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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

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darzustellen vermag, oder so anmaassend,
daß er eine ungeprüfte mangelhafte, fal-
sche Regel, aus Unkunde oder Vermes-
senheit, uns als ein Gesetz vorhält; wer
wird darüber ein Wort verlieren? Seit-
dem ich über den vaticanischen Apollo,
über Laokoon und die tragische Muse,
über das Ideal der Alten u. f. gehört
und gelesen habe, was ich darüber ge-
hört und gelesen, kümmern mich wenige
Urtheile mehr, aber das Urtheil der We-
nigen, die eine vollständige Idee des
Werks, als eines griechischen Kunst-
werks, haben, gehen mir auf Leib und
Leben.

Was endlich die Anwendung dieser
großen Gedanken betrift; wozu sind die
Bilder meiner Götter und Helden nicht
angewendet worden? Das muß den
Meister eines Werks nicht kümmern;

darzuſtellen vermag, oder ſo anmaaſſend,
daß er eine ungepruͤfte mangelhafte, fal-
ſche Regel, aus Unkunde oder Vermeſ-
ſenheit, uns als ein Geſetz vorhaͤlt; wer
wird daruͤber ein Wort verlieren? Seit-
dem ich uͤber den vaticaniſchen Apollo,
uͤber Laokoon und die tragiſche Muſe,
uͤber das Ideal der Alten u. f. gehoͤrt
und geleſen habe, was ich daruͤber ge-
hoͤrt und geleſen, kuͤmmern mich wenige
Urtheile mehr, aber das Urtheil der We-
nigen, die eine vollſtaͤndige Idee des
Werks, als eines griechiſchen Kunſt-
werks, haben, gehen mir auf Leib und
Leben.

Was endlich die Anwendung dieſer
großen Gedanken betrift; wozu ſind die
Bilder meiner Goͤtter und Helden nicht
angewendet worden? Das muß den
Meiſter eines Werks nicht kuͤmmern;

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[47/0062] darzuſtellen vermag, oder ſo anmaaſſend, daß er eine ungepruͤfte mangelhafte, fal- ſche Regel, aus Unkunde oder Vermeſ- ſenheit, uns als ein Geſetz vorhaͤlt; wer wird daruͤber ein Wort verlieren? Seit- dem ich uͤber den vaticaniſchen Apollo, uͤber Laokoon und die tragiſche Muſe, uͤber das Ideal der Alten u. f. gehoͤrt und geleſen habe, was ich daruͤber ge- hoͤrt und geleſen, kuͤmmern mich wenige Urtheile mehr, aber das Urtheil der We- nigen, die eine vollſtaͤndige Idee des Werks, als eines griechiſchen Kunſt- werks, haben, gehen mir auf Leib und Leben. Was endlich die Anwendung dieſer großen Gedanken betrift; wozu ſind die Bilder meiner Goͤtter und Helden nicht angewendet worden? Das muß den Meiſter eines Werks nicht kuͤmmern;

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/62>, abgerufen am 26.04.2024.