Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Zweyter Abschnitt. 4. Wald. Außer der Größe, wodurch sich, wie schon bemerkt ist, der Wald vom Hain Allein außer der Größe kann auch der Wald einen Charakter von sehr fühlba- Außerdem tragen auch die verschiedenen Lagen eines Waldes nicht wenig zur Feyerliche Ruhe und hohe Wonne verbreitet sich, wenn eine weite Land- Rinder
Zweyter Abſchnitt. 4. Wald. Außer der Groͤße, wodurch ſich, wie ſchon bemerkt iſt, der Wald vom Hain Allein außer der Groͤße kann auch der Wald einen Charakter von ſehr fuͤhlba- Außerdem tragen auch die verſchiedenen Lagen eines Waldes nicht wenig zur Feyerliche Ruhe und hohe Wonne verbreitet ſich, wenn eine weite Land- Rinder
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Zweyter Abſchnitt.
4.
Wald.
Außer der Groͤße, wodurch ſich, wie ſchon bemerkt iſt, der Wald vom Hain
unterſcheidet, erfordert er auch nicht nothwendig ſchoͤne, edle und gewaͤhlte Baͤume,
die dieſer als ſein Eigenthum anſieht. In den Baͤumen des Waldes kann mehr Nach-
laͤſſigkeit, mehr Verwilderung herrſchen; er kann mit Unterholz verwachſen ſeyn, wo-
von der Hain, der mehr Cultur ſucht, befreyet iſt. Auch begnuͤgt ſich der Wald mit
gemeinen Baumarten. Der Hain aber, der mehr eine Pflanzung von der Hand
des Menſchen iſt, verlangt Baͤume, die ſich durch irgend einen Theil von vorzuͤglicher
Schoͤnheit auszeichnen.
Allein außer der Groͤße kann auch der Wald einen Charakter von ſehr fuͤhlba-
ter Anmuthigkeit haben. Die Hoͤhe und Groͤße ſeiner Baͤume, die Verſchiedenheit
ihrer Figuren und Abſtaͤnde, die Abwechſelung der Duͤnnigkeit und Dichtigkeit der
Zweige, die Abaͤnderung des Laubes, die Verzierung der Straͤucher, Pflanzen und
Blumen, die den Boden ſchmuͤcken, die offenen und die verſchloſſenen Plaͤtze, die
Durchſichten, die Schauſpiele des Lichts und des Schattens, ſind die gewoͤhnlichen
Puncte, wodurch die Mannichfaltigkeit des Innern eines Waldes bewirkt wird.
Außerdem tragen auch die verſchiedenen Lagen eines Waldes nicht wenig zur
Vermehrung dieſer Mannichfaltigkeit bey. Dahin gehoͤren, außer den Ungleichheiten
und Kruͤmmungen des Bodens, die anmuthigen, edlen, kuͤhnen, romantiſchen, feyer-
lichen Lagen, die ein Wald haben kann. Anmuthig, wenn er auf ſanften, wellen-
foͤrmigen Huͤgeln, an Wieſen, an Fluͤſſen ſich verbreitet; edel, wenn er ſich auf
Bergen erhebt, deren Ausſicht uͤber die Landſchaft herrſcht; kuͤhn, wenn er von ſteilen
unwegſamen Felsſpitzen drohend haͤngt; romantiſch, wenn er mitten aus einem See
emporzuſteigen ſcheint, oder ſich uͤber Felſenwaͤnde herabſenkt, unter welchen ein wil-
der Strom dahin tobt; feyerlich, wenn er auf Gebirgen thront und Wolken um ſeinen
Fuß ſich waͤlzen ſieht. Und wie viele verſchwenderiſche Abaͤnderungen und Verbin-
dungen dieſer Lagen, zumal mit Waſſer und auf Anhoͤhen! Man kann hier zwar
einen Wink auf die unendliche Mannichfaltigkeit der Natur geben; aber vergebens
waͤre jeder Verſuch, ſie beſchreiben zu wollen.
Feyerliche Ruhe und hohe Wonne verbreitet ſich, wenn eine weite Land-
ſchaft umher auf allen Seiten mit Waͤldern umſchloſſen iſt. Allein auch in dem en-
gern Bezirk eines einzelnen Waldes fehlt es nicht an reizenden Wirkungen. Ein Ge-
fuͤhl von laͤndlichem Frieden und von dem Gluͤck einer ſtillen Eingezogenheit bemaͤchtigt
ſich unſerer, wenn wir in der Einoͤde des Waldes eine Huͤtte antreffen, daneben einige
Rinder
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