Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
der Alten und der Neuen.

Die witzigen Scribenten der Nation fangen an, über die alte symmetrische Ma-
nier zu spotten; die Enthusiasten erheben bis zur Ausschweifung den eingebildeten Ge-
schmack der Chineser; die Kenner suchen auf dem Wege des Britten und der Na-
tur die wahren Grundsätze auf, denen die Bildung schönerer Gärten, als ihre Vor-
fahren hatten, folgen muß. Man beschäftigt sich jetzt, neue Gärten in einem rei-
nern Geschmack anzulegen, oder die alten zu verbessern. Ein Vertrauter der schönen
Künste, ein Mann, der mit dem Geschmack und der Philosophie, womit er schreibt,
auch seine Tage zu verschönern weiß, hat uns eine so angenehme Beschreibung seines
Gartens gegeben, daß der Liebhaber sich ohne Zweifel freuen wird, sie hier wieder
zu finden. Er ist für die Nation ein Muster eines bescheidenen und ländlichrei-
zenden Gartens. Und hier würde der Genuß eines schönen Frühlingstages in dem
Umgang seines Besitzers mich mehr befriedigen, als alle Herrlichkeit und Feste von
Versailles.

[Abbildung]
Garten des Herrn Watelet bey Paris. *)
An einen Freund.

Eine Stunde von der Stadt gegen Abend bewässert der Fluß angenehme Wie-
sen; und indem er sich in mehrere Arme theilt, bildet er eine Menge Inseln, die von

dichten
*) Essai sur les Jardins par M. Watelet. Paris 8. 1774. S. 138. u. s. w.
der Alten und der Neuen.

Die witzigen Scribenten der Nation fangen an, uͤber die alte ſymmetriſche Ma-
nier zu ſpotten; die Enthuſiaſten erheben bis zur Ausſchweifung den eingebildeten Ge-
ſchmack der Chineſer; die Kenner ſuchen auf dem Wege des Britten und der Na-
tur die wahren Grundſaͤtze auf, denen die Bildung ſchoͤnerer Gaͤrten, als ihre Vor-
fahren hatten, folgen muß. Man beſchaͤftigt ſich jetzt, neue Gaͤrten in einem rei-
nern Geſchmack anzulegen, oder die alten zu verbeſſern. Ein Vertrauter der ſchoͤnen
Kuͤnſte, ein Mann, der mit dem Geſchmack und der Philoſophie, womit er ſchreibt,
auch ſeine Tage zu verſchoͤnern weiß, hat uns eine ſo angenehme Beſchreibung ſeines
Gartens gegeben, daß der Liebhaber ſich ohne Zweifel freuen wird, ſie hier wieder
zu finden. Er iſt fuͤr die Nation ein Muſter eines beſcheidenen und laͤndlichrei-
zenden Gartens. Und hier wuͤrde der Genuß eines ſchoͤnen Fruͤhlingstages in dem
Umgang ſeines Beſitzers mich mehr befriedigen, als alle Herrlichkeit und Feſte von
Verſailles.

[Abbildung]
Garten des Herrn Watelet bey Paris. *)
An einen Freund.

Eine Stunde von der Stadt gegen Abend bewaͤſſert der Fluß angenehme Wie-
ſen; und indem er ſich in mehrere Arme theilt, bildet er eine Menge Inſeln, die von

dichten
*) Eſſai ſur les Jardins par M. Watelet. Paris 8. 1774. S. 138. u. ſ. w.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <pb facs="#f0053" n="39"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der Alten und der Neuen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Die witzigen Scribenten der Nation fangen an, u&#x0364;ber die alte &#x017F;ymmetri&#x017F;che Ma-<lb/>
nier zu &#x017F;potten; die Enthu&#x017F;ia&#x017F;ten erheben bis zur Aus&#x017F;chweifung den eingebildeten Ge-<lb/>
&#x017F;chmack der <hi rendition="#fr">Chine&#x017F;er;</hi> die Kenner &#x017F;uchen auf dem Wege des <hi rendition="#fr">Britten</hi> und der Na-<lb/>
tur die wahren Grund&#x017F;a&#x0364;tze auf, denen die Bildung &#x017F;cho&#x0364;nerer Ga&#x0364;rten, als ihre Vor-<lb/>
fahren hatten, folgen muß. Man be&#x017F;cha&#x0364;ftigt &#x017F;ich jetzt, neue Ga&#x0364;rten in einem rei-<lb/>
nern Ge&#x017F;chmack anzulegen, oder die alten zu verbe&#x017F;&#x017F;ern. Ein Vertrauter der &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te, ein Mann, der mit dem Ge&#x017F;chmack und der Philo&#x017F;ophie, womit er &#x017F;chreibt,<lb/>
auch &#x017F;eine Tage zu ver&#x017F;cho&#x0364;nern weiß, hat uns eine &#x017F;o angenehme Be&#x017F;chreibung &#x017F;eines<lb/>
Gartens gegeben, daß der Liebhaber &#x017F;ich ohne Zweifel freuen wird, &#x017F;ie hier wieder<lb/>
zu finden. Er i&#x017F;t fu&#x0364;r die Nation ein Mu&#x017F;ter eines be&#x017F;cheidenen und la&#x0364;ndlichrei-<lb/>
zenden Gartens. Und hier wu&#x0364;rde der Genuß eines &#x017F;cho&#x0364;nen Fru&#x0364;hlingstages in dem<lb/>
Umgang &#x017F;eines Be&#x017F;itzers mich mehr befriedigen, als alle Herrlichkeit und Fe&#x017F;te von<lb/><hi rendition="#fr">Ver&#x017F;ailles.</hi></p><lb/>
            <figure/>
            <div n="5">
              <head><hi rendition="#b">Garten des Herrn Watelet bey Paris.</hi><note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ai &#x017F;ur les Jardins par M. Watelet. Paris</hi> 8. 1774. S. 138. u. &#x017F;. w.</note><lb/>
An einen Freund.</head><lb/>
              <p>Eine Stunde von der Stadt gegen Abend bewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert der Fluß angenehme Wie-<lb/>
&#x017F;en; und indem er &#x017F;ich in mehrere Arme theilt, bildet er eine Menge In&#x017F;eln, die von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dichten</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0053] der Alten und der Neuen. Die witzigen Scribenten der Nation fangen an, uͤber die alte ſymmetriſche Ma- nier zu ſpotten; die Enthuſiaſten erheben bis zur Ausſchweifung den eingebildeten Ge- ſchmack der Chineſer; die Kenner ſuchen auf dem Wege des Britten und der Na- tur die wahren Grundſaͤtze auf, denen die Bildung ſchoͤnerer Gaͤrten, als ihre Vor- fahren hatten, folgen muß. Man beſchaͤftigt ſich jetzt, neue Gaͤrten in einem rei- nern Geſchmack anzulegen, oder die alten zu verbeſſern. Ein Vertrauter der ſchoͤnen Kuͤnſte, ein Mann, der mit dem Geſchmack und der Philoſophie, womit er ſchreibt, auch ſeine Tage zu verſchoͤnern weiß, hat uns eine ſo angenehme Beſchreibung ſeines Gartens gegeben, daß der Liebhaber ſich ohne Zweifel freuen wird, ſie hier wieder zu finden. Er iſt fuͤr die Nation ein Muſter eines beſcheidenen und laͤndlichrei- zenden Gartens. Und hier wuͤrde der Genuß eines ſchoͤnen Fruͤhlingstages in dem Umgang ſeines Beſitzers mich mehr befriedigen, als alle Herrlichkeit und Feſte von Verſailles. [Abbildung] Garten des Herrn Watelet bey Paris. *) An einen Freund. Eine Stunde von der Stadt gegen Abend bewaͤſſert der Fluß angenehme Wie- ſen; und indem er ſich in mehrere Arme theilt, bildet er eine Menge Inſeln, die von dichten *) Eſſai ſur les Jardins par M. Watelet. Paris 8. 1774. S. 138. u. ſ. w.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/53
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/53>, abgerufen am 21.11.2024.