Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren diese erhabene Anrufung, indem er die Ewigkeit beschreiben will, gründet sich auf Indessen kann in einer schönen Landschaft ein schrecklicher und fürchterlicher Ge- 2. Die Gegenden, die sich für Gärten schicken, sind zuerst die angenehmen, die Die Natur bildet Gegenden von dieser Gattung in einer unbeschreiblichen Ab- Ihr Eindruck ist gemäßigt. Eine ruhige Behaglichkeit, eine erwärmende und
Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren dieſe erhabene Anrufung, indem er die Ewigkeit beſchreiben will, gruͤndet ſich auf Indeſſen kann in einer ſchoͤnen Landſchaft ein ſchrecklicher und fuͤrchterlicher Ge- 2. Die Gegenden, die ſich fuͤr Gaͤrten ſchicken, ſind zuerſt die angenehmen, die Die Natur bildet Gegenden von dieſer Gattung in einer unbeſchreiblichen Ab- Ihr Eindruck iſt gemaͤßigt. Eine ruhige Behaglichkeit, eine erwaͤrmende und
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0224" n="210"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren</hi> </fw><lb/> <p>dieſe erhabene Anrufung, indem er die Ewigkeit beſchreiben will, gruͤndet ſich auf<lb/> eine richtige Empfindung, die eine Folge von den natuͤrlichen Eindruͤcken dieſer Sce-<lb/> nen iſt.</p><lb/> <p>Indeſſen kann in einer ſchoͤnen Landſchaft ein ſchrecklicher und fuͤrchterlicher Ge-<lb/> genſtand erſcheinen, ohne daß ihre angenehme Wirkung dadurch geſtoͤrt wird; ja ſie<lb/> kann ſelbſt durch den Einfluß des Contraſtes gewinnen. Dieſes beweiſen manche<lb/> Ketten von lieblichen Thaͤlern in der <hi rendition="#fr">Schweiz,</hi> uͤber welche benachbarte mit Eis und<lb/> Schnee belaſtete <hi rendition="#fr">Alpen</hi> herabdrohen; dieſes beweiſet der rauchende Vulcan auf der<lb/> romantiſchen <hi rendition="#fr">Inſel Sicilien.</hi> Doch wird der Gartenkuͤnſtler, der einen viel engern<lb/> Raum hat, als die Natur, es nicht leicht wagen duͤrfen, hier nachzuahmen.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>2.</head><lb/> <p>Die Gegenden, die ſich fuͤr Gaͤrten ſchicken, ſind zuerſt die <hi rendition="#fr">angenehmen,</hi> die<lb/><hi rendition="#fr">muntern,</hi> und die <hi rendition="#fr">heitern;</hi> die letztern koͤnnen auch den Namen der <hi rendition="#fr">lachenden</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">reizenden</hi> fuͤhren. Sie beſtehen uͤberhaupt aus Abwechſelungen von kleinen Vertie-<lb/> fungen und Anhoͤhen, aus unmerklichen Kruͤmmungen und mancherley Ungleichheiten<lb/> des Bodens, aus leichten, freyen und anmuthigen Zuſammenſetzungen von Wieſen,<lb/> Buſchwerk und Hainen, Blumen, Waſſer und niedrigen Huͤgeln. Felſen, Ge-<lb/> birge und ſtarke Waſſerfaͤlle ſind hier ausgeſchloſſen. Je mannigfaltiger und ver-<lb/> wickelter die Zuſammenſetzungen ſind, deſto mehr Amnuth. Das Friſche und Leb-<lb/> hafte des Gruͤns auf den Raſen und an den Baͤumen, die Klarheit des Waſſers,<lb/> ſein ſtiller heller Spiegel, oder ſein rieſelnder Lauf, ſein huͤpfendes Geplaͤtſcher, eine<lb/> Menge ſpielender Baͤche und kleiner Waſſerguͤſſe, Blumen von glaͤnzenden Farben,<lb/> ſanfte Erhebung der Huͤgel mit Gebuͤſch und bluͤhenden Geſtraͤuchen, liebliche Erhei-<lb/> terung des Schattens, umherſchwebende Wiederſcheine, Ausſichten auf Scenen voll<lb/> Leben und Bewegung — beſtimmen den Charakter ſolcher Gegenden in verſchiedenen<lb/> Graden, die von dem blos Angenehmen zum Muntern, und von dem Muntern zum<lb/> Heitern hinauffteigen.</p><lb/> <p>Die Natur bildet Gegenden von dieſer Gattung in einer unbeſchreiblichen Ab-<lb/> wechſelung, und in einer verſchwenderiſchen Verſchiedenheit der Groͤße, der Formen,<lb/> der Farben, der Stellungen und der Verbindungen. Sie kommen, weil die Natur<lb/> ſie in einer ſo reichen Mannigfaltigkeit liefert, in tauſend Nachbildungen der Dichter<lb/> und der Landſchaftmaler wieder vor.</p><lb/> <p>Ihr Eindruck iſt gemaͤßigt. Eine ruhige Behaglichkeit, eine erwaͤrmende<lb/> Aufwallung von Ergoͤtzung, ein ſanftes Dahinſchweben der Seele in Empfindungen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0224]
Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren
dieſe erhabene Anrufung, indem er die Ewigkeit beſchreiben will, gruͤndet ſich auf
eine richtige Empfindung, die eine Folge von den natuͤrlichen Eindruͤcken dieſer Sce-
nen iſt.
Indeſſen kann in einer ſchoͤnen Landſchaft ein ſchrecklicher und fuͤrchterlicher Ge-
genſtand erſcheinen, ohne daß ihre angenehme Wirkung dadurch geſtoͤrt wird; ja ſie
kann ſelbſt durch den Einfluß des Contraſtes gewinnen. Dieſes beweiſen manche
Ketten von lieblichen Thaͤlern in der Schweiz, uͤber welche benachbarte mit Eis und
Schnee belaſtete Alpen herabdrohen; dieſes beweiſet der rauchende Vulcan auf der
romantiſchen Inſel Sicilien. Doch wird der Gartenkuͤnſtler, der einen viel engern
Raum hat, als die Natur, es nicht leicht wagen duͤrfen, hier nachzuahmen.
2.
Die Gegenden, die ſich fuͤr Gaͤrten ſchicken, ſind zuerſt die angenehmen, die
muntern, und die heitern; die letztern koͤnnen auch den Namen der lachenden oder
reizenden fuͤhren. Sie beſtehen uͤberhaupt aus Abwechſelungen von kleinen Vertie-
fungen und Anhoͤhen, aus unmerklichen Kruͤmmungen und mancherley Ungleichheiten
des Bodens, aus leichten, freyen und anmuthigen Zuſammenſetzungen von Wieſen,
Buſchwerk und Hainen, Blumen, Waſſer und niedrigen Huͤgeln. Felſen, Ge-
birge und ſtarke Waſſerfaͤlle ſind hier ausgeſchloſſen. Je mannigfaltiger und ver-
wickelter die Zuſammenſetzungen ſind, deſto mehr Amnuth. Das Friſche und Leb-
hafte des Gruͤns auf den Raſen und an den Baͤumen, die Klarheit des Waſſers,
ſein ſtiller heller Spiegel, oder ſein rieſelnder Lauf, ſein huͤpfendes Geplaͤtſcher, eine
Menge ſpielender Baͤche und kleiner Waſſerguͤſſe, Blumen von glaͤnzenden Farben,
ſanfte Erhebung der Huͤgel mit Gebuͤſch und bluͤhenden Geſtraͤuchen, liebliche Erhei-
terung des Schattens, umherſchwebende Wiederſcheine, Ausſichten auf Scenen voll
Leben und Bewegung — beſtimmen den Charakter ſolcher Gegenden in verſchiedenen
Graden, die von dem blos Angenehmen zum Muntern, und von dem Muntern zum
Heitern hinauffteigen.
Die Natur bildet Gegenden von dieſer Gattung in einer unbeſchreiblichen Ab-
wechſelung, und in einer verſchwenderiſchen Verſchiedenheit der Groͤße, der Formen,
der Farben, der Stellungen und der Verbindungen. Sie kommen, weil die Natur
ſie in einer ſo reichen Mannigfaltigkeit liefert, in tauſend Nachbildungen der Dichter
und der Landſchaftmaler wieder vor.
Ihr Eindruck iſt gemaͤßigt. Eine ruhige Behaglichkeit, eine erwaͤrmende
Aufwallung von Ergoͤtzung, ein ſanftes Dahinſchweben der Seele in Empfindungen
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |