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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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nach dem Charakter der Gegenden.
schaut, und zu seinen Füßen die zwey Reiche erblickt, welche sonst Millionen von
Kriegshelden ernährten; wie klein und kindisch muß ihm dann die menschliche Ruhm-
sucht erscheinen!

3.

In allen diesen Beschreibungen erscheint das Feyerliche als ein Eigenthum der
bergigten oder gebirgigten Lage. Allein dieser Charakter kann sich selbst durch große
und finstre Tiefen, durch Ströme, die in ihren felsigten Klüften toben, und durch dun-
kle Wälder, die über steile Abgründe herabhängen, bilden. Ein Beyspiel davon ist
diese Gegend.

Auf dem Wege von Tinnyhinch nach Inniskerry findet man den Dargle, *)
ein überaus feyerliches Thal. Die Straße gehet an dem Rande eines Abhanges,
wovon man den angenehmsten Prospect auf den Lauf des Flusses durch das Thal und
auf den Wald von Powerscourt hat, der hier in großen Massen düstern Schattens
erscheint. Gebirge begränzen die Aussicht. Wendet man sich zur Linken nach der
Nebenstraße, die zu dem Dargle führet, so hat man gleich eine Probe von dem,
was man von einem feyerlichen waldigten Thal zu gewarten hat, wo die Berge bey-
nahe an einander gekettet sind, und dem Fluß im Grunde kaum einen Durchgang lassen,
welcher so tobet, als wenn er sich mit Gewalt einen Weg bahnen wollte. Vor sich
hin siehet man eine schöne Fläche mit eingezäunten Feldern, welche von der See be-
gränzt werden. Sobald man in den Dargle kommt, welches der Name eines Thals
von einer Meile lang ist, so hat man eine der schönsten Reihen von Bäumen. Es ist
ein enges von den Seiten zweyer gegen einander über liegender Berge gebildetes Thal,
alles mit Eichen dick besetzt. Im Grunde (und die Tiefe ist entsetzlich) enget es sich
so, daß das Bette des Flusses die ganze Breite ausmacht, und dieser wälzt sich viel-
mehr von einem Felsen über den andern, als daß er fließt. Der Umfang des Wal-
des, der von allen Seiten in die Augen fällt, ist sehr groß, die Tiefe des Abgrundes,
an welchem man steht, unermeßlich; nimmt man das Rauschen des Wassers dazu,
so ist die Scene wirklich einnehmend. In weniger als einer Viertelmeile führt die
durch den Wald gehende Straße zu einem andern Gesichtspunkte rechter Hand.
Dies ist die Krone eines weit hervorragenden Felsen, von welchem man senkrecht einen
Abgrund hinunter, einige hundert Fuß tief, den Strom im Grunde sieht, der seinen
geräuschvollen Lauf über große Felsentrümmer nimmt. Die Stelle, von welcher man
diesen Anblick hat, ist ein weit hervorgehendes Stück des diesseitigen Gebirges. Da

nun
*) Youngs Reise durch Irrland etc. 1ster Th. S. 126 u. f.
Q 2

nach dem Charakter der Gegenden.
ſchaut, und zu ſeinen Fuͤßen die zwey Reiche erblickt, welche ſonſt Millionen von
Kriegshelden ernaͤhrten; wie klein und kindiſch muß ihm dann die menſchliche Ruhm-
ſucht erſcheinen!

3.

In allen dieſen Beſchreibungen erſcheint das Feyerliche als ein Eigenthum der
bergigten oder gebirgigten Lage. Allein dieſer Charakter kann ſich ſelbſt durch große
und finſtre Tiefen, durch Stroͤme, die in ihren felſigten Kluͤften toben, und durch dun-
kle Waͤlder, die uͤber ſteile Abgruͤnde herabhaͤngen, bilden. Ein Beyſpiel davon iſt
dieſe Gegend.

Auf dem Wege von Tinnyhinch nach Inniskerry findet man den Dargle, *)
ein uͤberaus feyerliches Thal. Die Straße gehet an dem Rande eines Abhanges,
wovon man den angenehmſten Proſpect auf den Lauf des Fluſſes durch das Thal und
auf den Wald von Powerscourt hat, der hier in großen Maſſen duͤſtern Schattens
erſcheint. Gebirge begraͤnzen die Ausſicht. Wendet man ſich zur Linken nach der
Nebenſtraße, die zu dem Dargle fuͤhret, ſo hat man gleich eine Probe von dem,
was man von einem feyerlichen waldigten Thal zu gewarten hat, wo die Berge bey-
nahe an einander gekettet ſind, und dem Fluß im Grunde kaum einen Durchgang laſſen,
welcher ſo tobet, als wenn er ſich mit Gewalt einen Weg bahnen wollte. Vor ſich
hin ſiehet man eine ſchoͤne Flaͤche mit eingezaͤunten Feldern, welche von der See be-
graͤnzt werden. Sobald man in den Dargle kommt, welches der Name eines Thals
von einer Meile lang iſt, ſo hat man eine der ſchoͤnſten Reihen von Baͤumen. Es iſt
ein enges von den Seiten zweyer gegen einander uͤber liegender Berge gebildetes Thal,
alles mit Eichen dick beſetzt. Im Grunde (und die Tiefe iſt entſetzlich) enget es ſich
ſo, daß das Bette des Fluſſes die ganze Breite ausmacht, und dieſer waͤlzt ſich viel-
mehr von einem Felſen uͤber den andern, als daß er fließt. Der Umfang des Wal-
des, der von allen Seiten in die Augen faͤllt, iſt ſehr groß, die Tiefe des Abgrundes,
an welchem man ſteht, unermeßlich; nimmt man das Rauſchen des Waſſers dazu,
ſo iſt die Scene wirklich einnehmend. In weniger als einer Viertelmeile fuͤhrt die
durch den Wald gehende Straße zu einem andern Geſichtspunkte rechter Hand.
Dies iſt die Krone eines weit hervorragenden Felſen, von welchem man ſenkrecht einen
Abgrund hinunter, einige hundert Fuß tief, den Strom im Grunde ſieht, der ſeinen
geraͤuſchvollen Lauf uͤber große Felſentruͤmmer nimmt. Die Stelle, von welcher man
dieſen Anblick hat, iſt ein weit hervorgehendes Stuͤck des dieſſeitigen Gebirges. Da

nun
*) Youngs Reiſe durch Irrland ꝛc. 1ſter Th. S. 126 u. f.
Q 2
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[123/0127] nach dem Charakter der Gegenden. ſchaut, und zu ſeinen Fuͤßen die zwey Reiche erblickt, welche ſonſt Millionen von Kriegshelden ernaͤhrten; wie klein und kindiſch muß ihm dann die menſchliche Ruhm- ſucht erſcheinen! 3. In allen dieſen Beſchreibungen erſcheint das Feyerliche als ein Eigenthum der bergigten oder gebirgigten Lage. Allein dieſer Charakter kann ſich ſelbſt durch große und finſtre Tiefen, durch Stroͤme, die in ihren felſigten Kluͤften toben, und durch dun- kle Waͤlder, die uͤber ſteile Abgruͤnde herabhaͤngen, bilden. Ein Beyſpiel davon iſt dieſe Gegend. Auf dem Wege von Tinnyhinch nach Inniskerry findet man den Dargle, *) ein uͤberaus feyerliches Thal. Die Straße gehet an dem Rande eines Abhanges, wovon man den angenehmſten Proſpect auf den Lauf des Fluſſes durch das Thal und auf den Wald von Powerscourt hat, der hier in großen Maſſen duͤſtern Schattens erſcheint. Gebirge begraͤnzen die Ausſicht. Wendet man ſich zur Linken nach der Nebenſtraße, die zu dem Dargle fuͤhret, ſo hat man gleich eine Probe von dem, was man von einem feyerlichen waldigten Thal zu gewarten hat, wo die Berge bey- nahe an einander gekettet ſind, und dem Fluß im Grunde kaum einen Durchgang laſſen, welcher ſo tobet, als wenn er ſich mit Gewalt einen Weg bahnen wollte. Vor ſich hin ſiehet man eine ſchoͤne Flaͤche mit eingezaͤunten Feldern, welche von der See be- graͤnzt werden. Sobald man in den Dargle kommt, welches der Name eines Thals von einer Meile lang iſt, ſo hat man eine der ſchoͤnſten Reihen von Baͤumen. Es iſt ein enges von den Seiten zweyer gegen einander uͤber liegender Berge gebildetes Thal, alles mit Eichen dick beſetzt. Im Grunde (und die Tiefe iſt entſetzlich) enget es ſich ſo, daß das Bette des Fluſſes die ganze Breite ausmacht, und dieſer waͤlzt ſich viel- mehr von einem Felſen uͤber den andern, als daß er fließt. Der Umfang des Wal- des, der von allen Seiten in die Augen faͤllt, iſt ſehr groß, die Tiefe des Abgrundes, an welchem man ſteht, unermeßlich; nimmt man das Rauſchen des Waſſers dazu, ſo iſt die Scene wirklich einnehmend. In weniger als einer Viertelmeile fuͤhrt die durch den Wald gehende Straße zu einem andern Geſichtspunkte rechter Hand. Dies iſt die Krone eines weit hervorragenden Felſen, von welchem man ſenkrecht einen Abgrund hinunter, einige hundert Fuß tief, den Strom im Grunde ſieht, der ſeinen geraͤuſchvollen Lauf uͤber große Felſentruͤmmer nimmt. Die Stelle, von welcher man dieſen Anblick hat, iſt ein weit hervorgehendes Stuͤck des dieſſeitigen Gebirges. Da nun *) Youngs Reiſe durch Irrland ꝛc. 1ſter Th. S. 126 u. f. Q 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/127>, abgerufen am 21.11.2024.