Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

müther ruhig; die Neigung zu städtischen
Gewerben und Beschäftigungen wird da-
durch gestärket, so wie die Sucht nach
äußern Vorzügen diese Gewerbe verleidet.
In Städten ist eine Ehre, die Regierun-
gen nicht geben, nicht nehmen können.
Wohlstand ist das Wort für Städte.
Man denkt sich dabei Mittel und Genuß
häuslicher Glückseligkeit. Wohlerwor-
ben zu haben, ist hier das gute Aequi-
valent von dem Wohlgebohren seyn
des Ersten Standes, dessen edelster Vor-
zug es ist, den Zweiten zu beschützen. Je-
ne heroische Zeit verlangte Aufopferungen;
Armuth, Entbehrungen waren damals
auch Bürgertugenden. Sie sind es nicht
mehr. Die Anmuthungen an den
Stadtbürger sind jetzt: er soll erwerben,
soll das Erworbene geniessen; aber zu
einem vesten Wohlstande ist nur durch

muͤther ruhig; die Neigung zu ſtaͤdtiſchen
Gewerben und Beſchaͤftigungen wird da-
durch geſtaͤrket, ſo wie die Sucht nach
aͤußern Vorzuͤgen dieſe Gewerbe verleidet.
In Staͤdten iſt eine Ehre, die Regierun-
gen nicht geben, nicht nehmen koͤnnen.
Wohlſtand iſt das Wort fuͤr Staͤdte.
Man denkt ſich dabei Mittel und Genuß
haͤuslicher Gluͤckſeligkeit. Wohlerwor-
ben zu haben, iſt hier das gute Aequi-
valent von dem Wohlgebohren ſeyn
des Erſten Standes, deſſen edelſter Vor-
zug es iſt, den Zweiten zu beſchuͤtzen. Je-
ne heroiſche Zeit verlangte Aufopferungen;
Armuth, Entbehrungen waren damals
auch Buͤrgertugenden. Sie ſind es nicht
mehr. Die Anmuthungen an den
Stadtbuͤrger ſind jetzt: er ſoll erwerben,
ſoll das Erworbene genieſſen; aber zu
einem veſten Wohlſtande iſt nur durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="140"/>
mu&#x0364;ther ruhig; die Neigung zu &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen<lb/>
Gewerben und Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen wird da-<lb/>
durch ge&#x017F;ta&#x0364;rket, &#x017F;o wie die Sucht nach<lb/>
a&#x0364;ußern Vorzu&#x0364;gen die&#x017F;e Gewerbe verleidet.<lb/>
In Sta&#x0364;dten i&#x017F;t eine Ehre, die Regierun-<lb/>
gen nicht geben, nicht nehmen ko&#x0364;nnen.<lb/><hi rendition="#g">Wohl&#x017F;tand</hi> i&#x017F;t das Wort fu&#x0364;r Sta&#x0364;dte.<lb/>
Man denkt &#x017F;ich dabei Mittel und Genuß<lb/>
ha&#x0364;uslicher Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit. <hi rendition="#g">Wohlerwor</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ben zu haben</hi>, i&#x017F;t hier das gute Aequi-<lb/>
valent von dem <hi rendition="#g">Wohlgebohren &#x017F;eyn</hi><lb/>
des Er&#x017F;ten Standes, de&#x017F;&#x017F;en edel&#x017F;ter Vor-<lb/>
zug es i&#x017F;t, den Zweiten zu be&#x017F;chu&#x0364;tzen. Je-<lb/>
ne heroi&#x017F;che Zeit verlangte Aufopferungen;<lb/>
Armuth, Entbehrungen waren damals<lb/>
auch Bu&#x0364;rgertugenden. Sie &#x017F;ind es nicht<lb/>
mehr. Die Anmuthungen an den<lb/>
Stadtbu&#x0364;rger &#x017F;ind jetzt: er &#x017F;oll erwerben,<lb/>
&#x017F;oll das Erworbene genie&#x017F;&#x017F;en; aber zu<lb/>
einem ve&#x017F;ten Wohl&#x017F;tande i&#x017F;t nur durch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0155] muͤther ruhig; die Neigung zu ſtaͤdtiſchen Gewerben und Beſchaͤftigungen wird da- durch geſtaͤrket, ſo wie die Sucht nach aͤußern Vorzuͤgen dieſe Gewerbe verleidet. In Staͤdten iſt eine Ehre, die Regierun- gen nicht geben, nicht nehmen koͤnnen. Wohlſtand iſt das Wort fuͤr Staͤdte. Man denkt ſich dabei Mittel und Genuß haͤuslicher Gluͤckſeligkeit. Wohlerwor- ben zu haben, iſt hier das gute Aequi- valent von dem Wohlgebohren ſeyn des Erſten Standes, deſſen edelſter Vor- zug es iſt, den Zweiten zu beſchuͤtzen. Je- ne heroiſche Zeit verlangte Aufopferungen; Armuth, Entbehrungen waren damals auch Buͤrgertugenden. Sie ſind es nicht mehr. Die Anmuthungen an den Stadtbuͤrger ſind jetzt: er ſoll erwerben, ſoll das Erworbene genieſſen; aber zu einem veſten Wohlſtande iſt nur durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/155
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/155>, abgerufen am 26.04.2024.