thum und Menschlichkeit bei ihnen und bei den Bar- baren hervorbrachten, oder nicht hervorbrachten. Sollten uns diese Gründe nicht auf den Weg brin- gen: worinn und woher auch die Griechen so em- pfindbar gewesen?
4.
1. Wenn es eine Zeit giebt, da das Wort Va- terland noch nicht ein leerer Schall ist, sondern
-- -- ein Silberton dem Ohr Licht dem Verstand und hoher Flug zum Denken, Dem Herzen groß Gefühl --
so muß der Name Vaterland so gut den Dichter zum Helden, als den Helden zum Dichter, und beide zu theilnehmenden Söhnen ihres Vaterlandes machen. Der Held wird dafür streiten, der Dich- ter singen, und wenn sie beide es nicht mehr retten können, beide noch als Söhne darum weinen: und ist nun Dichter und Held, und Sohn des Vater- landes Eine Person -- so ist dies die Zeit der Pa- triotischen Klagelieder. Nicht aus einer sich übenden Schulfeder; aus dem vollen Herzen werden diese fließen; nicht blos auf dem Papier, sondern im Gedächtniß, in der Seele leben; die Stimme der Ueberlieferung wird sie aufbehalten, der Mund des Volks sie singen: sie werden Thränen und Tha- ten wecken: ein Schatz des Vaterlandes, und das Gefühl, das sie besingen und wirken, Gefühl des
Volks,
Kritiſche Waͤlder.
thum und Menſchlichkeit bei ihnen und bei den Bar- baren hervorbrachten, oder nicht hervorbrachten. Sollten uns dieſe Gruͤnde nicht auf den Weg brin- gen: worinn und woher auch die Griechen ſo em- pfindbar geweſen?
4.
1. Wenn es eine Zeit giebt, da das Wort Va- terland noch nicht ein leerer Schall iſt, ſondern
— — ein Silberton dem Ohr Licht dem Verſtand und hoher Flug zum Denken, Dem Herzen groß Gefuͤhl —
ſo muß der Name Vaterland ſo gut den Dichter zum Helden, als den Helden zum Dichter, und beide zu theilnehmenden Soͤhnen ihres Vaterlandes machen. Der Held wird dafuͤr ſtreiten, der Dich- ter ſingen, und wenn ſie beide es nicht mehr retten koͤnnen, beide noch als Soͤhne darum weinen: und iſt nun Dichter und Held, und Sohn des Vater- landes Eine Perſon — ſo iſt dies die Zeit der Pa- triotiſchen Klagelieder. Nicht aus einer ſich uͤbenden Schulfeder; aus dem vollen Herzen werden dieſe fließen; nicht blos auf dem Papier, ſondern im Gedaͤchtniß, in der Seele leben; die Stimme der Ueberlieferung wird ſie aufbehalten, der Mund des Volks ſie ſingen: ſie werden Thraͤnen und Tha- ten wecken: ein Schatz des Vaterlandes, und das Gefuͤhl, das ſie beſingen und wirken, Gefuͤhl des
Volks,
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Kritiſche Waͤlder.
thum und Menſchlichkeit bei ihnen und bei den Bar-
baren hervorbrachten, oder nicht hervorbrachten.
Sollten uns dieſe Gruͤnde nicht auf den Weg brin-
gen: worinn und woher auch die Griechen ſo em-
pfindbar geweſen?
4.
1. Wenn es eine Zeit giebt, da das Wort Va-
terland noch nicht ein leerer Schall iſt, ſondern
— — ein Silberton dem Ohr
Licht dem Verſtand und hoher Flug zum Denken,
Dem Herzen groß Gefuͤhl —
ſo muß der Name Vaterland ſo gut den Dichter
zum Helden, als den Helden zum Dichter, und
beide zu theilnehmenden Soͤhnen ihres Vaterlandes
machen. Der Held wird dafuͤr ſtreiten, der Dich-
ter ſingen, und wenn ſie beide es nicht mehr retten
koͤnnen, beide noch als Soͤhne darum weinen: und
iſt nun Dichter und Held, und Sohn des Vater-
landes Eine Perſon — ſo iſt dies die Zeit der Pa-
triotiſchen Klagelieder. Nicht aus einer ſich
uͤbenden Schulfeder; aus dem vollen Herzen werden
dieſe fließen; nicht blos auf dem Papier, ſondern
im Gedaͤchtniß, in der Seele leben; die Stimme
der Ueberlieferung wird ſie aufbehalten, der Mund
des Volks ſie ſingen: ſie werden Thraͤnen und Tha-
ten wecken: ein Schatz des Vaterlandes, und das
Gefuͤhl, das ſie beſingen und wirken, Gefuͤhl des
Volks,
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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/48>, abgerufen am 22.02.2025.
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