Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren Lichts und des Schattens bey dem Aufgang und Untergang der Sonne die schönstenSchauspiele, die der Aufmerksamkeit kluger Landschaftmaler allezeit würdig waren. 6. Gebirge. Von den Gebirgen gelten überhaupt die Anmerkungen, die von den Anhöhen Der Charakter der Gebirge ist Erhabenheit und feyerliche Majestät, wovon sie Sie fordern sogleich jedes Auge zur Aufmerksamkeit auf; sie rühren, erheben Gebirge sind die Heimat der Quellen und Flüsse; sie enthalten Mineralien und Die erhabensten und mächtigsten Bewegungen gewähren die Gebirge auf ih- in
Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren Lichts und des Schattens bey dem Aufgang und Untergang der Sonne die ſchoͤnſtenSchauſpiele, die der Aufmerkſamkeit kluger Landſchaftmaler allezeit wuͤrdig waren. 6. Gebirge. Von den Gebirgen gelten uͤberhaupt die Anmerkungen, die von den Anhoͤhen Der Charakter der Gebirge iſt Erhabenheit und feyerliche Majeſtaͤt, wovon ſie Sie fordern ſogleich jedes Auge zur Aufmerkſamkeit auf; ſie ruͤhren, erheben Gebirge ſind die Heimat der Quellen und Fluͤſſe; ſie enthalten Mineralien und Die erhabenſten und maͤchtigſten Bewegungen gewaͤhren die Gebirge auf ih- in
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0208" n="194"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren</hi></fw><lb/> Lichts und des Schattens bey dem Aufgang und Untergang der Sonne die ſchoͤnſten<lb/> Schauſpiele, die der Aufmerkſamkeit kluger Landſchaftmaler allezeit wuͤrdig waren.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">6.<lb/><hi rendition="#g">Gebirge</hi>.</hi> </head><lb/> <p>Von den Gebirgen gelten uͤberhaupt die Anmerkungen, die von den Anhoͤhen<lb/> und Huͤgeln gemacht ſind.</p><lb/> <p>Der Charakter der Gebirge iſt Erhabenheit und feyerliche Majeſtaͤt, wovon ſie<lb/> den Einfluß uͤber die Landſchaft, worin ſie ruhen, nach ihrer Hoͤhe und Ausdehnung<lb/> verbreiten. Sie ſind ſchon an ſich ſo uͤberaus wichtige Gegenſtaͤnde der Landſchaft,<lb/> daß ſie allein dieſe zu einer heroiſchen erheben koͤnnen. Alles, was uͤberhaupt in ſol-<lb/> chen großen, hohen und ausgebreiteten Maſſen Kuͤhnes und Majeſtaͤtiſches ſeyn kann,<lb/> beſtimmt ihren Charakter. Selbſt die Rauhigkeit und Wildniß, die auf ihnen zu<lb/> herrſchen pflegt, die Schneelaſten auf ihren Spitzen, die geſpaltenen Abſaͤtze, die<lb/> drohenden Abſtuͤrze, die aufgeriſſenen weiten Zwiſchenraͤume mit ihren Kluͤften und<lb/> Abgruͤnden, helfen ihren Eindruck verſtaͤrken.</p><lb/> <p>Sie fordern ſogleich jedes Auge zur Aufmerkſamkeit auf; ſie ruͤhren, erheben<lb/> und fuͤllen die Seele des Anſchauers; ſie praͤgen Ehrfurcht, Bewunderung und Er-<lb/> ſtaunen ein; ja ihre Wirkung iſt oft eine Bewegung, die, wenn ſie nicht Schrecken<lb/> oder Schauder iſt, doch mit ihnen in einer genauen Verwandtſchaft ſteht.</p><lb/> <p>Gebirge ſind die Heimat der Quellen und Fluͤſſe; ſie enthalten Mineralien und<lb/> Pflanzen, und naͤhren tauſend Inſekten und Voͤgel, die auf den Ebenen weniger be-<lb/> kannt ſind; ſie bieten die Wolluſt der ruhigen Eingezogenheit und der laͤndlichen Un-<lb/> ſchuld an, die auf ihnen laͤnger in einer voͤlligen Sicherheit wohnt: alles dieſes erhoͤhet<lb/> den Genuß ihrer Anmuth.</p><lb/> <p>Die erhabenſten und maͤchtigſten Bewegungen gewaͤhren die Gebirge auf ih-<lb/> rem Gipfel. Dies ſind die Bewegungen, die aus der Weite und Unermeßlichkeit<lb/> der Ausſichten, aus den Schauſpielen des Sonnenlichts und der Wolken zwiſchen den<lb/> Tiefen und an den Spitzen, aus der unendlichen Mannigfaltigkeit und Miſchung der<lb/> Gegenſtaͤnde entſpringen, worin ſich das Auge und die Einbildungskraft verlieren.<lb/> Der Anblick des Himmels nahe uͤber dem Haupte, der Wolken und der Blitze unter<lb/> den Fuͤßen, der Tiefen und der entfernteſten Ausdehnungen einer halben Welt, die<lb/> verkleinert wie in ein Thal dahingeſunken und von einer ſanften Daͤmmerung begraͤnzt<lb/> iſt — das Gefuͤhl der Groͤße und Neuheit, verſtaͤrkt durch die Einſamkeit und<lb/> Stille, womit man umgeben iſt — die Freyheit und Leichtigkeit, womit die Seele<lb/> <fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0208]
Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren
Lichts und des Schattens bey dem Aufgang und Untergang der Sonne die ſchoͤnſten
Schauſpiele, die der Aufmerkſamkeit kluger Landſchaftmaler allezeit wuͤrdig waren.
6.
Gebirge.
Von den Gebirgen gelten uͤberhaupt die Anmerkungen, die von den Anhoͤhen
und Huͤgeln gemacht ſind.
Der Charakter der Gebirge iſt Erhabenheit und feyerliche Majeſtaͤt, wovon ſie
den Einfluß uͤber die Landſchaft, worin ſie ruhen, nach ihrer Hoͤhe und Ausdehnung
verbreiten. Sie ſind ſchon an ſich ſo uͤberaus wichtige Gegenſtaͤnde der Landſchaft,
daß ſie allein dieſe zu einer heroiſchen erheben koͤnnen. Alles, was uͤberhaupt in ſol-
chen großen, hohen und ausgebreiteten Maſſen Kuͤhnes und Majeſtaͤtiſches ſeyn kann,
beſtimmt ihren Charakter. Selbſt die Rauhigkeit und Wildniß, die auf ihnen zu
herrſchen pflegt, die Schneelaſten auf ihren Spitzen, die geſpaltenen Abſaͤtze, die
drohenden Abſtuͤrze, die aufgeriſſenen weiten Zwiſchenraͤume mit ihren Kluͤften und
Abgruͤnden, helfen ihren Eindruck verſtaͤrken.
Sie fordern ſogleich jedes Auge zur Aufmerkſamkeit auf; ſie ruͤhren, erheben
und fuͤllen die Seele des Anſchauers; ſie praͤgen Ehrfurcht, Bewunderung und Er-
ſtaunen ein; ja ihre Wirkung iſt oft eine Bewegung, die, wenn ſie nicht Schrecken
oder Schauder iſt, doch mit ihnen in einer genauen Verwandtſchaft ſteht.
Gebirge ſind die Heimat der Quellen und Fluͤſſe; ſie enthalten Mineralien und
Pflanzen, und naͤhren tauſend Inſekten und Voͤgel, die auf den Ebenen weniger be-
kannt ſind; ſie bieten die Wolluſt der ruhigen Eingezogenheit und der laͤndlichen Un-
ſchuld an, die auf ihnen laͤnger in einer voͤlligen Sicherheit wohnt: alles dieſes erhoͤhet
den Genuß ihrer Anmuth.
Die erhabenſten und maͤchtigſten Bewegungen gewaͤhren die Gebirge auf ih-
rem Gipfel. Dies ſind die Bewegungen, die aus der Weite und Unermeßlichkeit
der Ausſichten, aus den Schauſpielen des Sonnenlichts und der Wolken zwiſchen den
Tiefen und an den Spitzen, aus der unendlichen Mannigfaltigkeit und Miſchung der
Gegenſtaͤnde entſpringen, worin ſich das Auge und die Einbildungskraft verlieren.
Der Anblick des Himmels nahe uͤber dem Haupte, der Wolken und der Blitze unter
den Fuͤßen, der Tiefen und der entfernteſten Ausdehnungen einer halben Welt, die
verkleinert wie in ein Thal dahingeſunken und von einer ſanften Daͤmmerung begraͤnzt
iſt — das Gefuͤhl der Groͤße und Neuheit, verſtaͤrkt durch die Einſamkeit und
Stille, womit man umgeben iſt — die Freyheit und Leichtigkeit, womit die Seele
in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |