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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
Art in Deutschland. Die Gartenanlagen umher kündigen mit ihren Verzierungen
Kunst und Aufwand an, aber zugleich noch die Anhänglichkeit an die steife Manier der
vorigen Zeit. Wie mannichfaltig hätte nicht das mit so vielen Kosten herbeygeleitete
Wasser in einem angenehmen, mit Gängen und Aussichten durchschnittenen, und
mit vielem Wild angefüllten Gehölze, genutzt werden können, anstatt daß es nun in
einem langen, geraden, einförmigen Kanal ermüdet, und nur mit künstlichen Kasca-
den und Wassersprüngen abwechselt, an deren Seiten sich festungsmäßige Wälle
erheben! -- An eben diesem Ort hat der Prinz Franz, Nachfolger in der Regie-
rung, bey seiner Wohnung einen schönen Garten im verbesserten Geschmack angelegt.
Inzwischen verdienen die Gegenden um Schwerin mit dem herrlichen See und den
umkränzenden Wäldern den Vorzug zu neuen veredelten Anlagen.

2.

Im Braunschweigischen fragt man nach Vechelde, wie man vormals nach
Chantilly fragte, als hier der große Conde' auf seinem Lustschlosse, gegen den
Abend seines Lebens, von seinen Siegen ruhete. Der Prinz schien hier den unfterb-
lichen Ruhm seiner Thaten, wie einen vergangenen Tag, zu vergessen; er lebte nur
noch den sanften Tugenden des Friedens, und der Ehre der Wissenschaften; er ließ
oft Gelehrte zu sich kommen, schrieb an sie, und beurtheilte ihre Werke eben so rich-
tig, als er Plan, Anordnung und Erfolg in Lägern und Schlachten zu beurtheilen
gewohnt war. Wie Conde' ruhete, so ruhet Ferdinand, aber thätiger noch für
die Menschheit und die Wissenschaften, und glücklicher, indem er die unverwelklichen
Lorbeern, welche die ehrwürdige Stirne des Helden überschatten wollten, ganz in
die bescheidne Laube des Privatmanns verflochten hat. Es ist ein sicherer Beweis
von der Menschenfreundschaft eines großen Helden und von der Milde seiner Seele,
wenn er nach seinen Siegen die stille Einfalt der Natur wieder liebt, die Wiesen und
Aecker um sich her zu seinem Vergnügen blühen läßt, und es sich zum frohen Ge-
schäfte macht, seinem Garten neue Fruchtbäume zu erziehen. Vechelde zeigt eine
ruhige Ländlichkeit und eine erhabene Genügsamkeit, die allen leeren Prunk verwirft.
Ein Dorf, ein Fischteich, Wiesen, Korngefilde, Wald, diese bloß ländlichen Ge-
genstände, machen die Gränze und die Aussichten des Gartens. Die ökonomische
Einrichtung dieses Landsitzes hat alle Bedürfnisse und alle Ergötzungen des Landlebens
in ihrem Plan umfaßt, und sie alle befriedigt. Und neue Pflanzungen von Bäu-
men und Sträuchern voll Blüthen und Düfte, bald aus Italien, bald aus Nord-
amerika
, bald aus andern entgegengesetzten Himmelsstrichen, unterhalten, mit dem
Geräusch eines kleinen Flusses, das Vergnügen des feinen Gartenkenners.

Nahe

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
Art in Deutſchland. Die Gartenanlagen umher kuͤndigen mit ihren Verzierungen
Kunſt und Aufwand an, aber zugleich noch die Anhaͤnglichkeit an die ſteife Manier der
vorigen Zeit. Wie mannichfaltig haͤtte nicht das mit ſo vielen Koſten herbeygeleitete
Waſſer in einem angenehmen, mit Gaͤngen und Ausſichten durchſchnittenen, und
mit vielem Wild angefuͤllten Gehoͤlze, genutzt werden koͤnnen, anſtatt daß es nun in
einem langen, geraden, einfoͤrmigen Kanal ermuͤdet, und nur mit kuͤnſtlichen Kaſca-
den und Waſſerſpruͤngen abwechſelt, an deren Seiten ſich feſtungsmaͤßige Waͤlle
erheben! — An eben dieſem Ort hat der Prinz Franz, Nachfolger in der Regie-
rung, bey ſeiner Wohnung einen ſchoͤnen Garten im verbeſſerten Geſchmack angelegt.
Inzwiſchen verdienen die Gegenden um Schwerin mit dem herrlichen See und den
umkraͤnzenden Waͤldern den Vorzug zu neuen veredelten Anlagen.

2.

Im Braunſchweigiſchen fragt man nach Vechelde, wie man vormals nach
Chantilly fragte, als hier der große Conde’ auf ſeinem Luſtſchloſſe, gegen den
Abend ſeines Lebens, von ſeinen Siegen ruhete. Der Prinz ſchien hier den unfterb-
lichen Ruhm ſeiner Thaten, wie einen vergangenen Tag, zu vergeſſen; er lebte nur
noch den ſanften Tugenden des Friedens, und der Ehre der Wiſſenſchaften; er ließ
oft Gelehrte zu ſich kommen, ſchrieb an ſie, und beurtheilte ihre Werke eben ſo rich-
tig, als er Plan, Anordnung und Erfolg in Laͤgern und Schlachten zu beurtheilen
gewohnt war. Wie Conde’ ruhete, ſo ruhet Ferdinand, aber thaͤtiger noch fuͤr
die Menſchheit und die Wiſſenſchaften, und gluͤcklicher, indem er die unverwelklichen
Lorbeern, welche die ehrwuͤrdige Stirne des Helden uͤberſchatten wollten, ganz in
die beſcheidne Laube des Privatmanns verflochten hat. Es iſt ein ſicherer Beweis
von der Menſchenfreundſchaft eines großen Helden und von der Milde ſeiner Seele,
wenn er nach ſeinen Siegen die ſtille Einfalt der Natur wieder liebt, die Wieſen und
Aecker um ſich her zu ſeinem Vergnuͤgen bluͤhen laͤßt, und es ſich zum frohen Ge-
ſchaͤfte macht, ſeinem Garten neue Fruchtbaͤume zu erziehen. Vechelde zeigt eine
ruhige Laͤndlichkeit und eine erhabene Genuͤgſamkeit, die allen leeren Prunk verwirft.
Ein Dorf, ein Fiſchteich, Wieſen, Korngefilde, Wald, dieſe bloß laͤndlichen Ge-
genſtaͤnde, machen die Graͤnze und die Ausſichten des Gartens. Die oͤkonomiſche
Einrichtung dieſes Landſitzes hat alle Beduͤrfniſſe und alle Ergoͤtzungen des Landlebens
in ihrem Plan umfaßt, und ſie alle befriedigt. Und neue Pflanzungen von Baͤu-
men und Straͤuchern voll Bluͤthen und Duͤfte, bald aus Italien, bald aus Nord-
amerika
, bald aus andern entgegengeſetzten Himmelsſtrichen, unterhalten, mit dem
Geraͤuſch eines kleinen Fluſſes, das Vergnuͤgen des feinen Gartenkenners.

Nahe
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[316/0324] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, Art in Deutſchland. Die Gartenanlagen umher kuͤndigen mit ihren Verzierungen Kunſt und Aufwand an, aber zugleich noch die Anhaͤnglichkeit an die ſteife Manier der vorigen Zeit. Wie mannichfaltig haͤtte nicht das mit ſo vielen Koſten herbeygeleitete Waſſer in einem angenehmen, mit Gaͤngen und Ausſichten durchſchnittenen, und mit vielem Wild angefuͤllten Gehoͤlze, genutzt werden koͤnnen, anſtatt daß es nun in einem langen, geraden, einfoͤrmigen Kanal ermuͤdet, und nur mit kuͤnſtlichen Kaſca- den und Waſſerſpruͤngen abwechſelt, an deren Seiten ſich feſtungsmaͤßige Waͤlle erheben! — An eben dieſem Ort hat der Prinz Franz, Nachfolger in der Regie- rung, bey ſeiner Wohnung einen ſchoͤnen Garten im verbeſſerten Geſchmack angelegt. Inzwiſchen verdienen die Gegenden um Schwerin mit dem herrlichen See und den umkraͤnzenden Waͤldern den Vorzug zu neuen veredelten Anlagen. 2. Im Braunſchweigiſchen fragt man nach Vechelde, wie man vormals nach Chantilly fragte, als hier der große Conde’ auf ſeinem Luſtſchloſſe, gegen den Abend ſeines Lebens, von ſeinen Siegen ruhete. Der Prinz ſchien hier den unfterb- lichen Ruhm ſeiner Thaten, wie einen vergangenen Tag, zu vergeſſen; er lebte nur noch den ſanften Tugenden des Friedens, und der Ehre der Wiſſenſchaften; er ließ oft Gelehrte zu ſich kommen, ſchrieb an ſie, und beurtheilte ihre Werke eben ſo rich- tig, als er Plan, Anordnung und Erfolg in Laͤgern und Schlachten zu beurtheilen gewohnt war. Wie Conde’ ruhete, ſo ruhet Ferdinand, aber thaͤtiger noch fuͤr die Menſchheit und die Wiſſenſchaften, und gluͤcklicher, indem er die unverwelklichen Lorbeern, welche die ehrwuͤrdige Stirne des Helden uͤberſchatten wollten, ganz in die beſcheidne Laube des Privatmanns verflochten hat. Es iſt ein ſicherer Beweis von der Menſchenfreundſchaft eines großen Helden und von der Milde ſeiner Seele, wenn er nach ſeinen Siegen die ſtille Einfalt der Natur wieder liebt, die Wieſen und Aecker um ſich her zu ſeinem Vergnuͤgen bluͤhen laͤßt, und es ſich zum frohen Ge- ſchaͤfte macht, ſeinem Garten neue Fruchtbaͤume zu erziehen. Vechelde zeigt eine ruhige Laͤndlichkeit und eine erhabene Genuͤgſamkeit, die allen leeren Prunk verwirft. Ein Dorf, ein Fiſchteich, Wieſen, Korngefilde, Wald, dieſe bloß laͤndlichen Ge- genſtaͤnde, machen die Graͤnze und die Ausſichten des Gartens. Die oͤkonomiſche Einrichtung dieſes Landſitzes hat alle Beduͤrfniſſe und alle Ergoͤtzungen des Landlebens in ihrem Plan umfaßt, und ſie alle befriedigt. Und neue Pflanzungen von Baͤu- men und Straͤuchern voll Bluͤthen und Duͤfte, bald aus Italien, bald aus Nord- amerika, bald aus andern entgegengeſetzten Himmelsſtrichen, unterhalten, mit dem Geraͤuſch eines kleinen Fluſſes, das Vergnuͤgen des feinen Gartenkenners. Nahe

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/324>, abgerufen am 21.11.2024.