men, die, wie die beide Lettische Dainos, die die Litteraturbriefe * anführten, den oft so vortreflichen Ballads der Britten, den Chan- sons der Troubadoren, den Romanzen der Spanier, oder gar den feierlichen Sago- liuds der alten Skalder beikämen; es moch- ten nun diese Nationalgesänge Lettische Dai- nos, oder Cosakische Dummi, oder Peru- anische, oder Amerikanische Lieder seyn. Will aber jemand dies nicht thun, wohl! der beque- me sich nach seiner Zeit, da das Licht der Phi- losophie die heiligen Schatten der Dichterei ver- trieben, und singe für unsern reinen Verstand.
4.
Der Geist der Religion hat sich verän- dert. Jn den Zeiten, da die Dichtkunst blü- hete, herrschte noch eine gewisse wilde Ein- falt, nach der Gott auch die Religion einrich- tete, die die Bändigerin der damaligen Zeiten war. Jch zeige hiezu nur drei Gesichtspunkte. Sie begriff mehr unter sich, sie hatte einen
andern
* s. Litt. Br. Th. 2.
men, die, wie die beide Lettiſche Dainos, die die Litteraturbriefe * anfuͤhrten, den oft ſo vortreflichen Ballads der Britten, den Chan- ſons der Troubadoren, den Romanzen der Spanier, oder gar den feierlichen Sago- liuds der alten Skalder beikaͤmen; es mo̊ch- ten nun dieſe Nationalgeſaͤnge Lettiſche Dai- nos, oder Coſakiſche Dummi, oder Peru- aniſche, oder Amerikaniſche Lieder ſeyn. Will aber jemand dies nicht thun, wohl! der beque- me ſich nach ſeiner Zeit, da das Licht der Phi- loſophie die heiligen Schatten der Dichterei ver- trieben, und ſinge fuͤr unſern reinen Verſtand.
4.
Der Geiſt der Religion hat ſich veraͤn- dert. Jn den Zeiten, da die Dichtkunſt bluͤ- hete, herrſchte noch eine gewiſſe wilde Ein- falt, nach der Gott auch die Religion einrich- tete, die die Baͤndigerin der damaligen Zeiten war. Jch zeige hiezu nur drei Geſichtspunkte. Sie begriff mehr unter ſich, ſie hatte einen
andern
* ſ. Litt. Br. Th. 2.
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vortreflichen Ballads der Britten, den Chan-
ſons der Troubadoren, den Romanzen der
Spanier, oder gar den feierlichen Sago-
liuds der alten Skalder beikaͤmen; es mo̊ch-
ten nun dieſe Nationalgeſaͤnge Lettiſche Dai-
nos, oder Coſakiſche Dummi, oder Peru-
aniſche, oder Amerikaniſche Lieder ſeyn. Will
aber jemand dies nicht thun, wohl! der beque-
me ſich nach ſeiner Zeit, da das Licht der Phi-
loſophie die heiligen Schatten der Dichterei ver-
trieben, und ſinge fuͤr unſern reinen Verſtand.
4.
Der Geiſt der Religion hat ſich veraͤn-
dert. Jn den Zeiten, da die Dichtkunſt bluͤ-
hete, herrſchte noch eine gewiſſe wilde Ein-
falt, nach der Gott auch die Religion einrich-
tete, die die Baͤndigerin der damaligen Zeiten
war. Jch zeige hiezu nur drei Geſichtspunkte.
Sie begriff mehr unter ſich, ſie hatte einen
andern
* ſ. Litt. Br. Th. 2.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/55>, abgerufen am 16.07.2024.
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