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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen.
gehören übrigens nicht sowohl in das Revier des Angenehmen, als vielmehr zu dem
Romantischen, als ein vorzügliches Eigenthum dieser Gattung.

Man kann dem Eindruck der Grotten, in so ferne sie in Gärten Gegenstände
sind, zu Hülfe kommen, indem man ihnen einen bestimmten Charakter giebt, der sich
auf einen Gebrauch bezieht, den man vormals von ihnen machte. Man kann sie
einer Nymphe, einem Nationalhelden aus der ältesten Zeit, oder einem Heiligen
des Landes widmen, wodurch sie bey der Wirkung, die sie schon als besondere Na-
turscenen haben, noch eine Kraft zur Erweckung interessanter Erinnerungen oder er-
götzender Phantasien gewinnen.

5.

Es bedarf nur wenig Beyspiele von wirklichen Ausführungen, um diesen Be-
merkungen über die wahre Anlage der Grotten sowohl etwas mehr Nachdruck als Er-
weiterung zu geben. Dazu mögen mit ihren Scenen die Grotten in den Leasowes,
zu Stowe und zu Twickenham dienen.

In den Leasowes *) führt ein einsamer Weg nach einer Grotte von natürlich
scheinenden, aber durch die Kunst ausgehöhlten Felsen, worinn eine Cascade rauscht.
Sie ist dick mit Buschwerk eingefaßt, wovon einiges über den Rand des Felsen hängt,
und mit immergrünenden Bäumen und Waldbäumen vermischt ist. Um den Cha-
rakter einer Grotte noch stärker auszudrücken, hat man einen rauhen steinernen Sitz
unter wilden Wurzeln sehr schicklich angebracht; ein Zusatz, daraus vielleicht nicht
viel gemacht wird, der aber doch eine angenehme Wirkung hat. Eine schickliche In-
schrift bezeichnet diese Grotte:

Intus aquae dulces, vivoque sedilia saxo,
Nympharum domus.

Der Ellernhain zu Stowe **) giebt einen einsamen Aufenthalt mitten in ei-
nem Schatten ab, den selbst die Strahlen des Mittags nicht ausklären können. Das
Wasser scheint ein stillstehender Teich zu seyn, der sein Ufer durchfrißt, und eine ganz
besondere Farbe hat; denn er ist nicht schlammigt, sondern nur dunkel, und wirft das
schwärzliche Bild der Roßkastanien und Ellern zurück, die zunächst um den Rand ste-

hen.
*) In Shropshire zwischen Birmingham und Stourbridge. S. Heely Briefe über die
Schönheiten von den Leasowes u. s. f. 20ster Br.
**) Betrachtungen über das heutige Gartenwesen, S. 274.
M 3

Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
gehoͤren uͤbrigens nicht ſowohl in das Revier des Angenehmen, als vielmehr zu dem
Romantiſchen, als ein vorzuͤgliches Eigenthum dieſer Gattung.

Man kann dem Eindruck der Grotten, in ſo ferne ſie in Gaͤrten Gegenſtaͤnde
ſind, zu Huͤlfe kommen, indem man ihnen einen beſtimmten Charakter giebt, der ſich
auf einen Gebrauch bezieht, den man vormals von ihnen machte. Man kann ſie
einer Nymphe, einem Nationalhelden aus der aͤlteſten Zeit, oder einem Heiligen
des Landes widmen, wodurch ſie bey der Wirkung, die ſie ſchon als beſondere Na-
turſcenen haben, noch eine Kraft zur Erweckung intereſſanter Erinnerungen oder er-
goͤtzender Phantaſien gewinnen.

5.

Es bedarf nur wenig Beyſpiele von wirklichen Ausfuͤhrungen, um dieſen Be-
merkungen uͤber die wahre Anlage der Grotten ſowohl etwas mehr Nachdruck als Er-
weiterung zu geben. Dazu moͤgen mit ihren Scenen die Grotten in den Leaſowes,
zu Stowe und zu Twickenham dienen.

In den Leaſowes *) fuͤhrt ein einſamer Weg nach einer Grotte von natuͤrlich
ſcheinenden, aber durch die Kunſt ausgehoͤhlten Felſen, worinn eine Caſcade rauſcht.
Sie iſt dick mit Buſchwerk eingefaßt, wovon einiges uͤber den Rand des Felſen haͤngt,
und mit immergruͤnenden Baͤumen und Waldbaͤumen vermiſcht iſt. Um den Cha-
rakter einer Grotte noch ſtaͤrker auszudruͤcken, hat man einen rauhen ſteinernen Sitz
unter wilden Wurzeln ſehr ſchicklich angebracht; ein Zuſatz, daraus vielleicht nicht
viel gemacht wird, der aber doch eine angenehme Wirkung hat. Eine ſchickliche In-
ſchrift bezeichnet dieſe Grotte:

Intus aquae dulces, vivoque ſedilia ſaxo,
Nympharum domus.

Der Ellernhain zu Stowe **) giebt einen einſamen Aufenthalt mitten in ei-
nem Schatten ab, den ſelbſt die Strahlen des Mittags nicht auſklaͤren koͤnnen. Das
Waſſer ſcheint ein ſtillſtehender Teich zu ſeyn, der ſein Ufer durchfrißt, und eine ganz
beſondere Farbe hat; denn er iſt nicht ſchlammigt, ſondern nur dunkel, und wirft das
ſchwaͤrzliche Bild der Roßkaſtanien und Ellern zuruͤck, die zunaͤchſt um den Rand ſte-

hen.
*) In Shropſhire zwiſchen Birmingham und Stourbridge. S. Heely Briefe uͤber die
Schoͤnheiten von den Leaſowes u. ſ. f. 20ſter Br.
**) Betrachtungen uͤber das heutige Gartenweſen, S. 274.
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[93/0097] Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. gehoͤren uͤbrigens nicht ſowohl in das Revier des Angenehmen, als vielmehr zu dem Romantiſchen, als ein vorzuͤgliches Eigenthum dieſer Gattung. Man kann dem Eindruck der Grotten, in ſo ferne ſie in Gaͤrten Gegenſtaͤnde ſind, zu Huͤlfe kommen, indem man ihnen einen beſtimmten Charakter giebt, der ſich auf einen Gebrauch bezieht, den man vormals von ihnen machte. Man kann ſie einer Nymphe, einem Nationalhelden aus der aͤlteſten Zeit, oder einem Heiligen des Landes widmen, wodurch ſie bey der Wirkung, die ſie ſchon als beſondere Na- turſcenen haben, noch eine Kraft zur Erweckung intereſſanter Erinnerungen oder er- goͤtzender Phantaſien gewinnen. 5. Es bedarf nur wenig Beyſpiele von wirklichen Ausfuͤhrungen, um dieſen Be- merkungen uͤber die wahre Anlage der Grotten ſowohl etwas mehr Nachdruck als Er- weiterung zu geben. Dazu moͤgen mit ihren Scenen die Grotten in den Leaſowes, zu Stowe und zu Twickenham dienen. In den Leaſowes *) fuͤhrt ein einſamer Weg nach einer Grotte von natuͤrlich ſcheinenden, aber durch die Kunſt ausgehoͤhlten Felſen, worinn eine Caſcade rauſcht. Sie iſt dick mit Buſchwerk eingefaßt, wovon einiges uͤber den Rand des Felſen haͤngt, und mit immergruͤnenden Baͤumen und Waldbaͤumen vermiſcht iſt. Um den Cha- rakter einer Grotte noch ſtaͤrker auszudruͤcken, hat man einen rauhen ſteinernen Sitz unter wilden Wurzeln ſehr ſchicklich angebracht; ein Zuſatz, daraus vielleicht nicht viel gemacht wird, der aber doch eine angenehme Wirkung hat. Eine ſchickliche In- ſchrift bezeichnet dieſe Grotte: Intus aquae dulces, vivoque ſedilia ſaxo, Nympharum domus. Der Ellernhain zu Stowe **) giebt einen einſamen Aufenthalt mitten in ei- nem Schatten ab, den ſelbſt die Strahlen des Mittags nicht auſklaͤren koͤnnen. Das Waſſer ſcheint ein ſtillſtehender Teich zu ſeyn, der ſein Ufer durchfrißt, und eine ganz beſondere Farbe hat; denn er iſt nicht ſchlammigt, ſondern nur dunkel, und wirft das ſchwaͤrzliche Bild der Roßkaſtanien und Ellern zuruͤck, die zunaͤchſt um den Rand ſte- hen. *) In Shropſhire zwiſchen Birmingham und Stourbridge. S. Heely Briefe uͤber die Schoͤnheiten von den Leaſowes u. ſ. f. 20ſter Br. **) Betrachtungen uͤber das heutige Gartenweſen, S. 274. M 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/97>, abgerufen am 21.12.2024.