[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.XLIV. Erreichbar nur dem Sturm und Sonnenbrand, Von keines Wandrers Fuße umgebogen, In scheuen Kreisen nur vom Aar umflogen, Wie ein Johannes in der Wüste, stand Ein Blümchen einst auf kahler Alpenwand; Der Himmel hatte, doppelt ihm gewogen, Es seinem Herzen näher auferzogen, Doch nur mit Klagen schaut' es in das Land. "Warum, o Gott, in eines Felsen Schoos? Warum, o Gott, mir solch ein einsam Loos? Was sterb' ich nicht in holder Schwestern Mitten?" Still, meine Blume, still! Was klagst Du noch? Wohl bist Du einsam, aber sicher doch Vor Menschenhänden und vor Menschentritten. XLIV. Erreichbar nur dem Sturm und Sonnenbrand, Von keines Wandrers Fuße umgebogen, In ſcheuen Kreiſen nur vom Aar umflogen, Wie ein Johannes in der Wüſte, ſtand Ein Blümchen einſt auf kahler Alpenwand; Der Himmel hatte, doppelt ihm gewogen, Es ſeinem Herzen näher auferzogen, Doch nur mit Klagen ſchaut' es in das Land. „Warum, o Gott, in eines Felſen Schoos? Warum, o Gott, mir ſolch ein einſam Loos? Was ſterb' ich nicht in holder Schweſtern Mitten?” Still, meine Blume, ſtill! Was klagſt Du noch? Wohl biſt Du einſam, aber ſicher doch Vor Menſchenhänden und vor Menſchentritten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0180" n="174"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">XLIV.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Erreichbar nur dem Sturm und Sonnenbrand,</l><lb/> <l>Von keines Wandrers Fuße umgebogen,</l><lb/> <l>In ſcheuen Kreiſen nur vom Aar umflogen,</l><lb/> <l>Wie ein Johannes in der Wüſte, ſtand</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ein Blümchen einſt auf kahler Alpenwand;</l><lb/> <l>Der Himmel hatte, doppelt ihm gewogen,</l><lb/> <l>Es ſeinem Herzen näher auferzogen,</l><lb/> <l>Doch nur mit Klagen ſchaut' es in das Land.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>„Warum, o Gott, in eines Felſen Schoos?</l><lb/> <l>Warum, o Gott, mir ſolch ein einſam Loos?</l><lb/> <l>Was ſterb' ich nicht in holder Schweſtern Mitten?”</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Still, meine Blume, ſtill! Was klagſt Du noch?</l><lb/> <l>Wohl biſt Du einſam, aber ſicher doch</l><lb/> <l>Vor Menſchenhänden und vor Menſchentritten.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0180]
XLIV.
Erreichbar nur dem Sturm und Sonnenbrand,
Von keines Wandrers Fuße umgebogen,
In ſcheuen Kreiſen nur vom Aar umflogen,
Wie ein Johannes in der Wüſte, ſtand
Ein Blümchen einſt auf kahler Alpenwand;
Der Himmel hatte, doppelt ihm gewogen,
Es ſeinem Herzen näher auferzogen,
Doch nur mit Klagen ſchaut' es in das Land.
„Warum, o Gott, in eines Felſen Schoos?
Warum, o Gott, mir ſolch ein einſam Loos?
Was ſterb' ich nicht in holder Schweſtern Mitten?”
Still, meine Blume, ſtill! Was klagſt Du noch?
Wohl biſt Du einſam, aber ſicher doch
Vor Menſchenhänden und vor Menſchentritten.
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/180>, abgerufen am 22.07.2024. |