Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.Grabschrift eines Lebenden. Hier ruht, o Wandrer, unter dem niedern Dach Der Dichter Cowlei, selig-entronnen schon Der ach wie leeren und wie eitlen Und so entbehrlichen Menschen- mühe! In Armuth glänzt er; aber unrühmlich nicht: An träger Muße will er kein Edler seyn. Reichthümer, die der Pöbel liebet, Haßte er stets mit der kühnsten Feindschaft. Gib ihm, o Wandrer, gib dem Geschiede- nen, Den hier ein kleiner Winkel der Erde birgt, Und ihm genüget, Deinen Segen: "Leicht sei die Erde dir! Sorg'- entladner!" Grabſchrift eines Lebenden. Hier ruht, o Wandrer, unter dem niedern Dach Der Dichter Cowlei, ſelig-entronnen ſchon Der ach wie leeren und wie eitlen Und ſo entbehrlichen Menſchen- muͤhe! In Armuth glaͤnzt er; aber unruͤhmlich nicht: An traͤger Muße will er kein Edler ſeyn. Reichthuͤmer, die der Poͤbel liebet, Haßte er ſtets mit der kuͤhnſten Feindſchaft. Gib ihm, o Wandrer, gib dem Geſchiede- nen, Den hier ein kleiner Winkel der Erde birgt, Und ihm genuͤget, Deinen Segen: „Leicht ſei die Erde dir! Sorg'- entladner!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0083" n="78"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Grabſchrift eines Lebenden</hi>.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Hier ruht, o Wandrer, unter dem niedern</l><lb/> <l>Dach</l><lb/> <l>Der Dichter <hi rendition="#g">Cowlei</hi>, ſelig-entronnen</l><lb/> <l>ſchon</l><lb/> <l>Der ach wie leeren und wie eitlen</l><lb/> <l>Und ſo entbehrlichen Menſchen-</l><lb/> <l>muͤhe!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>In Armuth glaͤnzt er; aber unruͤhmlich nicht:</l><lb/> <l>An traͤger Muße will er kein Edler</l><lb/> <l>ſeyn.</l><lb/> <l>Reichthuͤmer, die der Poͤbel liebet,</l><lb/> <l>Haßte er ſtets mit der kuͤhnſten</l><lb/> <l>Feindſchaft.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Gib ihm, o Wandrer, gib dem Geſchiede-</l><lb/> <l>nen,</l><lb/> <l>Den hier ein kleiner Winkel der Erde</l><lb/> <l>birgt,</l><lb/> <l>Und ihm genuͤget, Deinen Segen:</l><lb/> <l>„Leicht ſei die Erde dir! Sorg'-</l><lb/> <l>entladner!“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0083]
Grabſchrift eines Lebenden.
Hier ruht, o Wandrer, unter dem niedern
Dach
Der Dichter Cowlei, ſelig-entronnen
ſchon
Der ach wie leeren und wie eitlen
Und ſo entbehrlichen Menſchen-
muͤhe!
In Armuth glaͤnzt er; aber unruͤhmlich nicht:
An traͤger Muße will er kein Edler
ſeyn.
Reichthuͤmer, die der Poͤbel liebet,
Haßte er ſtets mit der kuͤhnſten
Feindſchaft.
Gib ihm, o Wandrer, gib dem Geſchiede-
nen,
Den hier ein kleiner Winkel der Erde
birgt,
Und ihm genuͤget, Deinen Segen:
„Leicht ſei die Erde dir! Sorg'-
entladner!“
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