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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt. Von Statüen,
durch sich verständlich; allein eine bloße Säule, die einer Verschiedenheit der Bezeich-
nung fähig ist, bedarf schon eines kleinen aufklärenden Zusatzes, einer Aufschrift oder
eines Sinnbildes. Ein Schmetterling, worunter schon die Alten die Unsterblichkeit
der Seele sehr richtig vorstellten, Psyche, die mit gestütztem Haupte sich an den Fuß
einer Säule lehnt, eine sitzende Figur, die mit beyden Händen ihre Knie umfasset,
ein Genius, der eine Fackel auslöscht, u. a. sind weit anständigere Sinnbilder bey
Trauermonumenten, als ein ekelhafter Todtenkopf. Ein bloßer Blumenkranz ist zu-
weilen schon eine hinlängliche Bezeichnung auf einer Säule, die einer frohen Erinne-
rung gewidmet ist. Bey keinem Kunstwerke ist alles Ueberflüßige in der Verzierung
sorgfältiger zu vermeiden, als bey Monumenten. Nichts schadet mehr der stillen
Größe und der ernsthaften Einfalt, die das Wesentliche ihres Charakters ausmachen.
Ein Trauerdenkmal scheint fast gar keine Verzierung zu vertragen. Je einfacher ein
Monument ist, desto weniger kann es das Auge zerstreuen, desto sicherer und schneller
ist sein Eindruck. Das Auge muß es auf einmal umfassen können, nichts haben zum
Aufsuchen, noch zum Herumirren. Zwo Inschriften widersprechen schon dem Ge-
setze der Einfachheit, und eine ganz vollständige Säule, die auf ihrer Spitze noch eine
Urne trägt, ist beynahe schon eine überflüßige Zusammensetzung.

3.

Nachdem in der neuen Manier der Kunst die Bewegungen, die Gärten zu er-
regen fähig sind, vervielfältigt worden, hat man auch edle Monumente einzuführen
angefangen. Schon lange haben die Britten ihren Dichtern und andern verdienten
Männern der Nation Urnen, Säulen und, wie schon bemerkt ist, Gebäude zu Denk-
mälern in ihren Parks gewidmet. Man trifft davon jetzt fast überall Beyspiele an.
Angenehm ist die Erinnerung, daß eines der ersten davon eine Denksäule der kindli-
chen Liebe war, die Pope seiner Mutter in seinem bekannten Garten in Twickenham
setzte, und die noch steht. Es ist eine vierseitige abgestutzte Säule; sie hält funfzehn
Fuß in die Höhe, außer dem Postament von fünf Fuß, und ist mit dieser Inschrift
geziert:

Ah Editha, matrum optuma, mulierum amantissima, vale!

Das Monument steht auf einer kleinen Erhöhung von Rasen, und ist ringsumher mit
Fichten, Ulmen und Cypressen umschlossen; der Eingang ist ein mit Moos bekleideter
und von hohen Bäumen überschatteter Platz.

Deutsch-

Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
durch ſich verſtaͤndlich; allein eine bloße Saͤule, die einer Verſchiedenheit der Bezeich-
nung faͤhig iſt, bedarf ſchon eines kleinen aufklaͤrenden Zuſatzes, einer Aufſchrift oder
eines Sinnbildes. Ein Schmetterling, worunter ſchon die Alten die Unſterblichkeit
der Seele ſehr richtig vorſtellten, Pſyche, die mit geſtuͤtztem Haupte ſich an den Fuß
einer Saͤule lehnt, eine ſitzende Figur, die mit beyden Haͤnden ihre Knie umfaſſet,
ein Genius, der eine Fackel ausloͤſcht, u. a. ſind weit anſtaͤndigere Sinnbilder bey
Trauermonumenten, als ein ekelhafter Todtenkopf. Ein bloßer Blumenkranz iſt zu-
weilen ſchon eine hinlaͤngliche Bezeichnung auf einer Saͤule, die einer frohen Erinne-
rung gewidmet iſt. Bey keinem Kunſtwerke iſt alles Ueberfluͤßige in der Verzierung
ſorgfaͤltiger zu vermeiden, als bey Monumenten. Nichts ſchadet mehr der ſtillen
Groͤße und der ernſthaften Einfalt, die das Weſentliche ihres Charakters ausmachen.
Ein Trauerdenkmal ſcheint faſt gar keine Verzierung zu vertragen. Je einfacher ein
Monument iſt, deſto weniger kann es das Auge zerſtreuen, deſto ſicherer und ſchneller
iſt ſein Eindruck. Das Auge muß es auf einmal umfaſſen koͤnnen, nichts haben zum
Aufſuchen, noch zum Herumirren. Zwo Inſchriften widerſprechen ſchon dem Ge-
ſetze der Einfachheit, und eine ganz vollſtaͤndige Saͤule, die auf ihrer Spitze noch eine
Urne traͤgt, iſt beynahe ſchon eine uͤberfluͤßige Zuſammenſetzung.

3.

Nachdem in der neuen Manier der Kunſt die Bewegungen, die Gaͤrten zu er-
regen faͤhig ſind, vervielfaͤltigt worden, hat man auch edle Monumente einzufuͤhren
angefangen. Schon lange haben die Britten ihren Dichtern und andern verdienten
Maͤnnern der Nation Urnen, Saͤulen und, wie ſchon bemerkt iſt, Gebaͤude zu Denk-
maͤlern in ihren Parks gewidmet. Man trifft davon jetzt faſt uͤberall Beyſpiele an.
Angenehm iſt die Erinnerung, daß eines der erſten davon eine Denkſaͤule der kindli-
chen Liebe war, die Pope ſeiner Mutter in ſeinem bekannten Garten in Twickenham
ſetzte, und die noch ſteht. Es iſt eine vierſeitige abgeſtutzte Saͤule; ſie haͤlt funfzehn
Fuß in die Hoͤhe, außer dem Poſtament von fuͤnf Fuß, und iſt mit dieſer Inſchrift
geziert:

Ah Editha, matrum optuma, mulierum amantiſſima, vale!

Das Monument ſteht auf einer kleinen Erhoͤhung von Raſen, und iſt ringsumher mit
Fichten, Ulmen und Cypreſſen umſchloſſen; der Eingang iſt ein mit Moos bekleideter
und von hohen Baͤumen uͤberſchatteter Platz.

Deutſch-
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[146/0150] Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, durch ſich verſtaͤndlich; allein eine bloße Saͤule, die einer Verſchiedenheit der Bezeich- nung faͤhig iſt, bedarf ſchon eines kleinen aufklaͤrenden Zuſatzes, einer Aufſchrift oder eines Sinnbildes. Ein Schmetterling, worunter ſchon die Alten die Unſterblichkeit der Seele ſehr richtig vorſtellten, Pſyche, die mit geſtuͤtztem Haupte ſich an den Fuß einer Saͤule lehnt, eine ſitzende Figur, die mit beyden Haͤnden ihre Knie umfaſſet, ein Genius, der eine Fackel ausloͤſcht, u. a. ſind weit anſtaͤndigere Sinnbilder bey Trauermonumenten, als ein ekelhafter Todtenkopf. Ein bloßer Blumenkranz iſt zu- weilen ſchon eine hinlaͤngliche Bezeichnung auf einer Saͤule, die einer frohen Erinne- rung gewidmet iſt. Bey keinem Kunſtwerke iſt alles Ueberfluͤßige in der Verzierung ſorgfaͤltiger zu vermeiden, als bey Monumenten. Nichts ſchadet mehr der ſtillen Groͤße und der ernſthaften Einfalt, die das Weſentliche ihres Charakters ausmachen. Ein Trauerdenkmal ſcheint faſt gar keine Verzierung zu vertragen. Je einfacher ein Monument iſt, deſto weniger kann es das Auge zerſtreuen, deſto ſicherer und ſchneller iſt ſein Eindruck. Das Auge muß es auf einmal umfaſſen koͤnnen, nichts haben zum Aufſuchen, noch zum Herumirren. Zwo Inſchriften widerſprechen ſchon dem Ge- ſetze der Einfachheit, und eine ganz vollſtaͤndige Saͤule, die auf ihrer Spitze noch eine Urne traͤgt, iſt beynahe ſchon eine uͤberfluͤßige Zuſammenſetzung. 3. Nachdem in der neuen Manier der Kunſt die Bewegungen, die Gaͤrten zu er- regen faͤhig ſind, vervielfaͤltigt worden, hat man auch edle Monumente einzufuͤhren angefangen. Schon lange haben die Britten ihren Dichtern und andern verdienten Maͤnnern der Nation Urnen, Saͤulen und, wie ſchon bemerkt iſt, Gebaͤude zu Denk- maͤlern in ihren Parks gewidmet. Man trifft davon jetzt faſt uͤberall Beyſpiele an. Angenehm iſt die Erinnerung, daß eines der erſten davon eine Denkſaͤule der kindli- chen Liebe war, die Pope ſeiner Mutter in ſeinem bekannten Garten in Twickenham ſetzte, und die noch ſteht. Es iſt eine vierſeitige abgeſtutzte Saͤule; ſie haͤlt funfzehn Fuß in die Hoͤhe, außer dem Poſtament von fuͤnf Fuß, und iſt mit dieſer Inſchrift geziert: Ah Editha, matrum optuma, mulierum amantiſſima, vale! Das Monument ſteht auf einer kleinen Erhoͤhung von Raſen, und iſt ringsumher mit Fichten, Ulmen und Cypreſſen umſchloſſen; der Eingang iſt ein mit Moos bekleideter und von hohen Baͤumen uͤberſchatteter Platz. Deutſch-

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/150>, abgerufen am 21.12.2024.