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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Drittes Wäldchen.
7.

Nun so arg kann es doch Hr. Klotz nicht ge-
macht haben, da ihm ja öffentlich so viele Ehren-
säulen schwarz auf weiß gesetzt sind, ihm, dem
Patrioten, der für den Geschmack seiner Nation,
seines Vaterlands eifere -- -- o ja! Eifern ist
gut, aber wohin kann Eifer nicht führen? ich habe
im vorigen Abschnitte mich nicht durch seine Bey-
spiele unterbrechen wollen: lasset uns seiner Gedan-
kenreihe folgen.

"Ueberhaupt können wir die bildenden Künste
"als verborgne Verrätherinnen der Denkungsart
"desjenigen ansehen, welcher sich mit ihnen beschäf-
"tiget. Die Wahl des Gegenstandes und die Be-
"arbeitung desselben mahlen uns den Künstler
"auf eine ihm selbst unbemerkte Art. Ein Werk
"eines Künstlers ist oft eine noch getreuere Schil-
"derung seines sittlichen Charakters, als eine
"Schrift das Bild des Schriftstellers. Wir le-
"sen in jenem noch deutlicher, als in dieser, die Trieb-
"federn, die den Geist des Künstlers in Bewegung
"gesetzt und die Neigungen, welche gleichsam seine
"Hand geleitet a)."

So unbestimmt und Moderecht, als dieser All-
gemeinsatz hier stehet, ist er wieder blos das Meteor
von einer Bemerkung. Welche bildende Künste

sind
a) S. 10. 11.
G 2
Drittes Waͤldchen.
7.

Nun ſo arg kann es doch Hr. Klotz nicht ge-
macht haben, da ihm ja oͤffentlich ſo viele Ehren-
ſaͤulen ſchwarz auf weiß geſetzt ſind, ihm, dem
Patrioten, der fuͤr den Geſchmack ſeiner Nation,
ſeines Vaterlands eifere — — o ja! Eifern iſt
gut, aber wohin kann Eifer nicht fuͤhren? ich habe
im vorigen Abſchnitte mich nicht durch ſeine Bey-
ſpiele unterbrechen wollen: laſſet uns ſeiner Gedan-
kenreihe folgen.

„Ueberhaupt koͤnnen wir die bildenden Kuͤnſte
„als verborgne Verraͤtherinnen der Denkungsart
„desjenigen anſehen, welcher ſich mit ihnen beſchaͤf-
„tiget. Die Wahl des Gegenſtandes und die Be-
„arbeitung deſſelben mahlen uns den Kuͤnſtler
„auf eine ihm ſelbſt unbemerkte Art. Ein Werk
„eines Kuͤnſtlers iſt oft eine noch getreuere Schil-
„derung ſeines ſittlichen Charakters, als eine
„Schrift das Bild des Schriftſtellers. Wir le-
„ſen in jenem noch deutlicher, als in dieſer, die Trieb-
„federn, die den Geiſt des Kuͤnſtlers in Bewegung
„geſetzt und die Neigungen, welche gleichſam ſeine
„Hand geleitet a).„

So unbeſtimmt und Moderecht, als dieſer All-
gemeinſatz hier ſtehet, iſt er wieder blos das Meteor
von einer Bemerkung. Welche bildende Kuͤnſte

ſind
a) S. 10. 11.
G 2
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[99/0105] Drittes Waͤldchen. 7. Nun ſo arg kann es doch Hr. Klotz nicht ge- macht haben, da ihm ja oͤffentlich ſo viele Ehren- ſaͤulen ſchwarz auf weiß geſetzt ſind, ihm, dem Patrioten, der fuͤr den Geſchmack ſeiner Nation, ſeines Vaterlands eifere — — o ja! Eifern iſt gut, aber wohin kann Eifer nicht fuͤhren? ich habe im vorigen Abſchnitte mich nicht durch ſeine Bey- ſpiele unterbrechen wollen: laſſet uns ſeiner Gedan- kenreihe folgen. „Ueberhaupt koͤnnen wir die bildenden Kuͤnſte „als verborgne Verraͤtherinnen der Denkungsart „desjenigen anſehen, welcher ſich mit ihnen beſchaͤf- „tiget. Die Wahl des Gegenſtandes und die Be- „arbeitung deſſelben mahlen uns den Kuͤnſtler „auf eine ihm ſelbſt unbemerkte Art. Ein Werk „eines Kuͤnſtlers iſt oft eine noch getreuere Schil- „derung ſeines ſittlichen Charakters, als eine „Schrift das Bild des Schriftſtellers. Wir le- „ſen in jenem noch deutlicher, als in dieſer, die Trieb- „federn, die den Geiſt des Kuͤnſtlers in Bewegung „geſetzt und die Neigungen, welche gleichſam ſeine „Hand geleitet a).„ So unbeſtimmt und Moderecht, als dieſer All- gemeinſatz hier ſtehet, iſt er wieder blos das Meteor von einer Bemerkung. Welche bildende Kuͤnſte ſind a) S. 10. 11. G 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/105>, abgerufen am 21.11.2024.