[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.derben. So viel vom großen Gesetz der häß- 4. Wie weit sind die Formen der Skulptur Antwort. Die Formen der Skulptur sind so einförmig und ewig, als die einfache reine Menschennatur; die Gestalten der Mahle- rei, die eine Tafel der Zeit sind, wechseln ab mit Geschichte, Menschenart und Zeiten. Wenn ein ganzes Land gespitzte Schnürleiber drun-
derben. So viel vom großen Geſetz der haͤß- 4. Wie weit ſind die Formen der Skulptur Antwort. Die Formen der Skulptur ſind ſo einfoͤrmig und ewig, als die einfache reine Menſchennatur; die Geſtalten der Mahle- rei, die eine Tafel der Zeit ſind, wechſeln ab mit Geſchichte, Menſchenart und Zeiten. Wenn ein ganzes Land geſpitzte Schnuͤrleiber drun-
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derben. So viel vom großen Geſetz der haͤß-
lichen Schoͤnheit in einer Kunſt, die Phan-
taſie des Augenſcheins und eine Tafel der
Welt iſt.
4.
Wie weit ſind die Formen der Skulptur
oder die Geſtalten der Mahlerei einfoͤrmig
und ewig, oder den Modebegriffen ver-
ſchiedener Zeiten und Voͤlker un-
terworfen und mit ihnen
wandelnd?
Antwort. Die Formen der Skulptur ſind ſo
einfoͤrmig und ewig, als die einfache reine
Menſchennatur; die Geſtalten der Mahle-
rei, die eine Tafel der Zeit ſind, wechſeln
ab mit Geſchichte, Menſchenart und
Zeiten.
Wenn ein ganzes Land geſpitzte Schnuͤrleiber
und kleine Sineſiſche Fuͤße fuͤr ſchoͤn hielt,
vor ihnen auf Ruhebetten und Sopha’s, wie
vor Altaͤren des Reizes kniete; ſetzet die Fuͤße
als Bildſaͤule aufs Poſtement, und wenn ihr
wollet, die engen Schuhe und Stelzenabſaͤtze
drun-
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Zitationshilfe: | [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/59>, abgerufen am 22.02.2025. |