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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
gerade aus über das mit Schiffen belebte Wasser die Provinz Karelien, zur Rech-
ten der Galeerenhafen mit einem Theil der Stadt St. Petersburg, deren ver-
goldete Thürme glänzend in die Augen fallen. Alle Springbrunnen, Teiche u. s. w.
sind mit einem reinen trinkbaren Quellwasser angefüllt. Der Park reizt durch die
daran stoßenden Wildbahnen, durch die ihn gegen Südost, Süden und Südwest
umgebenden Wälder mit Durchschnitten und weiten Aussichten, durch die dazwischen
liegende Wiesen und Weiden, abwechselnde Anhöhen, Abhänge und Thäler. Die
innern Verzierungen des Gartens zeigen den Pomp, den Ueberfluß und die Kost-
barkeit des vorigen Geschmacks. Das Ganze bildet den Seefahrenden eine überaus
prächtige, das Auge blendende Aussicht vor. Die Pflanzungen des Gartens be-
stehen in Wäldchen von Birken, Ellern und Ahorn, die in die Länge und Breite
mit vielen Alleen durchschnitten und mit Ruheplätzen, Gitterkabinetten und Lusthäu-
sern, unter abwechselnden Aussichten und Spaziergängen, verbunden sind. Die
längste von diesen vielen Alleen erstreckt sich über tausend Faden; von ihrer Mitte
aus geht sie gegen Westen nach dem Lustpalais Marly, auf der andern Seite gegen
Osten nach einem andern Lustgebäude, Monplaisir, am Seestrande. *)

2.

Der bessere Geschmack der russischen Gärten erhob sich erst unter der glückli-
chen Regierung der jetzigen Kaiserinn Catharina II. Auch er war eine von den
unzähligen edlen und großen Verbesserungen oder vielmehr neuen Schöpfungen dieser
erhabenen Prinzessinn. Ihr feines Gefühl für jede Gattung von Schönheit, Ihre
vertrauliche Bekanntschaft mit allen edlen Künsten, mußte Sie bald für den Reiz
der Gartenmuse einnehmen, die, als Tochter der Natur, ungeschminkt und tein,
voll liebenswürdiger Einfalt, sich der Monarchinn der Herzen näherte. Schon als
Großfürstinn machte diese Prinzessinn, die auch zur Verfeinerung des Geschmäcks
und der schönen Künste in Ihren weitläuftigen Reichen bestimmt war, zu Oranien-
baum
einen Versuch, in einer Ihrem Palais gegenüber gelegenen waldigten Ge-
gend eine englische Anlage mit einer Feinheit und Empfindung auszubilden, die für
die Gartenkunst die schönsten Tage in der Zukunft ankündigte. Als regierende

Monar-
*) Die Aussichten der kaiserlichen Lust-
schlösser Peterhof, Sarskoe-Selo und
Oranienbaum sind perspectivisch nach der
Anweisung des Hrn. Staatsraths von
Stähelin aufgenommen, und schon unter
der Kaiserinn Elisabeth auf drey doppelten
[Spaltenumbruch] Platten und zwey einzelnen in Regalform
gestochen, die Grundrisse aber nicht, auch
nicht die Plane der Gärten. Auch in 16mo
hat Hr. von Stähelin diese Aussichten einst
bey einem russischen Hofkalender sehr nied-
lich nachstechen lassen.

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
gerade aus uͤber das mit Schiffen belebte Waſſer die Provinz Karelien, zur Rech-
ten der Galeerenhafen mit einem Theil der Stadt St. Petersburg, deren ver-
goldete Thuͤrme glaͤnzend in die Augen fallen. Alle Springbrunnen, Teiche u. ſ. w.
ſind mit einem reinen trinkbaren Quellwaſſer angefuͤllt. Der Park reizt durch die
daran ſtoßenden Wildbahnen, durch die ihn gegen Suͤdoſt, Suͤden und Suͤdweſt
umgebenden Waͤlder mit Durchſchnitten und weiten Ausſichten, durch die dazwiſchen
liegende Wieſen und Weiden, abwechſelnde Anhoͤhen, Abhaͤnge und Thaͤler. Die
innern Verzierungen des Gartens zeigen den Pomp, den Ueberfluß und die Koſt-
barkeit des vorigen Geſchmacks. Das Ganze bildet den Seefahrenden eine uͤberaus
praͤchtige, das Auge blendende Ausſicht vor. Die Pflanzungen des Gartens be-
ſtehen in Waͤldchen von Birken, Ellern und Ahorn, die in die Laͤnge und Breite
mit vielen Alleen durchſchnitten und mit Ruheplaͤtzen, Gitterkabinetten und Luſthaͤu-
ſern, unter abwechſelnden Ausſichten und Spaziergaͤngen, verbunden ſind. Die
laͤngſte von dieſen vielen Alleen erſtreckt ſich uͤber tauſend Faden; von ihrer Mitte
aus geht ſie gegen Weſten nach dem Luſtpalais Marly, auf der andern Seite gegen
Oſten nach einem andern Luſtgebaͤude, Monplaiſir, am Seeſtrande. *)

2.

Der beſſere Geſchmack der ruſſiſchen Gaͤrten erhob ſich erſt unter der gluͤckli-
chen Regierung der jetzigen Kaiſerinn Catharina II. Auch er war eine von den
unzaͤhligen edlen und großen Verbeſſerungen oder vielmehr neuen Schoͤpfungen dieſer
erhabenen Prinzeſſinn. Ihr feines Gefuͤhl fuͤr jede Gattung von Schoͤnheit, Ihre
vertrauliche Bekanntſchaft mit allen edlen Kuͤnſten, mußte Sie bald fuͤr den Reiz
der Gartenmuſe einnehmen, die, als Tochter der Natur, ungeſchminkt und tein,
voll liebenswuͤrdiger Einfalt, ſich der Monarchinn der Herzen naͤherte. Schon als
Großfuͤrſtinn machte dieſe Prinzeſſinn, die auch zur Verfeinerung des Geſchmaͤcks
und der ſchoͤnen Kuͤnſte in Ihren weitlaͤuftigen Reichen beſtimmt war, zu Oranien-
baum
einen Verſuch, in einer Ihrem Palais gegenuͤber gelegenen waldigten Ge-
gend eine engliſche Anlage mit einer Feinheit und Empfindung auszubilden, die fuͤr
die Gartenkunſt die ſchoͤnſten Tage in der Zukunft ankuͤndigte. Als regierende

Monar-
*) Die Ausſichten der kaiſerlichen Luſt-
ſchloͤſſer Peterhof, Sarskoe-Selo und
Oranienbaum ſind perſpectiviſch nach der
Anweiſung des Hrn. Staatsraths von
Staͤhelin aufgenommen, und ſchon unter
der Kaiſerinn Eliſabeth auf drey doppelten
[Spaltenumbruch] Platten und zwey einzelnen in Regalform
geſtochen, die Grundriſſe aber nicht, auch
nicht die Plane der Gaͤrten. Auch in 16mo
hat Hr. von Staͤhelin dieſe Ausſichten einſt
bey einem ruſſiſchen Hofkalender ſehr nied-
lich nachſtechen laſſen.
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[288/0296] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, gerade aus uͤber das mit Schiffen belebte Waſſer die Provinz Karelien, zur Rech- ten der Galeerenhafen mit einem Theil der Stadt St. Petersburg, deren ver- goldete Thuͤrme glaͤnzend in die Augen fallen. Alle Springbrunnen, Teiche u. ſ. w. ſind mit einem reinen trinkbaren Quellwaſſer angefuͤllt. Der Park reizt durch die daran ſtoßenden Wildbahnen, durch die ihn gegen Suͤdoſt, Suͤden und Suͤdweſt umgebenden Waͤlder mit Durchſchnitten und weiten Ausſichten, durch die dazwiſchen liegende Wieſen und Weiden, abwechſelnde Anhoͤhen, Abhaͤnge und Thaͤler. Die innern Verzierungen des Gartens zeigen den Pomp, den Ueberfluß und die Koſt- barkeit des vorigen Geſchmacks. Das Ganze bildet den Seefahrenden eine uͤberaus praͤchtige, das Auge blendende Ausſicht vor. Die Pflanzungen des Gartens be- ſtehen in Waͤldchen von Birken, Ellern und Ahorn, die in die Laͤnge und Breite mit vielen Alleen durchſchnitten und mit Ruheplaͤtzen, Gitterkabinetten und Luſthaͤu- ſern, unter abwechſelnden Ausſichten und Spaziergaͤngen, verbunden ſind. Die laͤngſte von dieſen vielen Alleen erſtreckt ſich uͤber tauſend Faden; von ihrer Mitte aus geht ſie gegen Weſten nach dem Luſtpalais Marly, auf der andern Seite gegen Oſten nach einem andern Luſtgebaͤude, Monplaiſir, am Seeſtrande. *) 2. Der beſſere Geſchmack der ruſſiſchen Gaͤrten erhob ſich erſt unter der gluͤckli- chen Regierung der jetzigen Kaiſerinn Catharina II. Auch er war eine von den unzaͤhligen edlen und großen Verbeſſerungen oder vielmehr neuen Schoͤpfungen dieſer erhabenen Prinzeſſinn. Ihr feines Gefuͤhl fuͤr jede Gattung von Schoͤnheit, Ihre vertrauliche Bekanntſchaft mit allen edlen Kuͤnſten, mußte Sie bald fuͤr den Reiz der Gartenmuſe einnehmen, die, als Tochter der Natur, ungeſchminkt und tein, voll liebenswuͤrdiger Einfalt, ſich der Monarchinn der Herzen naͤherte. Schon als Großfuͤrſtinn machte dieſe Prinzeſſinn, die auch zur Verfeinerung des Geſchmaͤcks und der ſchoͤnen Kuͤnſte in Ihren weitlaͤuftigen Reichen beſtimmt war, zu Oranien- baum einen Verſuch, in einer Ihrem Palais gegenuͤber gelegenen waldigten Ge- gend eine engliſche Anlage mit einer Feinheit und Empfindung auszubilden, die fuͤr die Gartenkunſt die ſchoͤnſten Tage in der Zukunft ankuͤndigte. Als regierende Monar- *) Die Ausſichten der kaiſerlichen Luſt- ſchloͤſſer Peterhof, Sarskoe-Selo und Oranienbaum ſind perſpectiviſch nach der Anweiſung des Hrn. Staatsraths von Staͤhelin aufgenommen, und ſchon unter der Kaiſerinn Eliſabeth auf drey doppelten Platten und zwey einzelnen in Regalform geſtochen, die Grundriſſe aber nicht, auch nicht die Plane der Gaͤrten. Auch in 16mo hat Hr. von Staͤhelin dieſe Ausſichten einſt bey einem ruſſiſchen Hofkalender ſehr nied- lich nachſtechen laſſen.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/296>, abgerufen am 21.11.2024.