Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten der Alten und der Neuen. I. Ursprung der Gärten. Die Natur hatte den Menschen gebildet, die Freuden der schönen Jahrszeiten zu mehr A 2
Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten der Alten und der Neuen. I. Urſprung der Gaͤrten. Die Natur hatte den Menſchen gebildet, die Freuden der ſchoͤnen Jahrszeiten zu mehr A 2
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Erſter Abſchnitt.
Ausſicht in die Gaͤrten der Alten und der Neuen.
I.
Urſprung der Gaͤrten.
Die Natur hatte den Menſchen gebildet, die Freuden der ſchoͤnen Jahrszeiten zu
genießen, und die Vortheile des Landlebens mußten ſich ihm bald zum fruͤhen
Genuß ankuͤndigen. Aber die Spuren der Gartenkunſt ſind nur erſt in den Zeiten
des Lichts, der Ruhe und der gemilderten Sitten aufzuſuchen. Was kann man
hoffen, davon bey Voͤlkern zu finden, die noch in dem Stande der erſten Wildheit
leben, deren ganze Thaͤtigkeit auf die Befriedigung ihrer vielen natuͤrlichen Beduͤrf-
niſſe eingeſchraͤnkt iſt, die von der Noth zur Jagd und zum unſtaͤten Leben hingeriſſen
werden? Eben ſo wenig koͤnnen Gaͤrten bey einem Volke empor kommen, das be-
ſtaͤndig in den Waffen ſteht, Unruhe ſucht, wenn es ſie nicht hat, und mehr Ver-
gnuͤgen in Anfaͤllen und Herumſchweifungen ſindet, als in der Vertheidigung und
dem Anbau einer Gegend. Auch alsdann, wenn der Menſch ſich der rauhen Lebens-
art entwoͤhnet, wenn er Sicherheit und Gemaͤchlichkeit zu lieben anfaͤngt, wenn er
unter dem Schatten des Friedens ſein Eigenthum bebauen und ſich daran ergoͤtzen
lernt, gehoͤrt doch noch eine gewiſſe Verfeinerung ſeiner Sinne und ſeiner Gefuͤhle
dazu, ehe er Luſtgaͤrten von einiger Bedeutung anzulegen faͤhig ſeyn wird. Der
Geiſt muß ſich erſt an die Scenen der Ruhe und der natuͤrlichen Schoͤnheit gewoͤhnet
haben, das Auge zur Wahrnehmung landſchaftlicher Reize geuͤbt ſeyn, und das Herz
ſich leicht und gerne milden Eindruͤcken eroͤffnen. Ja, die Erfahrung lehrt, daß,
wenn Zeitalter ſchon zu einem feinen Geſchmacke gelangten, ſie weit eher ſchoͤne Ge-
baͤude zu errichten und vortreffliche Gemaͤlde auszufuͤhren wußten, als Gaͤrten wohl
anzulegen; als wenn die Gartenkunſt, die doch ſo nahe mit der Natur verwandt iſt,
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