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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Ich habe keinen gefunden, der mich nicht für
einen Dummkopf hielt, wenn ich gut von ihm sprach.
Verzeiht, Ihr seid nicht aus Rom?

Ich bin ein Deutscher.

Gott segn' es Euch!

Sie erreichten schweigend das Thor und lenkten
ein nach Piazza Barberini. Der Verwundete wies
auf ein kleines Haus im Winkel des Platzes, bau¬
fällig und dunkel. Als das Pferd vor der niedrigen
Thür hielt, ließ sein Reiter sich niedergleiten, ehe
der Andre helfen konnte, brach aber hülflos zusam¬
men. Es ist ärger als ich dachte, sagte er. Thut
noch das und helft mir hinein, und da ist der Schlüs¬
sel. -- Der junge Mann unterstützte ihn schweigend,
rief einem Knaben, das Pferd zu halten, und einem
müßigen Burschen, das Haus zu öffnen. Drinnen
war es dunkel, die feuchte Kälte schlug ihnen unheim¬
lich entgegen. Sie trugen ihn durch den Flur, wie
er's ihnen sagte, links in ein wüstes großes Gemach.
Wo ist Euer Bett? fragte der Deutsche. -- Wo Ihr
wollt; aber legt mich lieber drüben an die Wand.
Dort hinten ist die Mauer nicht zuverlässig. Dieser
brave alte Palazzo, im Frühjahr wollen sie ihn nie¬
derreißen; ich glaube, er hat nicht die Geduld es ab¬
zuwarten.

Und Ihr haltet es hier aus? --

Es ist die billigste Art, sich begraben zu lassen,

Ich habe keinen gefunden, der mich nicht für
einen Dummkopf hielt, wenn ich gut von ihm ſprach.
Verzeiht, Ihr ſeid nicht aus Rom?

Ich bin ein Deutſcher.

Gott ſegn' es Euch!

Sie erreichten ſchweigend das Thor und lenkten
ein nach Piazza Barberini. Der Verwundete wies
auf ein kleines Haus im Winkel des Platzes, bau¬
fällig und dunkel. Als das Pferd vor der niedrigen
Thür hielt, ließ ſein Reiter ſich niedergleiten, ehe
der Andre helfen konnte, brach aber hülflos zuſam¬
men. Es iſt ärger als ich dachte, ſagte er. Thut
noch das und helft mir hinein, und da iſt der Schlüſ¬
ſel. — Der junge Mann unterſtützte ihn ſchweigend,
rief einem Knaben, das Pferd zu halten, und einem
müßigen Burſchen, das Haus zu öffnen. Drinnen
war es dunkel, die feuchte Kälte ſchlug ihnen unheim¬
lich entgegen. Sie trugen ihn durch den Flur, wie
er's ihnen ſagte, links in ein wüſtes großes Gemach.
Wo iſt Euer Bett? fragte der Deutſche. — Wo Ihr
wollt; aber legt mich lieber drüben an die Wand.
Dort hinten iſt die Mauer nicht zuverläſſig. Dieſer
brave alte Palazzo, im Frühjahr wollen ſie ihn nie¬
derreißen; ich glaube, er hat nicht die Geduld es ab¬
zuwarten.

Und Ihr haltet es hier aus? —

Es iſt die billigſte Art, ſich begraben zu laſſen,

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[134/0146] Ich habe keinen gefunden, der mich nicht für einen Dummkopf hielt, wenn ich gut von ihm ſprach. Verzeiht, Ihr ſeid nicht aus Rom? Ich bin ein Deutſcher. Gott ſegn' es Euch! Sie erreichten ſchweigend das Thor und lenkten ein nach Piazza Barberini. Der Verwundete wies auf ein kleines Haus im Winkel des Platzes, bau¬ fällig und dunkel. Als das Pferd vor der niedrigen Thür hielt, ließ ſein Reiter ſich niedergleiten, ehe der Andre helfen konnte, brach aber hülflos zuſam¬ men. Es iſt ärger als ich dachte, ſagte er. Thut noch das und helft mir hinein, und da iſt der Schlüſ¬ ſel. — Der junge Mann unterſtützte ihn ſchweigend, rief einem Knaben, das Pferd zu halten, und einem müßigen Burſchen, das Haus zu öffnen. Drinnen war es dunkel, die feuchte Kälte ſchlug ihnen unheim¬ lich entgegen. Sie trugen ihn durch den Flur, wie er's ihnen ſagte, links in ein wüſtes großes Gemach. Wo iſt Euer Bett? fragte der Deutſche. — Wo Ihr wollt; aber legt mich lieber drüben an die Wand. Dort hinten iſt die Mauer nicht zuverläſſig. Dieſer brave alte Palazzo, im Frühjahr wollen ſie ihn nie¬ derreißen; ich glaube, er hat nicht die Geduld es ab¬ zuwarten. Und Ihr haltet es hier aus? — Es iſt die billigſte Art, ſich begraben zu laſſen,

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/146>, abgerufen am 26.04.2024.