Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Erster Abschnitt. Von den Gegenständen der schönen ländlichen Natur überhaupt. Weil die Gartenkunst so genau mit der Natur verbunden ist, daß sie selbst nichts Die Gegenstände der ländlichen Natur haben mehr als einen Weg, auf wel- Nach- I Band. X
Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Weil die Gartenkunſt ſo genau mit der Natur verbunden iſt, daß ſie ſelbſt nichts Die Gegenſtaͤnde der laͤndlichen Natur haben mehr als einen Weg, auf wel- Nach- I Band. X
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Erſter Abſchnitt.
Von den Gegenſtaͤnden der ſchoͤnen laͤndlichen Natur
uͤberhaupt.
Weil die Gartenkunſt ſo genau mit der Natur verbunden iſt, daß ſie ſelbſt nichts
anders als die Natur in einer etwas abgeaͤnderten Geſtalt zu ſeyn ſcheint;
ſo iſt ihr erſter und vornehmſter Beruf, ſich mit den Gegenſtaͤnden der ſchoͤnen Natur
zu beſchaͤftigen. Dieſe ſind von verſchiedener Art und von verſchiedenen Kraͤften.
Sie haben alſo auch verſchiedene Einwirkungen auf den Menſchen, wovon uns Beob-
achtung und Empfindung uͤberzeugen, und wozu der Urheber der Natur ihnen die noͤ-
thige Richtung zu geben nach dem Plan der vollkommenſten Weisheit nicht uͤberſehen
konnte. Die Gegenſtaͤnde der ſchoͤnen Natur liegen vor dem Menſchen ausgebreitet;
die Werkzeuge ſeiner Sinne ſind dazu harmoniſch gebildet, ihre Eindruͤcke aufzufan-
gen, durch eine weitere Fortpflanzung derſelben die Einbildungskraft in Bewegung zu
ſetzen, und durch die Erſcheinung angenehmer Bilder die Empfindung zu beleben.
Die Gegenſtaͤnde der laͤndlichen Natur haben mehr als einen Weg, auf wel-
chem ſie die Wirkungen ihrer Eigenſchaften zur Seele bringen und ihre Empfindſam-
keit reizen. Der vornehmſte Weg iſt das Geſicht, der vollkommenſte und ergoͤtzlich-
ſte unter allen Sinnen. Durch das Auge nehmen wir die Lage der Gegenſtaͤnde,
ihre Geſtalt oder Form, ihre Farben und ihre Beweglichkeit wahr; ſo viel be-
ſondere ſinnliche Schoͤnheiten in allen dieſen enthalten ſeyn koͤnnen, ſo viel koͤnnen von
dem Auge aufgefaßt werden. Unter den uͤbrigen Sinnen, die fuͤr die Annehmlich-
keiten der Natur gebildet ſind, tritt das Gehoͤr am naͤchſten hervor, das die harmo-
niſchen Toͤne empfaͤngt. Der Geruch, der die ſuͤßen Ausathmungen der Pflan-
zen und Gewaͤchſe aufnimmt, ſcheint der letzte zu ſeyn, wenn man ihm nicht noch
allenfalls den groͤbern Sinn des Gefuͤhls, der die Erfriſchungen der Luft genießt, bey-
geſellen will. Durch alle dieſe Zugaͤnge ſtroͤmen die laͤndlichen Schoͤnheiten und An-
nehmlichkeiten der Natur mehr oder weniger in die Seele ein. Der Eindruck, den
die Gegenſtaͤnde auf einen Sinn machen, kann, durch die Mitbewegung noch eines
andern oder mehrerer Sinne zugleich, verſtaͤrket werden. Die Begriffe mehrerer
Sinne, die uͤbereinſtimmen, preiſen den Gegenſtand ſtaͤrker an. Ein Hain voll jun-
gen Laubes und heitrer Ausſichten ergoͤtzt mehr, wenn wir darin zugleich das Lied der
Nach-
I Band. X
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