtreichende Luſt hat. Ueber dem Ge- woͤlbe liegt ein Saal mit verſchiedenen Nebengemaͤchern, die aber, die Ausſicht aus- genommen, nichts Angenehmes haben. Der aͤußere Anſtrich dieſer nuͤtzlichen Waſ- ſerburg verdiente, anſtatt der vielen bunten Farben, auf eine mehr gefallende Ein- faͤrbigkeit zuruͤck gebracht zu werden. Nahe dabey liegt das Schießhaus, das von einer etwas ſonderbaren, aber ſeiter Biſtimmung gemaͤßen Bauart iſt. Es beſteht aus einer laͤnglichen Arcade, _ deren beyden Ecken ſich zwey Kubinette beſinden. Aus den Arcaden wird ge- ſchoſſen, und in den Kabinetten geſpeiſt. Hinter einem jeden von dieſen beyden Ge- maͤchern geht eine bequeme Treppe nach dem flachen Dach des Gebaͤudes hinauf, das mit einem Gelaͤnder umgeben iſt. Auf jeder Ecke dieſes Dachs fuͤhrt wieder eine kleine Treppe zu zwey Thuͤrmen hinauf, deren offener Bezirk mit einem Ge- laͤnder umgeben und von einer auf eiſernen Stangen ruhenden leichten Kupel bedeckt iſt. Sie geben die groͤßte Hoͤhe dieſer Gegenden. Die Ausſicht iſt ausgebreitet und entzuͤckend. Man uͤberſieht verſchiedene Staͤdte und viele Doͤrfer, tief im Grunde Bruchſal mit ſeinem Schloſſe und ſeinen Kirchthuͤrmen, und naͤher rings umher Weinberge, die zur Zeit der Leſe ein froͤhliches Getuͤmmel darſtellen, das hier ganz uͤberſchauet wird. Der jetzige Fuͤrſt hat zu Kieslau, einem Luſtſchloß an der Straße noch Bruchſal, ein engliſches Luſtgebuͤſch anlegen laſſen, worinn ſich verſchiedene aus- laͤndiſche Baͤume befinden. Die Anlage zeigt aber eben ſo wenig Geſchmack, als die zu Waghenſel, einem andern Luſtſchloß, wo man eine ſogenannte Einfiedeley mit vier Pavillons umgeben, und ſelbſt die Pflanzung nach ihnen ſymmetriſch geord- net hat. Ein naher ſchoͤner Wald iſt hier ganz ungenutzt geblieben. Man liebt hier noch nicht das Freye und Edle der Natur und des Geſchmacks, und das Genie der Gaͤrtner iſt dadurch gefeſſelt. 12. Die Solituͤde, ein beruͤhmtes Luſtſchloß, nicht weit von Stuttgard, iſt von dem jetzt regierenden Herrn Herzog von Wuͤrtemberg angelegt. Die Gaͤrten ſind noch in der Manier der vorigen Zeit *); doch ſieht man eine Menge von Obſt- baͤumen *) Man hat davon einen großen topo- graphiſchen Plan von Fiſcher gezeichnet und von Abel geſtochen. Es werden auch naͤch- ſtens Abbildungen vom Luſtſchloß, vom Lorbeerſaal u. ſ. w. herauskommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/356
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/356>, abgerufen am 21.11.2024.