Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten, Art in Deutschland. Die Gartenanlagen umher kündigen mit ihren VerzierungenKunst und Aufwand an, aber zugleich noch die Anhänglichkeit an die steife Manier der vorigen Zeit. Wie mannichfaltig hätte nicht das mit so vielen Kosten herbeygeleitete Wasser in einem angenehmen, mit Gängen und Aussichten durchschnittenen, und mit vielem Wild angefüllten Gehölze, genutzt werden können, anstatt daß es nun in einem langen, geraden, einförmigen Kanal ermüdet, und nur mit künstlichen Kasca- den und Wassersprüngen abwechselt, an deren Seiten sich festungsmäßige Wälle erheben! -- An eben diesem Ort hat der Prinz Franz, Nachfolger in der Regie- rung, bey seiner Wohnung einen schönen Garten im verbesserten Geschmack angelegt. Inzwischen verdienen die Gegenden um Schwerin mit dem herrlichen See und den umkränzenden Wäldern den Vorzug zu neuen veredelten Anlagen. 2. Im Braunschweigischen fragt man nach Vechelde, wie man vormals nach Nahe
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, Art in Deutſchland. Die Gartenanlagen umher kuͤndigen mit ihren VerzierungenKunſt und Aufwand an, aber zugleich noch die Anhaͤnglichkeit an die ſteife Manier der vorigen Zeit. Wie mannichfaltig haͤtte nicht das mit ſo vielen Koſten herbeygeleitete Waſſer in einem angenehmen, mit Gaͤngen und Ausſichten durchſchnittenen, und mit vielem Wild angefuͤllten Gehoͤlze, genutzt werden koͤnnen, anſtatt daß es nun in einem langen, geraden, einfoͤrmigen Kanal ermuͤdet, und nur mit kuͤnſtlichen Kaſca- den und Waſſerſpruͤngen abwechſelt, an deren Seiten ſich feſtungsmaͤßige Waͤlle erheben! — An eben dieſem Ort hat der Prinz Franz, Nachfolger in der Regie- rung, bey ſeiner Wohnung einen ſchoͤnen Garten im verbeſſerten Geſchmack angelegt. Inzwiſchen verdienen die Gegenden um Schwerin mit dem herrlichen See und den umkraͤnzenden Waͤldern den Vorzug zu neuen veredelten Anlagen. 2. Im Braunſchweigiſchen fragt man nach Vechelde, wie man vormals nach Nahe
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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
Art in Deutſchland. Die Gartenanlagen umher kuͤndigen mit ihren Verzierungen
Kunſt und Aufwand an, aber zugleich noch die Anhaͤnglichkeit an die ſteife Manier der
vorigen Zeit. Wie mannichfaltig haͤtte nicht das mit ſo vielen Koſten herbeygeleitete
Waſſer in einem angenehmen, mit Gaͤngen und Ausſichten durchſchnittenen, und
mit vielem Wild angefuͤllten Gehoͤlze, genutzt werden koͤnnen, anſtatt daß es nun in
einem langen, geraden, einfoͤrmigen Kanal ermuͤdet, und nur mit kuͤnſtlichen Kaſca-
den und Waſſerſpruͤngen abwechſelt, an deren Seiten ſich feſtungsmaͤßige Waͤlle
erheben! — An eben dieſem Ort hat der Prinz Franz, Nachfolger in der Regie-
rung, bey ſeiner Wohnung einen ſchoͤnen Garten im verbeſſerten Geſchmack angelegt.
Inzwiſchen verdienen die Gegenden um Schwerin mit dem herrlichen See und den
umkraͤnzenden Waͤldern den Vorzug zu neuen veredelten Anlagen.
2.
Im Braunſchweigiſchen fragt man nach Vechelde, wie man vormals nach
Chantilly fragte, als hier der große Conde’ auf ſeinem Luſtſchloſſe, gegen den
Abend ſeines Lebens, von ſeinen Siegen ruhete. Der Prinz ſchien hier den unfterb-
lichen Ruhm ſeiner Thaten, wie einen vergangenen Tag, zu vergeſſen; er lebte nur
noch den ſanften Tugenden des Friedens, und der Ehre der Wiſſenſchaften; er ließ
oft Gelehrte zu ſich kommen, ſchrieb an ſie, und beurtheilte ihre Werke eben ſo rich-
tig, als er Plan, Anordnung und Erfolg in Laͤgern und Schlachten zu beurtheilen
gewohnt war. Wie Conde’ ruhete, ſo ruhet Ferdinand, aber thaͤtiger noch fuͤr
die Menſchheit und die Wiſſenſchaften, und gluͤcklicher, indem er die unverwelklichen
Lorbeern, welche die ehrwuͤrdige Stirne des Helden uͤberſchatten wollten, ganz in
die beſcheidne Laube des Privatmanns verflochten hat. Es iſt ein ſicherer Beweis
von der Menſchenfreundſchaft eines großen Helden und von der Milde ſeiner Seele,
wenn er nach ſeinen Siegen die ſtille Einfalt der Natur wieder liebt, die Wieſen und
Aecker um ſich her zu ſeinem Vergnuͤgen bluͤhen laͤßt, und es ſich zum frohen Ge-
ſchaͤfte macht, ſeinem Garten neue Fruchtbaͤume zu erziehen. Vechelde zeigt eine
ruhige Laͤndlichkeit und eine erhabene Genuͤgſamkeit, die allen leeren Prunk verwirft.
Ein Dorf, ein Fiſchteich, Wieſen, Korngefilde, Wald, dieſe bloß laͤndlichen Ge-
genſtaͤnde, machen die Graͤnze und die Ausſichten des Gartens. Die oͤkonomiſche
Einrichtung dieſes Landſitzes hat alle Beduͤrfniſſe und alle Ergoͤtzungen des Landlebens
in ihrem Plan umfaßt, und ſie alle befriedigt. Und neue Pflanzungen von Baͤu-
men und Straͤuchern voll Bluͤthen und Duͤfte, bald aus Italien, bald aus Nord-
amerika, bald aus andern entgegengeſetzten Himmelsſtrichen, unterhalten, mit dem
Geraͤuſch eines kleinen Fluſſes, das Vergnuͤgen des feinen Gartenkenners.
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