nicht in ihrem Umfange sehen können. Wir brau- chen keinen Leitband, der die sich absenkende Figur an ein Gestirn hefte, wir brauchen kein Fahrzeug der Kaklogallinier, welches bei Swifts Reise in den Mond auf der ersten Wolke übernachtete -- --
Noch minder thut mir die verbesserte Lesart Les- sings zu dieser Stelle Gnüge: -- -- sie ist ge- suchter und metaphysischer a), als alle vorige Les- arten; und kurz! sollte in Spence nicht mehr Vor- rath zu Erläuterung der Alten seyn, insonderheit wenn ein besserer Kopf die spencischen Compilationen von Parallelstellen nutzte? Aber freilich bleibe ihm die Grille, daß die Dichter bei jeder kleinen Aehn- lichkeit ein Kunstwerk kopiret haben müssen. Hr. L. widerlegt sie in einigen Beispielen b), und bei man- chen hätte auch aus dem innern Baue der dichte- rischen Schilderungen erwiesen werden können, daß sie aus der Phantasie des Dichters, und nicht von der Arbeit des Künstlers, geflossen, weil sie sich sonst dem Dichter anders hätten vorstellen müssen.
11.
Es können kritische Betrachtungen nicht leicht nutzbarer seyn, als wenn L. gegen Spence über den Unterschied disputirt c), in welchem dem Künstler und Dichter Götter, geistige und moralische Wesen erscheinen: hingegen wird in und außerhalb der
Mau-
a)p. 87.
b)p. 90. 91.
c)p. 113 -- 118.
Kritiſche Waͤlder.
nicht in ihrem Umfange ſehen koͤnnen. Wir brau- chen keinen Leitband, der die ſich abſenkende Figur an ein Geſtirn hefte, wir brauchen kein Fahrzeug der Kaklogallinier, welches bei Swifts Reiſe in den Mond auf der erſten Wolke uͤbernachtete — —
Noch minder thut mir die verbeſſerte Lesart Leſ- ſings zu dieſer Stelle Gnuͤge: — — ſie iſt ge- ſuchter und metaphyſiſcher a), als alle vorige Les- arten; und kurz! ſollte in Spence nicht mehr Vor- rath zu Erlaͤuterung der Alten ſeyn, inſonderheit wenn ein beſſerer Kopf die ſpenciſchen Compilationen von Parallelſtellen nutzte? Aber freilich bleibe ihm die Grille, daß die Dichter bei jeder kleinen Aehn- lichkeit ein Kunſtwerk kopiret haben muͤſſen. Hr. L. widerlegt ſie in einigen Beiſpielen b), und bei man- chen haͤtte auch aus dem innern Baue der dichte- riſchen Schilderungen erwieſen werden koͤnnen, daß ſie aus der Phantaſie des Dichters, und nicht von der Arbeit des Kuͤnſtlers, gefloſſen, weil ſie ſich ſonſt dem Dichter anders haͤtten vorſtellen muͤſſen.
11.
Es koͤnnen kritiſche Betrachtungen nicht leicht nutzbarer ſeyn, als wenn L. gegen Spence uͤber den Unterſchied diſputirt c), in welchem dem Kuͤnſtler und Dichter Goͤtter, geiſtige und moraliſche Weſen erſcheinen: hingegen wird in und außerhalb der
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Kritiſche Waͤlder.
nicht in ihrem Umfange ſehen koͤnnen. Wir brau-
chen keinen Leitband, der die ſich abſenkende Figur
an ein Geſtirn hefte, wir brauchen kein Fahrzeug der
Kaklogallinier, welches bei Swifts Reiſe in den
Mond auf der erſten Wolke uͤbernachtete — —
Noch minder thut mir die verbeſſerte Lesart Leſ-
ſings zu dieſer Stelle Gnuͤge: — — ſie iſt ge-
ſuchter und metaphyſiſcher a), als alle vorige Les-
arten; und kurz! ſollte in Spence nicht mehr Vor-
rath zu Erlaͤuterung der Alten ſeyn, inſonderheit
wenn ein beſſerer Kopf die ſpenciſchen Compilationen
von Parallelſtellen nutzte? Aber freilich bleibe ihm
die Grille, daß die Dichter bei jeder kleinen Aehn-
lichkeit ein Kunſtwerk kopiret haben muͤſſen. Hr. L.
widerlegt ſie in einigen Beiſpielen b), und bei man-
chen haͤtte auch aus dem innern Baue der dichte-
riſchen Schilderungen erwieſen werden koͤnnen, daß
ſie aus der Phantaſie des Dichters, und nicht von
der Arbeit des Kuͤnſtlers, gefloſſen, weil ſie ſich ſonſt
dem Dichter anders haͤtten vorſtellen muͤſſen.
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Es koͤnnen kritiſche Betrachtungen nicht leicht
nutzbarer ſeyn, als wenn L. gegen Spence uͤber den
Unterſchied diſputirt c), in welchem dem Kuͤnſtler
und Dichter Goͤtter, geiſtige und moraliſche Weſen
erſcheinen: hingegen wird in und außerhalb der
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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/132>, abgerufen am 22.02.2025.
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