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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Anhang. Beschreibungen

VIII.
Beschreibung des herzoglichen Gartens zu Gotha,
und einiger Anlagen um Weimar.
*)
1.

Sie erhalten hier die verlangte Beschreibung des Gartens des regierenden Herzogs
von Sachsen-Gotha; wie gern hätte ich sie Ihnen einige Jahre später und
zu einer Zeit geschickt, wo dieser Garten, bey seiner schon so beträchtlichen Größe,
weit um die Hälfte durch verschiedene Gärten erweitert werden wird, die der Herzog
bereits dazu gekauft hat, und deren Anlage vielleicht ganz nah ist.

Ich führe Sie bey der Stelle des ehemaligen Wohnhauses und bey den Ananas-
Häusern vorbey (Früchte, die hier in großer Menge und Güte gezogen werden).
Wir gehen über eine kleine mehr simple als schöne Brücke, die uns über einen Kanal
des Leina-Flusses bringt, an dessen buschigten Ufern sich Badeplätze befinden, wel-
che mit Rasensitzen und andern Bequemlichkeiten versehen sind, und zu denen schmale
Gänge durch Gebüsche führen, und sind nun im Garten. Wir wollen von den Kies-
wegen den wählen, der sich uns zur Rechten schlängelt. Er führt nach manchen
Wendungen auf einen freyen Rasenplatz, von dem sich mit einmal die Aussicht eines
breiten Wassers öffnet, das einem entfernten Dorfe zuwallt, welches mit seinen Stroh-
dächern und Kirchthurme freundlich aus seinen Linden hervorguckt. Aber dieses
Wasser ist nur ein großer See, dessen Ufer sich schon im Garten befinden; seine un-
absehbare, spiegelhelle Fläche, die durch Wiesen und Gehölze Stundenweit zu gleiten
scheint, dankt ihre Fernung einem glücklichen Betrug, den der englische Gärtner,
der erste Anleger dieses Gartens, durch einige unmerkbare Krümmungen und Vor-
sprünge von Baumgruppen und Rasenrainen, so kunstlos und wahr hervorzubringen
gewußt hat, daß sich das Auge nicht satt daran sehen kann. Da überhaupt
die Gränzen des Gartens in einer flachen, der Erde gleichen, Mauer bestehen, die
man nicht eher gewahr wird, als bis man davor ist, so dünkt man sich in keinem ein-
geschlossenen Raum, sondern hält die Kornfelder, die Hügel, die Dörfer, die Ge-
hölze, die Landstraßen, alle diese abwechselnde Gegenstände und Auftritte, für so viele
nahe oder entlegenere Theile.

Der
*) [Spaltenumbruch] Diese Beschreibungen verdanke ich
der Gefälligkeit des Herrn Bibliothekar
Reichard zu Gotha und seinem Eifer für
[Spaltenumbruch] alles, was den Geschmack und die schönen
Künste betrifft.
Anhang. Beſchreibungen

VIII.
Beſchreibung des herzoglichen Gartens zu Gotha,
und einiger Anlagen um Weimar.
*)
1.

Sie erhalten hier die verlangte Beſchreibung des Gartens des regierenden Herzogs
von Sachſen-Gotha; wie gern haͤtte ich ſie Ihnen einige Jahre ſpaͤter und
zu einer Zeit geſchickt, wo dieſer Garten, bey ſeiner ſchon ſo betraͤchtlichen Groͤße,
weit um die Haͤlfte durch verſchiedene Gaͤrten erweitert werden wird, die der Herzog
bereits dazu gekauft hat, und deren Anlage vielleicht ganz nah iſt.

Ich fuͤhre Sie bey der Stelle des ehemaligen Wohnhauſes und bey den Ananas-
Haͤuſern vorbey (Fruͤchte, die hier in großer Menge und Guͤte gezogen werden).
Wir gehen uͤber eine kleine mehr ſimple als ſchoͤne Bruͤcke, die uns uͤber einen Kanal
des Leina-Fluſſes bringt, an deſſen buſchigten Ufern ſich Badeplaͤtze befinden, wel-
che mit Raſenſitzen und andern Bequemlichkeiten verſehen ſind, und zu denen ſchmale
Gaͤnge durch Gebuͤſche fuͤhren, und ſind nun im Garten. Wir wollen von den Kies-
wegen den waͤhlen, der ſich uns zur Rechten ſchlaͤngelt. Er fuͤhrt nach manchen
Wendungen auf einen freyen Raſenplatz, von dem ſich mit einmal die Ausſicht eines
breiten Waſſers oͤffnet, das einem entfernten Dorfe zuwallt, welches mit ſeinen Stroh-
daͤchern und Kirchthurme freundlich aus ſeinen Linden hervorguckt. Aber dieſes
Waſſer iſt nur ein großer See, deſſen Ufer ſich ſchon im Garten befinden; ſeine un-
abſehbare, ſpiegelhelle Flaͤche, die durch Wieſen und Gehoͤlze Stundenweit zu gleiten
ſcheint, dankt ihre Fernung einem gluͤcklichen Betrug, den der engliſche Gaͤrtner,
der erſte Anleger dieſes Gartens, durch einige unmerkbare Kruͤmmungen und Vor-
ſpruͤnge von Baumgruppen und Raſenrainen, ſo kunſtlos und wahr hervorzubringen
gewußt hat, daß ſich das Auge nicht ſatt daran ſehen kann. Da uͤberhaupt
die Graͤnzen des Gartens in einer flachen, der Erde gleichen, Mauer beſtehen, die
man nicht eher gewahr wird, als bis man davor iſt, ſo duͤnkt man ſich in keinem ein-
geſchloſſenen Raum, ſondern haͤlt die Kornfelder, die Huͤgel, die Doͤrfer, die Ge-
hoͤlze, die Landſtraßen, alle dieſe abwechſelnde Gegenſtaͤnde und Auftritte, fuͤr ſo viele
nahe oder entlegenere Theile.

Der
*) [Spaltenumbruch] Dieſe Beſchreibungen verdanke ich
der Gefaͤlligkeit des Herrn Bibliothekar
Reichard zu Gotha und ſeinem Eifer fuͤr
[Spaltenumbruch] alles, was den Geſchmack und die ſchoͤnen
Kuͤnſte betrifft.
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[234/0238] Anhang. Beſchreibungen VIII. Beſchreibung des herzoglichen Gartens zu Gotha, und einiger Anlagen um Weimar. *) 1. Sie erhalten hier die verlangte Beſchreibung des Gartens des regierenden Herzogs von Sachſen-Gotha; wie gern haͤtte ich ſie Ihnen einige Jahre ſpaͤter und zu einer Zeit geſchickt, wo dieſer Garten, bey ſeiner ſchon ſo betraͤchtlichen Groͤße, weit um die Haͤlfte durch verſchiedene Gaͤrten erweitert werden wird, die der Herzog bereits dazu gekauft hat, und deren Anlage vielleicht ganz nah iſt. Ich fuͤhre Sie bey der Stelle des ehemaligen Wohnhauſes und bey den Ananas- Haͤuſern vorbey (Fruͤchte, die hier in großer Menge und Guͤte gezogen werden). Wir gehen uͤber eine kleine mehr ſimple als ſchoͤne Bruͤcke, die uns uͤber einen Kanal des Leina-Fluſſes bringt, an deſſen buſchigten Ufern ſich Badeplaͤtze befinden, wel- che mit Raſenſitzen und andern Bequemlichkeiten verſehen ſind, und zu denen ſchmale Gaͤnge durch Gebuͤſche fuͤhren, und ſind nun im Garten. Wir wollen von den Kies- wegen den waͤhlen, der ſich uns zur Rechten ſchlaͤngelt. Er fuͤhrt nach manchen Wendungen auf einen freyen Raſenplatz, von dem ſich mit einmal die Ausſicht eines breiten Waſſers oͤffnet, das einem entfernten Dorfe zuwallt, welches mit ſeinen Stroh- daͤchern und Kirchthurme freundlich aus ſeinen Linden hervorguckt. Aber dieſes Waſſer iſt nur ein großer See, deſſen Ufer ſich ſchon im Garten befinden; ſeine un- abſehbare, ſpiegelhelle Flaͤche, die durch Wieſen und Gehoͤlze Stundenweit zu gleiten ſcheint, dankt ihre Fernung einem gluͤcklichen Betrug, den der engliſche Gaͤrtner, der erſte Anleger dieſes Gartens, durch einige unmerkbare Kruͤmmungen und Vor- ſpruͤnge von Baumgruppen und Raſenrainen, ſo kunſtlos und wahr hervorzubringen gewußt hat, daß ſich das Auge nicht ſatt daran ſehen kann. Da uͤberhaupt die Graͤnzen des Gartens in einer flachen, der Erde gleichen, Mauer beſtehen, die man nicht eher gewahr wird, als bis man davor iſt, ſo duͤnkt man ſich in keinem ein- geſchloſſenen Raum, ſondern haͤlt die Kornfelder, die Huͤgel, die Doͤrfer, die Ge- hoͤlze, die Landſtraßen, alle dieſe abwechſelnde Gegenſtaͤnde und Auftritte, fuͤr ſo viele nahe oder entlegenere Theile. Der *) Dieſe Beſchreibungen verdanke ich der Gefaͤlligkeit des Herrn Bibliothekar Reichard zu Gotha und ſeinem Eifer fuͤr alles, was den Geſchmack und die ſchoͤnen Kuͤnſte betrifft.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/238>, abgerufen am 21.12.2024.