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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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und Landhäusern.
I.
Lage.
1.

Sie fordert zwey wesentliche Stücke, Gesundheit und Anmuth.

Worauf man zuerst bey der Anlage eines Lustschlosses und Landhauses zu se-
hen hat, ist dieses, daß man eine gesunde von einem heitern Himmel umflossene Ge-
gend wähle, die weder umherstehende Teiche und Moräste hat, noch zu sehr in Tiefen
und Gebüschen versteckt ist, als daß sie von reinigenden Winden erreicht werden könnte.
Auch nicht in sumpfigten Ebenen und Thälern, noch zu nahe bey einer volkreichen
Stadt, deren Ausdünstungen und Rauch oft eine ganze Gegend verderben. Wenn
diese Regel nicht schon dem gemeinen Verstande durch eine unmittelbare Empfindung
beygebracht würde, und wenn außerdem nicht so viele alte und neue Schriftsteller sie
wiederholt hätten, so könnte man sich vielleicht weniger darüber verwundern, daß so
oft wider sie gefehlt wird. Ein falscher Geschmack, und eine bejahrte Gewohnheit
aus den gothischen Zeiten machen oft mit allem Fleiß einen an sich guten Ort unge-
sund. Bald zieht man rings um das Gebäude so dichte und hohe Alleen, daß nicht
allein ein wesentliches Stück, die Aussicht, verloren geht, sondern auch keine erfrischen-
de Kühlung mehr durchdringen kann, und die Luft ohne Bewegung bleibt. Bald
wird um die Landhäuser ein tiefer Graben von stehendem faulenden Wasser geleitet,
dessen Ausdünstungen desto schädlicher sind, je leichter sie in die nahen Gemächer ein-
dringen; da hingegen, wenn das Wasser fließend wäre, sowohl der Nachtheil für die
Gesundheit verschwinden, als auch das Auge und die Einbildungskraft mehr Erfri-
schung erhalten würden. Unbegreiflich ist es, wie manche Schriftsteller eine solche
verkehrte Anlage sogar als nothwendig empfehlen können. "Alle Landhäuser und
Lustgärten müssen, um angenehm zu seyn, mit Gräben, Mauern, Pallisaden, und
dergleichen umgeben seyn." So fängt ein holländischer Schriftsteller[Spaltenumbruch] *) unter ei-
nem blendenden Titel seine Theorie an, und bewundert die ältern Landhäuser

seiner
*) Les agremens de la campagne ou
remarques sur la construction des mai-
[Spaltenumbruch] sons de campagne, avec fig. 4. Leide.

1750.
III Band. B
und Landhaͤuſern.
I.
Lage.
1.

Sie fordert zwey weſentliche Stuͤcke, Geſundheit und Anmuth.

Worauf man zuerſt bey der Anlage eines Luſtſchloſſes und Landhauſes zu ſe-
hen hat, iſt dieſes, daß man eine geſunde von einem heitern Himmel umfloſſene Ge-
gend waͤhle, die weder umherſtehende Teiche und Moraͤſte hat, noch zu ſehr in Tiefen
und Gebuͤſchen verſteckt iſt, als daß ſie von reinigenden Winden erreicht werden koͤnnte.
Auch nicht in ſumpfigten Ebenen und Thaͤlern, noch zu nahe bey einer volkreichen
Stadt, deren Ausduͤnſtungen und Rauch oft eine ganze Gegend verderben. Wenn
dieſe Regel nicht ſchon dem gemeinen Verſtande durch eine unmittelbare Empfindung
beygebracht wuͤrde, und wenn außerdem nicht ſo viele alte und neue Schriftſteller ſie
wiederholt haͤtten, ſo koͤnnte man ſich vielleicht weniger daruͤber verwundern, daß ſo
oft wider ſie gefehlt wird. Ein falſcher Geſchmack, und eine bejahrte Gewohnheit
aus den gothiſchen Zeiten machen oft mit allem Fleiß einen an ſich guten Ort unge-
ſund. Bald zieht man rings um das Gebaͤude ſo dichte und hohe Alleen, daß nicht
allein ein weſentliches Stuͤck, die Ausſicht, verloren geht, ſondern auch keine erfriſchen-
de Kuͤhlung mehr durchdringen kann, und die Luft ohne Bewegung bleibt. Bald
wird um die Landhaͤuſer ein tiefer Graben von ſtehendem faulenden Waſſer geleitet,
deſſen Ausduͤnſtungen deſto ſchaͤdlicher ſind, je leichter ſie in die nahen Gemaͤcher ein-
dringen; da hingegen, wenn das Waſſer fließend waͤre, ſowohl der Nachtheil fuͤr die
Geſundheit verſchwinden, als auch das Auge und die Einbildungskraft mehr Erfri-
ſchung erhalten wuͤrden. Unbegreiflich iſt es, wie manche Schriftſteller eine ſolche
verkehrte Anlage ſogar als nothwendig empfehlen koͤnnen. „Alle Landhaͤuſer und
Luſtgaͤrten muͤſſen, um angenehm zu ſeyn, mit Graͤben, Mauern, Palliſaden, und
dergleichen umgeben ſeyn.“ So faͤngt ein hollaͤndiſcher Schriftſteller[Spaltenumbruch] *) unter ei-
nem blendenden Titel ſeine Theorie an, und bewundert die aͤltern Landhaͤuſer

ſeiner
*) Les agrémens de la campagne ou
remarques ſur la conſtruction des mai-
[Spaltenumbruch] ſons de campagne, avec fig. 4. Leide.

1750.
III Band. B
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[9/0013] und Landhaͤuſern. I. Lage. 1. Sie fordert zwey weſentliche Stuͤcke, Geſundheit und Anmuth. Worauf man zuerſt bey der Anlage eines Luſtſchloſſes und Landhauſes zu ſe- hen hat, iſt dieſes, daß man eine geſunde von einem heitern Himmel umfloſſene Ge- gend waͤhle, die weder umherſtehende Teiche und Moraͤſte hat, noch zu ſehr in Tiefen und Gebuͤſchen verſteckt iſt, als daß ſie von reinigenden Winden erreicht werden koͤnnte. Auch nicht in ſumpfigten Ebenen und Thaͤlern, noch zu nahe bey einer volkreichen Stadt, deren Ausduͤnſtungen und Rauch oft eine ganze Gegend verderben. Wenn dieſe Regel nicht ſchon dem gemeinen Verſtande durch eine unmittelbare Empfindung beygebracht wuͤrde, und wenn außerdem nicht ſo viele alte und neue Schriftſteller ſie wiederholt haͤtten, ſo koͤnnte man ſich vielleicht weniger daruͤber verwundern, daß ſo oft wider ſie gefehlt wird. Ein falſcher Geſchmack, und eine bejahrte Gewohnheit aus den gothiſchen Zeiten machen oft mit allem Fleiß einen an ſich guten Ort unge- ſund. Bald zieht man rings um das Gebaͤude ſo dichte und hohe Alleen, daß nicht allein ein weſentliches Stuͤck, die Ausſicht, verloren geht, ſondern auch keine erfriſchen- de Kuͤhlung mehr durchdringen kann, und die Luft ohne Bewegung bleibt. Bald wird um die Landhaͤuſer ein tiefer Graben von ſtehendem faulenden Waſſer geleitet, deſſen Ausduͤnſtungen deſto ſchaͤdlicher ſind, je leichter ſie in die nahen Gemaͤcher ein- dringen; da hingegen, wenn das Waſſer fließend waͤre, ſowohl der Nachtheil fuͤr die Geſundheit verſchwinden, als auch das Auge und die Einbildungskraft mehr Erfri- ſchung erhalten wuͤrden. Unbegreiflich iſt es, wie manche Schriftſteller eine ſolche verkehrte Anlage ſogar als nothwendig empfehlen koͤnnen. „Alle Landhaͤuſer und Luſtgaͤrten muͤſſen, um angenehm zu ſeyn, mit Graͤben, Mauern, Palliſaden, und dergleichen umgeben ſeyn.“ So faͤngt ein hollaͤndiſcher Schriftſteller *) unter ei- nem blendenden Titel ſeine Theorie an, und bewundert die aͤltern Landhaͤuſer ſeiner *) Les agrémens de la campagne ou remarques ſur la conſtruction des mai- ſons de campagne, avec fig. 4. Leide. 1750. III Band. B

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/13>, abgerufen am 21.11.2024.