Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.Frauenstimmrecht.
jenigen, die für das allgemeine Stimmrecht als genügend er-achtet werden. Wo das passive Wahlrecht in so hohem Mass- stabe besteht, ist ein eigentlicher Grund, das aktive auszu- schliessen, nicht mehr vorhanden und es ist, wie schon Ein- gangs gesagt wurde, nicht recht abzusehen, warum eine Lehrerin, die in ihrer Schule schweizerische politische Geschichte und Verfassungskunde lehren darf, nicht fähig sein sollte an einer Referendums- oder Verfassungsabstimmung, oder an einer Wahl Theil zu nehmen. Es fehlt hier also die Logik in diesen Verhältnissen, wie sie sich meistens ganz that- sächlich gebildet haben und erst nachträglich gesetzgeberisch gerechtfertigt worden sind1), und dieselbe wird sich Raum verschaffen, wie es ihrer Natur entspricht, sobald einzelne Vor- urtheile dagegen, durch die Praxis und das Beispiel anderer Länder, abgeschwächt, oder ganz beseitigt worden sind. "Jeder Despotismus -- sagt uns ein bekannter eng- III. Welches sind die muthmasslichen politischen Das ist eigentlich die grösste Frage dabei. In den meisten 1) Wir erinnern uns z. B. an einen Fall, wo eine Eisenbahn-
kassierin zuerst bloss als Stellvertretung ihres erkrankten Vaters fungirte und dann später, als die Sache nichts Auffallendes mehr besass und sich auch sonst bewährt hatte, selbständig angestellt wurde. Frauenstimmrecht.
jenigen, die für das allgemeine Stimmrecht als genügend er-achtet werden. Wo das passive Wahlrecht in so hohem Mass- stabe besteht, ist ein eigentlicher Grund, das aktive auszu- schliessen, nicht mehr vorhanden und es ist, wie schon Ein- gangs gesagt wurde, nicht recht abzusehen, warum eine Lehrerin, die in ihrer Schule schweizerische politische Geschichte und Verfassungskunde lehren darf, nicht fähig sein sollte an einer Referendums- oder Verfassungsabstimmung, oder an einer Wahl Theil zu nehmen. Es fehlt hier also die Logik in diesen Verhältnissen, wie sie sich meistens ganz that- sächlich gebildet haben und erst nachträglich gesetzgeberisch gerechtfertigt worden sind1), und dieselbe wird sich Raum verschaffen, wie es ihrer Natur entspricht, sobald einzelne Vor- urtheile dagegen, durch die Praxis und das Beispiel anderer Länder, abgeschwächt, oder ganz beseitigt worden sind. «Jeder Despotismus — sagt uns ein bekannter eng- III. Welches sind die muthmasslichen politischen Das ist eigentlich die grösste Frage dabei. In den meisten 1) Wir erinnern uns z. B. an einen Fall, wo eine Eisenbahn-
kassierin zuerst bloss als Stellvertretung ihres erkrankten Vaters fungirte und dann später, als die Sache nichts Auffallendes mehr besass und sich auch sonst bewährt hatte, selbständig angestellt wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="268"/><fw place="top" type="header">Frauenstimmrecht.</fw> jenigen, die für das allgemeine Stimmrecht als genügend er-<lb/> achtet werden. Wo das passive Wahlrecht in so hohem Mass-<lb/> stabe besteht, ist ein eigentlicher Grund, das aktive auszu-<lb/> schliessen, nicht mehr vorhanden und es ist, wie schon Ein-<lb/> gangs gesagt wurde, nicht recht abzusehen, warum eine Lehrerin,<lb/> die in ihrer Schule schweizerische politische Geschichte und<lb/> Verfassungskunde <hi rendition="#g">lehren</hi> darf, nicht <hi rendition="#g">fähig</hi> sein sollte an<lb/> einer Referendums- oder Verfassungsabstimmung, oder an<lb/> einer Wahl Theil zu nehmen. Es fehlt hier also die <hi rendition="#g">Logik</hi><lb/> in diesen Verhältnissen, wie sie sich meistens ganz that-<lb/> sächlich gebildet haben und erst nachträglich gesetzgeberisch<lb/> gerechtfertigt worden sind<note place="foot" n="1)">Wir erinnern uns z. B. an einen Fall, wo eine Eisenbahn-<lb/> kassierin zuerst bloss als Stellvertretung ihres erkrankten Vaters<lb/> fungirte und dann später, als die Sache nichts Auffallendes mehr<lb/> besass und sich auch sonst bewährt hatte, selbständig angestellt<lb/> wurde.</note>, und dieselbe wird sich Raum<lb/> verschaffen, wie es ihrer Natur entspricht, sobald einzelne Vor-<lb/> urtheile dagegen, durch die Praxis und das Beispiel anderer<lb/> Länder, abgeschwächt, oder ganz beseitigt worden sind.</p><lb/> <p>«<hi rendition="#g">Jeder</hi> Despotismus — sagt uns ein bekannter eng-<lb/> lischer Philosoph — sei er politisch oder sozial, betreffe er Ge-<lb/> schlecht, Kaste, Alter, oder was immer sonst, <hi rendition="#g">muss</hi> von<lb/> einer wachsenden Civilisation schliesslich hinweggeräumt<lb/> werden».</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>III.</head><lb/> <p> <hi rendition="#g">Welches sind die muthmasslichen politischen<lb/> Wirkungen des Frauenstimmrechts?</hi> </p><lb/> <p>Das ist eigentlich die grösste Frage dabei. In den meisten<lb/> Staaten, ganz besonders bei uns, wo man dermalen in weiten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0028]
Frauenstimmrecht.
jenigen, die für das allgemeine Stimmrecht als genügend er-
achtet werden. Wo das passive Wahlrecht in so hohem Mass-
stabe besteht, ist ein eigentlicher Grund, das aktive auszu-
schliessen, nicht mehr vorhanden und es ist, wie schon Ein-
gangs gesagt wurde, nicht recht abzusehen, warum eine Lehrerin,
die in ihrer Schule schweizerische politische Geschichte und
Verfassungskunde lehren darf, nicht fähig sein sollte an
einer Referendums- oder Verfassungsabstimmung, oder an
einer Wahl Theil zu nehmen. Es fehlt hier also die Logik
in diesen Verhältnissen, wie sie sich meistens ganz that-
sächlich gebildet haben und erst nachträglich gesetzgeberisch
gerechtfertigt worden sind 1), und dieselbe wird sich Raum
verschaffen, wie es ihrer Natur entspricht, sobald einzelne Vor-
urtheile dagegen, durch die Praxis und das Beispiel anderer
Länder, abgeschwächt, oder ganz beseitigt worden sind.
«Jeder Despotismus — sagt uns ein bekannter eng-
lischer Philosoph — sei er politisch oder sozial, betreffe er Ge-
schlecht, Kaste, Alter, oder was immer sonst, muss von
einer wachsenden Civilisation schliesslich hinweggeräumt
werden».
III.
Welches sind die muthmasslichen politischen
Wirkungen des Frauenstimmrechts?
Das ist eigentlich die grösste Frage dabei. In den meisten
Staaten, ganz besonders bei uns, wo man dermalen in weiten
1) Wir erinnern uns z. B. an einen Fall, wo eine Eisenbahn-
kassierin zuerst bloss als Stellvertretung ihres erkrankten Vaters
fungirte und dann später, als die Sache nichts Auffallendes mehr
besass und sich auch sonst bewährt hatte, selbständig angestellt
wurde.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-07-12T09:45:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-07-12T09:45:20Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-07-12T09:45:20Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |