Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir sprachen kein lebendiges Wort, als
ob's todte gebe? nach der Weise von
todten und lebendigen Sprachen? Wenn man
lebendige Worte thätige mit Handlungen ver-
bundene nennen wolte; würden freylich auch
todte Worte seyn. O dem Todten! Gott eh-
re mir Leute, die Hand und Mund zugleich
bewegen, pflegte mein Vater zu sagen. Frey-
lich deutete er diesen Ausspruch auf Güte des
Herzens und Mildthätigkeit; allein er ehrte
auch das Symbol, und hatte die Gewohnheit,
die Hand mitsprechen zu laßen --

Seufzer, halberdrückte Achs, nennt
nicht todte Worte, ihr Wortkrämer! denn
die gelten mir mehr, als eure Klagelieder und
Condolenzen. Wenn es auf Achs kommt, läst
der Geist den verstummten Leib ab, drengt sich
vor, vertritt ihn, und läßt sich allein hören.
Es giebt unaussprechliche Achs! -- Abba, mein
Vater! -- die Cartheuserparole: bedenke das
Ende! war gewöhnlich unsere ganze Unterhal-

tung
A 2

Wir ſprachen kein lebendiges Wort, als
ob’s todte gebe? nach der Weiſe von
todten und lebendigen Sprachen? Wenn man
lebendige Worte thaͤtige mit Handlungen ver-
bundene nennen wolte; wuͤrden freylich auch
todte Worte ſeyn. O dem Todten! Gott eh-
re mir Leute, die Hand und Mund zugleich
bewegen, pflegte mein Vater zu ſagen. Frey-
lich deutete er dieſen Ausſpruch auf Guͤte des
Herzens und Mildthaͤtigkeit; allein er ehrte
auch das Symbol, und hatte die Gewohnheit,
die Hand mitſprechen zu laßen —

Seufzer, halberdruͤckte Achs, nennt
nicht todte Worte, ihr Wortkraͤmer! denn
die gelten mir mehr, als eure Klagelieder und
Condolenzen. Wenn es auf Achs kommt, laͤſt
der Geiſt den verſtummten Leib ab, drengt ſich
vor, vertritt ihn, und laͤßt ſich allein hoͤren.
Es giebt unausſprechliche Achs! — Abba, mein
Vater! — die Cartheuſerparole: bedenke das
Ende! war gewoͤhnlich unſere ganze Unterhal-

tung
A 2
<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0011" n="[5]"/>
    </front>
    <body>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#in">W</hi>ir &#x017F;prachen kein <hi rendition="#fr">lebendiges</hi> Wort, als<lb/>
ob&#x2019;s <hi rendition="#fr">todte</hi> gebe? nach der Wei&#x017F;e von<lb/>
todten und lebendigen Sprachen? Wenn man<lb/>
lebendige Worte tha&#x0364;tige mit Handlungen ver-<lb/>
bundene nennen wolte; wu&#x0364;rden freylich auch<lb/>
todte Worte &#x017F;eyn. O dem Todten! Gott eh-<lb/>
re mir Leute, die Hand und Mund zugleich<lb/>
bewegen, pflegte mein Vater zu &#x017F;agen. Frey-<lb/>
lich deutete er die&#x017F;en Aus&#x017F;pruch auf Gu&#x0364;te des<lb/>
Herzens und Mildtha&#x0364;tigkeit; allein er ehrte<lb/>
auch das Symbol, und hatte die Gewohnheit,<lb/>
die Hand mit&#x017F;prechen zu laßen &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Seufzer, halberdru&#x0364;ckte Achs,</hi> nennt<lb/>
nicht <hi rendition="#fr">todte Worte,</hi> ihr Wortkra&#x0364;mer! denn<lb/>
die gelten mir mehr, als eure Klagelieder und<lb/>
Condolenzen. Wenn es auf Achs kommt, la&#x0364;&#x017F;t<lb/>
der Gei&#x017F;t den ver&#x017F;tummten Leib ab, drengt &#x017F;ich<lb/>
vor, vertritt ihn, und la&#x0364;ßt &#x017F;ich allein ho&#x0364;ren.<lb/>
Es giebt unaus&#x017F;prechliche Achs! &#x2014; Abba, mein<lb/>
Vater! &#x2014; die Cartheu&#x017F;erparole: bedenke das<lb/>
Ende! war gewo&#x0364;hnlich un&#x017F;ere ganze Unterhal-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[5]/0011] Wir ſprachen kein lebendiges Wort, als ob’s todte gebe? nach der Weiſe von todten und lebendigen Sprachen? Wenn man lebendige Worte thaͤtige mit Handlungen ver- bundene nennen wolte; wuͤrden freylich auch todte Worte ſeyn. O dem Todten! Gott eh- re mir Leute, die Hand und Mund zugleich bewegen, pflegte mein Vater zu ſagen. Frey- lich deutete er dieſen Ausſpruch auf Guͤte des Herzens und Mildthaͤtigkeit; allein er ehrte auch das Symbol, und hatte die Gewohnheit, die Hand mitſprechen zu laßen — Seufzer, halberdruͤckte Achs, nennt nicht todte Worte, ihr Wortkraͤmer! denn die gelten mir mehr, als eure Klagelieder und Condolenzen. Wenn es auf Achs kommt, laͤſt der Geiſt den verſtummten Leib ab, drengt ſich vor, vertritt ihn, und laͤßt ſich allein hoͤren. Es giebt unausſprechliche Achs! — Abba, mein Vater! — die Cartheuſerparole: bedenke das Ende! war gewoͤhnlich unſere ganze Unterhal- tung A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/11
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/11>, abgerufen am 13.11.2024.